Kapitel 1
Trommeln erklangen und riefen das gesamte Dorf zum Appell.
Etwas, was mir unglaublich Angst machte. Ich hatte diesen Spektakel schon einmal miterlebt, als ich noch sehr jung gewesen war. Damals, wo Mutter und Vater noch gelebt hatten. Damals waren die Trommeln, das große Feuer und auch die Speisen am Ende, wie ein Fest gewesen. Heute wusste ich es besser.
Es war kein Fest. Es war eine Strafe. Zumindest in meinen Augen.
Heute würden wir wieder eine junge Frau verlieren und ich war in dem Alter, in dem ich mich zur Musterung stellen musste.
Mein Atem wurde unregelmäßig, als ich das Kleid, das ich mir eigentlich für besondere Anlässe zugelegt hatte, zurechtzupfte. Weil mir warm war, hatte ich das Gefühl kaum Atem zu bekommen.
Ich verließ mein Haus, in dem ich mit meinen Eltern aufgewachsen war und das ich nun versuchte, ganz allein zu halten.
Mit meinen achtzehn Jahren war ich eigentlich schon fast zu alt zum Heiraten, doch ich wollte auch nicht.
Als Frau war es mir in unserer Kultur schwierig, doch ich schlug mich als Weberin und Schneiderin durch. Das reichte mir. Ich brauchte keine Familie oder gar einen Mann.
Vorsichtig drängte ich mich durch die Menschenmassen. Jeder aus unserem Dorf war auf den Beinen und sammelte sich auf dem großen Platz.
Ich schluckte und begab mich zu drei weiteren Frauen, die in der Mitte des Platzes standen. Wie auf dem Präsentierteller. Das gefiel mir gar nicht, doch es ging nicht anders.
Da es dieses Mal so wenige Frauen waren, kamen wir vielleicht dieses Jahr ohne ein Opfer davon, doch ich wollte nicht hoffen, um nicht enttäuscht zu werden.
Alle zehn Jahre kamen sie und wollten die Zahlung für ihren Schutz. Eine junge Frau.
Ich befeuchtete mir meine Lippen und blickte in den Himmel. Es war hell und sonnig. Dazu auch noch sehr warm. Was es noch schwieriger machte, mich nicht unwohl zu fühlen.
Ein dunkler Schatten legte sich über das Dorf, als für einen kurzen Moment etwas Großes die Sonne verdunkelte.
Mein Herz setzte aus und ich schnappte nach Luft, konnte aber gegen die Sonne nicht viel erkennen. Zudem wurde ich geblendet, als der Schatten vorbei war.
Ich blickte wieder nach unten und versuchte, meinen Blick zu klären, als der Dorfälteste auch schon die erste Frau bat, ihm zu folgen.
Dieses Ritual folgte immer den gleichen Regeln. Niemand würde die Kaiser zu Gesicht bekommen. Nur der Dorfälteste, der dieses Wissen an seine Kinder weitergab, die dann einmal dieses Ritual leiteten.
Aufgeregt und mit wild klopfendem Herzen, wartete ich darauf, dass der alte Mann, der schon Dorfoberhaupt war, als ich geboren wurde, zurückkehrte.
Meine Beziehung zu ihm war nicht die beste, da ich in diesem Dorf mehr geduldet, als gewollt war, doch allein, dass er mich nicht verstieß, wie es in den Augen vieler anderer vielleicht angebracht wäre, reichte mir.
Er kehrte zurück, doch die Frau an seiner Seite war nicht mehr bei ihm.
Meine Angst wuchs. Hatte sich der Kaiser vielleicht schon eine ausgesucht oder warum kehrte sie nicht zurück?
Das Dorfoberhaupt nahm eine andere Frau und verschwand mit ihr. Nur wenig später kehrte er mit ihr zusammen zurück.
Unruhig trat ich von einem Bein auf das andere. Was war hier los? Wo war die Tochter des Bäckers?
Mir fiel ihr Name nicht ein, doch sie war mir zumindest vom Aussehen her bekannt.
Das Dorfoberhaupt gab mir ein Zeichen und ich folgte ihm mit zittrigen Beinen.
Etwas abseits der anderen legte er ihr mein Tuch um die Augen und führte mich weiter.
Das war gar nicht angenehm, denn ich musste ihm vertrauen. Was, wenn er mich umbrachte?
Meine Angst wuchs immer mehr, während ich mir die größte Mühe gab, nicht zu stolpern.
Mein Mund wurde ganz trocken, als wir plötzlich stehenblieben.
Er löste seinen Griff von mir und sagte, dass ich stehen bleiben sollte. Ich wollte erst fragen, doch ich schwieg lieber.
Was würde jetzt geschehen?
Warme Luft umwehte mich und ließ meine dunkelblonden Haare tanzen. Dazu kam ein Geruch, den ich nicht ganz einordnen konnte. Als würde mich ein Tier anhauchen.
Ein Geräusch erklang und ich versteifte mich, als mir bewusstwurde, dass mich tatsächlich ein Tier beschnupperte!
Mein Herz klopfte noch heftiger, wenn das überhaupt möglich war. Auch meine Beine zitterten vor Angst so sehr, dass ich fast nachgab.
„Die da", erklärte eine tiefe, grollende Stimme. Mein Herz setzte aus und mir wurde schwindlig, weil ich vor Angst den Atem angehalten hatte.
Man nahm mir die Augenbinde ab und das Erste, was ich sah, war rot. Ich blinzelte und betrachtete das, was da vor mir war.
Zögerlich hob ich meine Hand und legte sie auf etwas, das schimmerte. Als ich darüberfuhr, spürte ich glatte Wärme und kleine Übergänge.
Schlagartig wurde mir klar, dass es sich um Schuppen handelte. Aber welches Wesen war so groß?
Mein Blick glitt die Schuppen entlang und nach oben, bevor ich schluckte. Ich konnte meinen Augen nicht trauen.
Mich blickten große, gelbe Augen an, die zu einem Drachen gehörten.
Ein spitzer Schrei verließ meine Lippen und dann gaben meine Beine nach, sodass ich am Boden landete.
Ich hatte gedacht, dass es eine Legende war. Dass Drachenkaiser nur ein Titel war. Dass es sich dabei um echte Drachen handelte ... Damit hatte ich nicht gerechnet! Was sollte ich denn jetzt machen?
„Kein Grund, gleich zusammenzubrechen", erklang die belustigte Stimme des Drachens. Es war die gleiche grollende Stimme, die ich auch schon mit der Augenbinde gehört hatte. Offensichtlich hatte er mich ausgewählt.
Ich stammelte vor mich hin und brachte irgendwie eine Begrüßung hervor.
Verdammt war dieses Wesen riesig! Allein ein Kopf war so groß, dass er mich mit einem Biss hinunterschlucken konnte, wenn er wollte! Er müsste mich dazu nicht einmal kauen!
„Wie ist dein Name?", erklang seine Stimme, die mich erschaudern ließ.
„Li-Linea", stammelte ich vor mich hin und versuchte, wieder aufzustehen. Es wollte nicht so ganz gelingen.
„Linea also", sagte er mehr zu sich selbst, bevor er sich plötzlich bewegte.
Mir blieb für einen Moment die Luft weg, als er seine majestätischen Schwingen kurz streckte, dann aber gleich wieder faltete.
„Du wirst mich ebenfalls begleiten", sagte er, was mich verwirrte.
Was hieß denn ebenfalls? Durfte er sich denn nicht nur eine Frau auswählen oder war das gar nicht so?
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Danke fürs Lesen von Kapitel 1. Ich hoffe, es hat euch gefallen.
Ich hab diese Art der Formatierung (Mit dem Kapitelbild und den Einschüben am Anfang vom Absatz) bei jemanden gesehen und fand das richtig schön. Wie gefällt euch das denn? Ist das angenehm oder eher nicht?
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