Schmerzliche Wahrheit
Thranduil unterbrach seine Erzählung und blickte zufrieden in das versteinerte Gesicht seines Neffen. Der Neffe, der eigentlich hätte sein Sohn sein sollen.
Legolas konnte nicht mehr klar denken.
Das war zu viel gewesen. Mit diesen beiden letzten Sätzen hatte Thranduil das Vertrauen zu Legolas vollständig gebrochen und die ganze Wut, zurück gestaut und bisher unter Kontrolle gehalten, brach auf ein mal aus Legolas heraus. Wie die Sehne eines Bogens, der zu sehr gespannt wurde, riss etwas im Innern des jungen Prinzen.
Und ohne eine Vorwarnung stürze er auf Thranduil zu.
"Verräter! Mörder! Du hast sie getötet!" brüllte er laut und war schon fast an König angekommen, als ihn die Wachen packen und zurück zogen. Legolas sträubte sich, riss sich von den Wachen los und stürmte erneut auf Thranduil zu. Nur, um wieder von den Elben ergriffen und festgehalten zu werden.
"Du hast sie getötet. Du hast meine Mutter getötet! Du bist hier das wahre Monster! Du hast sie getötet!"
Die Stimme des verzweifelten und wütenden Prinzen war lauter als je zuvor. Er versuchte weiterhin, sich gegen die festen Griffe der beiden Elben zu wehren. Doch diese hatten ihn bereits gegen die Wand gedrückt und hielten ihn dort fest.
Thranduil aber hatte schon mit einer solchen Reaktion gerechnet und war vorbereitet. Blitzschnell riss er sein Schwert hervor, trat in großen Schritten auf seinen Neffen zu und drückte ihm die flache Seite der silbernen Klinge an die Kehle.
Legolas ignorierte den Schmerz.
Zu groß war die Wut. Und auch die Verzweiflung. Sogar Trauer über Irina. Über den Tod seiner Mutter. Und das, obwohl er sich nicht mal an sie erinnerte.
Eine Träne glitzerte in seinen Augen, als er hasserfüllt in die deines Onkels starrte.
"Ja, ich habe sie in den sicheren Tod geschickt. Zumindest dachten das alle. Und das konnte ich nicht zulassen. Denn das Gerücht, ich hätte die Frau meines eigenen Bruders getötet, machte schnell die Runde" knurrte Thranduil gefährlich nah an Legolas' Ohr.
Der Prinz gab es bald auf, sich gegen die Wachen zu wehren und versuchte, seine Wut in sich zu behalten. Doch irgendwann würde er es erneut nicht zurückhalten können. Es reichten schon ein paar Worte Thranduils. Und Legolas war sich sicher, dass der König diese Worte, egal von was sie handeln würden, noch sagen würde.
Thranduil Schritt elegant hinter seinen Schreibtisch aus Buchenholz, lies sich auf einem Sessel sinken und lehnte sich zurück.
"Ich konnte unmöglich zulassen, dass das Volk diese Gerüchte weiter verbreitete. Und dann war da noch dein Vater, der immer noch in den Ketten meines Kerkers hing. Zumindest dachte ich das. Denn als ich nach geschlagener Schlacht in den Düsterwald zurückkehrte, war der Kerker leer. Dein Vater war - ob mit oder ohne Hilfe - geflohen. Und mit ihm war auch das Amulett deiner Mutter verschwunden, das ich verschlossen hatte. Ich vermute, er hatte es gestohlen und wollte Irina damit retten. Doch daraus wurde nichts. Zwei Tage später wurde die Leiche meines Bruders im Wald gefunden. Das Amulett blieb aber weiterhin verschwunden. Aber mach dir keine Hoffnungen. Selbst wenn jemand Irina das Amulett nach Gundabad gebracht hätte um sie zu retten, wäre es für sie zu spät gewesen. Als ich sie an diesem Ort zurück gelassen habe, hatte sie schon mehrere Tage ohne das Amulett verbracht. Es ist unmöglich, dass sie überlebt hat".
So Schloss Thranduil seine Geschichte. Er nahm sein Glas Wein, nippte daran und stellte es wieder auf den Tisch.
Legolas konnte es nicht begreifen.
Er glaubte nicht, was er da eben alles gehört hatte.
Seine Eltern waren beide Tod. Beide getötet. Beide.
Und Thranduil war schuld!
"Du hast mich mein ganzes Leben lang angelogen! Warum sollte ich dir jetzt glauben? Wer sagt mir, dass es wahr ist?" brüllte der Prinz laut.
"Ja, das ist so eine Sache mit dem Lügen und der Wahrheit, nicht wahr?" murmelte Thranduil leise und lächelte geheimnisvoll.
"Und wieso hat nie jemand über meine Eltern gesprochen? Warum hat das Volk mir nichts gesagt? Hast du sie alle bedroht?" fauchte Legolas laut.
"Nein, bedroht nicht. Zumindest nicht das ganze Volk. Nein. Ich habe nur eine Elbin gebraucht, um den gesamten Düsterwald zu manipulieren. Du kennst sie. Früher jung und wunderschön. Heute alt und zu nichts mehr gut. Ein altes gebrechliches Weib, allein im Wald"
Thranduil stand auf und trat langsam auf Legolas zu, der immer noch von den Wachen an die Wand gedrückt wurde.
"Oroma?" fragte der Prinz vewirrt und Thranduil nickte.
"Als Druckmittel reichte ihre Tochter aus und schon hat sie meinem Befehl Folge geleistet" sagte er gelassen.
"Was für ein Befehl?" hakte Legolas nach.
"Sie sollte einen Zauber über den Wald sprechen. Jeder sollte vergessen, dass es Lorion gegeben hatte. Das einzige, an das sich alle erinnern sollten, war, das Irina in den Düsterwald kam, mir einen Sohn schenkte und bei der Geburt verstorben war" antwortete Thranduil.
Legolas' Blick wanderte ins Leere.
Deshalb dachten alle, er sei Thranduils Sohn.
Aber Oroma... wusste sie es noch besser? Kannte sie die Wahrheit? Oder wurde sie auch Opfer ihres eigenen Zaubers?
"Und Oroma? Kennt sie noch die Wahrheit?" knurrte Legolas.
"Natürlich nicht. Auch sie denkt, dass du mein Sohn bist. Ganz Mitelerde denkt das. Denn du musst wissen, Irina kam nicht wirklich aus Lorien. Sie lebte allein in der Wildnis, hatte keine Familie und keine Freunde. Und das sie meinen Bruder geheiratet und ein Kind geboren hat, ist nie über die Waldgrenze hinaus gegangen. Somit war es ein Leichtes, alle glauben zu lassen, du seist mein Sohn" antwortete Thranduil.
"Jetzt nicht mehr. Jetzt kenne ich die Wahrheit! Und glaube mir, dass du meine Eltern getötet hast, wirst du teuer bezahlen!" fauchte Legolas laut.
"Das glaube ich nicht. Denn alle Elben des Waldes, meine Soldaten und meine Wachen, sogar die Bauern, sie alle würden dich für verrückt halten, wenn du ihnen diese Geschichte erzählen würdest. Und sie gehorchen mir, ihrem König. Und nicht dir, dem Prinzen" erwiderte Thranduil mit eisiger Stimme.
"Das ist mir egal. Du wirst für das bezahlen, was du angerichtet hast" brüllte Legolas laut und versuchte sich wieder aus dem Griff der Wachen zu entreißen. Doch es gelang ihm nicht.
"Solltest du es auch nur wagen, ein Wort dieser Geschichte an die Öffentlichkeit zu bringen, wird deine Freundin leiden. Mag sein, dass du das Vertrauen zu Tiara verloren hast. Das ist mir mehr als Recht. So ist es besser. Aber ich glaube, Tauriel hat noch immer einen besonderen Platz in deinem Leben. Und wenn sie Tod ist,...."
Thranduils Augen funkelten verdächtig, als er die letzen Worte sagte. Seine Hand wanderte an den Griff seines Mithrilschwertes.
"Das wagst du nicht" knurrte der Prinz. Seine Wut ballte sich erneut zusammen.
"Oh doch, glaube mir. Du solltest mich inzwischen gut genug kennen" raunte Thranduil gefährlich.
Legolas atmete schwer. All das brachte seine Wut zum Kochen. Das Adrenalin schoss durch seinen Körper wie ein Pfeil durch die Luft.
"Du solltest dich glücklich schätzen, bei mir groß geworden zu sein. Dein Vater war ein Narr, ein naiver Elb. Und ja, deine Mutter war wunderschön. Aber ein auch ein Monster. Sei froh, dass du nicht bei ihnen groß geworden bist. Die eine ein Monster. Der andere erbärmlich".
Legolas brüllte auf. Er konnte es nicht mehr ertragen, wie sein Onkel über seine Eltern redete. Es war ihm zu viel.
"Du bist ein Mörder. Wenn das Volk wüsste, was du getan hast, dann würdest du schneller tot sein, als du denkst. Warum wolltest du mich überhaupt bei dir? Wenn du wusstest, das meine Mutter ein Halbdrache war?" brüllte er.
"Ich habe in der tat überlegt, ob ich dich nicht töten sollte, solange du ein Baby warst. Zur Sicherheit. Doch Oroma hat mir versichert, dass du die Kräfte deiner Mutter nicht geerbt hast. Und wie du siehst, hat das auch gestimmt" antwortete Thranduil.
Legolas Biss die Zähne vor Wut zusammen.
All das konnte doch nicht wahr sein.
All das konnte unmöglich stimmen.
Aber weshalb sollte sich Thranduil so etwas ausdenken?
"Mir ist klar, dass du eine Weile brauchen wirst, um all das zu verstehen. Und um sicher zu gehen, dass du in dieser Zeit nichts dummes anstellst, wird der Kerker dein neues, vorläufiges Zuhause sein. Aber mach dir keine Hoffnungen. Du wirst weder zu Tiara noch zu Tauriel gebracht. Und nur so als Information: Ein einfacher Trank reicht aus und schon wirst du alles wieder vergessen, was ich gesagt habe. Es ist also ein Leichtes für mich, dich so zu manipulieren, dass du wieder denkst, ich sei dein Vater" raunte der König leise.
"Nehmt ihm die Waffen ab und bringt ihn in die Nordkerker" fuhr er seine Wachen laut an, die Legolas noch immer in ihrer Gewalt hatten.
Für die beiden Elben war es mehr als schwer, dem sich wehrenden Prinzen die Waffen abzunehmen und ihn durch den ganzen Palast zu schleppen. Doch sie schafften es, ohne dass es Legolas gelang zu fliehen.
Am Kerker angelangt, schloss der Kerkermeister, der ziemlich verwirrt über den Anblick des Prinzen war, die Zellentür auf.
"Mein König, ihr werft euren eigenen Sohn in den Kerker?" fragte er Thranduil, der seinen Wachen im eleganten Schritt gefolgt war.
"Ja" sagte dieser nur gelassen und sah zu, wie die Wachen Legolas unsanft in die dunkle Zelle stießen und die Eisentür verschossen. "Ich werfe meinen eigenen Sohn in den Kerker".
Mehr zu sich selbst gesprochen, als zum Kerkermeister, trat Thranduil an die Gitterstäbe. Seine Wachen traten zurück und warfen sich hinter Thranduils Rücken vielsagende Blicke zu.
"Denke darüber nach, was ich gesagt habe. Du hast die Wahl. Akzeptiere es und bleibe Thronfolger. Oder wehre dich dagegen und versauere bis zu deinem Tod hier in diesem Kerker" knurrte der König leise.
Legolas antwortete nichts. Zu sehr war er von Wut überschwemmt. Er stand nur da, schwer atmend, die Hände zu Fäusten geballt und funkelte Thranduil mit einem Blick an, der deutlich besagte: Ich werde dir nie verzeihen. Ich werde dich immer hassen.
Thranduil warf noch einen letzten Blick auf seinen Neffen, den alle nur als seinen Sohn kannten, drehte sich dann auf dem Absatz um und marschierte zurück in Richtung seines Arbeitszimmers. Seinen Wachen gab er ein Handzeichen, dass sie ihm folgen sollten.
Sie warfen sich nervöse Blicke zu.
Sie hatten etwas gehört, was eigentlich zwischen dem König und dem Prinzen hätte bleiben sollen.
Im Arbeitszimmer angekommen, schoss Thranduil die Tür und baute sich vor seinen Wachen auf. Lange betrachtete er sie, ehe er mit sprechen anfing.
"Das ihr beiden ebenfalls von Legolas wahrer Herkunft erfahrt, war eigentlich nicht geplant, aber sei's drum. Nun ist es so geschehen. Und ihr wisst natürlich, dass ich euch nicht einfach mit diesem Wissen laufen lassen kann".
Die beiden Wachen warfen sich eneut nervöse Blicke zu.
"Oh, keine Sorge. Der Trank, der eure Gedächnisse zu meinem Vorteil manipuliert, tut nicht weh" beruhigte er sie mit einem schiefen Lächeln.
Wieder ein ausgetauschter Blick der beiden Elben. Dieses mal ein etwas beruhigender. Thranduil trat dicht an die beiden heran. Sie blieben dort stehen, wo sie waren.
"Aber zu eurem Pech habe ich ihn gerade nicht hier und... ich verspüre gerade die Lust, etwas mit diesem Schwert zu durchdringen" raunte Thranduil leise, während er an die Wand hinter den beiden Elben starrte.
Und noch bevor einer der beiden Wachen etwas sagen, geschweigedenn reagieren konnte, riss der König sein Mithrilschwert hervor und trennte die beiden Elbenköpfe schneller von ihren Körpern, als es ein Mensch könnte.
Sie kullerten zu Boden, während die Körper in sich zusammen klappten und ebenfalls zu Boden glitten. Blut floss über das Gestein und zierte auch das Schwert des Königs.
Zufrieden lächelte er, griff nach dem Weinglas auf seinem Schreibtisch und nahm einen großen Schluck.
So gab es keine Zeugen mehr.
Alles lief nach Plan.
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