Der König - Mein Feind
Alles in Tiaras Kopf drehte sich. Sie vermochte nicht zu sagen, wo oben und unten war; wo hinten und vorne war. Den Kampf gegen den Schwindel verlor sie haushoch.
Als sie versuchte ihren Kopf zu drehen, nahm sie etwas hartes und kaltes an ihrem Hals wahr.
Auch an ihren Armen und Beinen spürte sie dieses kalte etwas, das ihre Bewegungsfreiheit deutlich einschränkte.
Was war geschehen?
Wo war sie nur?
Das letzte, an das sie sich erinnern konnte, war Oromas Haus. Und Bilbo. Ja, er hatte Essen gesucht. Und dann? Dann hatte sie einen Schmerz gespürt. Und sie war zusammen gebrochen.
Aber was war danach geschehen?
Vorsichtig öffnete sie ihre Augen. Verschwommene Bilder tauchten vor ihr auf. Es war alles dunkel. Nur schemenhaft konnte sie Gitterstäbe nicht weit von ihr ausmachen. Auch schien es ein paar Fackeln in der Ferne zu geben, die schwach flackerten. Weiter oben, anscheinend in der Decke des Raumes, befand sich ein kleines, vergittertes Fenster, welches schwaches Licht nach unten warf.
Hinter Tiaras Rücken befand sich eine massive Steinwand mit spitzen Ecken und Kanten, welche ihr schmerzhaft in den Rücken stachen.
Sie selbst stand vor der Wand. Besser gesagt, sie hing. Denn aus eigener Kraft konnte sie sich nicht halten. Und das, was sie hielt, brannte stark an ihren Handgelenken: Dicke Eisenketten. Sie zogen Tiaras Arme schräg nach oben. Und auch ihre Beine wurden mit dicken Eisenringen am Boden gehalten. Auch von diesen Ringen gingen Ketten ab, deren Enden, soweit Tiara das beurteilen konnte, im Gestein hinter ihr verankert waren.
Tiara versuchte erneut den Kopf zu heben, doch ein klopfen und hämmern in genau diesem Kopf hielt sie davon ab.
Erschöpft schloss sie wieder ihre Augen.
Genau in diesem Moment schallte eine Stimme durch den dunklen Raum.
"Gift. So einfach her zu stellen und doch reicht nur ein Tropfen, um jemanden zu töten. Aber mach dir keine Hoffnungen. Du bist nicht Tod. Obwohl ich glaube, etwas tief in dir, wünschte es wäre so. Die Spitze des Pfeils, der dich getroffen hat, war lediglich mit Gift gemischt, welches den betroffenen bewusstlos werden lässt"
Diese kalte Stimme bohrte sich tief in Tiaras Gedächnis und sagte der jungen Waldelbin sofort, wer gesprochen hatte....
Der Herr der Waldes...
Der König der Elben....
Der Vater des Mannes, welchen sie Liebte....
Thranduil...
Angst packte Tiara urplötzlich am ganzen Körper.
Er war hier.
Er hatte sie gefunden.
Er hatte doch von ihr gewusst.
Aber woher...?
Nein, er konnte sie nicht gefunden haben!
Woher hätte er wissen sollen....?
Das war alles nur ein Traum. Ein böser Traum. Gleich würde sie aufwachen und neben Bilbo im Gras vor Oromas Hütte liegen...
Doch es war kein Traum, denn plötzlich registrierte die junge Waldelbin, was sich hier abspielte.
Sie war gefangen.
Gefangen vom Feind.
Gefangen vom König.
Tiaras Atem ging schnell. Viel zu schnell. Aber als eine schlanke und hochgewachsene Gestallt aus dem Schatten hervor und in das Licht trat, welches durch das kleine Deckenloch nach unten fiel, hielt sie für einen Moment die Luft an.
Lange, rein blonde Haare hingen dem Elben über die Schultern. Mit eisernen, kalten, blauen Augen durchbohrte er Tiara ohne große Mühe. Er trug ein prächtiges Gewand, welches seinen Stolz widerspiegelte. Den selben Stolz, den auch Legolas hatte. Nur auf eine andere Art.
Auf seinem Kopf lag eine Krone aus Geäst und Blättern, welche seine Macht repräsentierten sollte. Und in der Hand hielt er ein silbernes, dünnes Schwert, dass anscheinend seine Stärke zum Ausdruck bringen sollte.
Jeder andere wäre bei Thranduils Anblick auf die Knie gefallen und hätte sich ergeben. Doch nicht so bei Tiara.
Auf sie hatte das Erscheinungsbild des Königs keine Wirkung. Weder beeindruckte er sie damit, noch schüchterte er sie ein.
Hass, der all die Jahre tief in ihr vor sich hingebrodelt hatte, schäumte sich nun auf und drohte aus ihr heraus zu brechen. Hass auf Thranduil.
Hätten es die Ketten und ihr Körper zu gelassen, hätte sie sich sofort auf den König gestützt. So groß war die Wut.
Aber sie war einfach zu schwach um sich zu bewegen. Selbst wenn die Ketten es zu gelassen hätten...
Nur ihren Kopf konnte sie mit Mühe aufrecht erhalten. Ihre grünen Augen, die teilweise aus Angst, teilweise aus Wut den Elbenkönik fixierten, fielen ihr immer wieder erschöpft zu.
"Ihr..."
Tiaras Stimme klang mehr als nur schwach. Es war fast schon ein kratziges flüstern, das aus ihrer Kehle kam. Doch die Wut war deutlich heraus zu hören.
"So sehen wir uns wieder Tiara. Seltsam,... wie launisch das Schicksal manchmal ist, nicht wahr? Das letzte mal, als wir uns gesehen haben, warst du genau in dieser Zelle gefangen. Erinnerst du dich? Und wenn ich mich noch genauer erinnere, hattest du dich für eine Verbannung entschieden. Ich glaube, dir ist nicht bewusst, was das Wort "Verbannung" bedeutet... Es heißt, das du diesen Wald nicht mehr betreten darfst...Aber du bist hier. Hier in meinem Reich. Aus dem ich dich vor 50 Jahren verbannt habe"
Die letzten Worte brüllte er Tiara ins Gesicht. Der Kopf der jungen Elbin dröhnte und wieder begann das Schwindelgefühl in ihr zu wüten wie ein Hurrican.
"Ihr seit niederträchtig" knurrte Tiara und versuchte, sich aus den Ketten zu befreien. Doch es war zwecklos. Sie waren zu fest.
"Ich bin niederträchtig?" Thranduil trat nah an Tiara heran und drückte ihr das Schwert an die Kehle, sodass die Elbin gezwungen war, die Luft an zu halten.
"Alles, was ich getan habe, ist ein Monster, welches sich unerlaubt in meinem Wald aufgehalten hat, gefangen zu nehmen" knurrte er leise.
Man musste kein Genie sein, um zu verstehen, wenn Thranduil mit Monster meinte.
"Aber was du getan hast, steht wohl nicht im Raum, oder? Du hast unschuldige Elben, meine Landsleute, getötet, du und deine Sippe. Ihr habt meine Familie ausgelöscht und verdorben. Und du wirst dafür bezahlen" warf Thranduil ihr vor und entferte die Klinge wieder von Tiaras Hals. Die Elbin schnappte nach Luft und hustete.
"Ich habe nichts getan. Das Feuer war ein Unfall. Und die meisten Elben wurden von den Orks getötet. Nicht vom Feuer. Auch meine Eltern starben dort. Was für einen Grund sollte ich haben, meine eigenen Eltern zu töten?" fauchte Tiara wütend.
"Erzähle mir keine Lügenmärchen. Das Feuer war sehr wohl beabsichtigt. Und was deine ach so lieben Eltern angeht,.... Es ist vielleicht auch besser so, das sie Tod sind. Wer weiß, was diese Monster noch angestellt hätten" giftete der Elb zurück und verlor dabei nicht den Augen Kontakt zu Tiara.
Diese starrte Thranduil fassungslos an. Dann fasste sie sich wieder.
"Meine Eltern waren keine Halbdrachen" knurrte sie wütend.
"Ach? Du wusstest es nicht?" der König lächelte die Elbin geheimnisvoll an und drehte ihr dann den Rücken zu.
"Was wusste ich nicht?" fauchte Tiara gereizt, doch Thranduil tat so, als hörte er sie nicht.
"Was wusste ich nicht?" brüllte Tiara laut, doch wieder überhörte der König sie gekonnt. Stattdessen brach er ein anderes Thema an.
"Beantworte mir nur eine Frage" sagte er gelassen, drehte sich wieder zu Tiara herum und kam auf sie zu. "Was ist dir durch den Kopf gegangen, als du mein Reich wieder betreten hast?"
Stille.
Tiara schwieg und versuchte Thranduils bohrendem Blick stand zu halten.
"Nichts? Das glaube ich dir nicht" meinte Thranduil weiterhin mit gelassener Stimme, "ich glaube du wolltest mich provuzieren. Deine Ehre verteidigen"
Tiara schwieg weiter. Wenn sie ihm sagen würde, dass sie wegen den Zwergen den Wald betreten hatte, dann würde er sie auch verdächtigen, besagte Zwerge frei gelassen zu haben. Und das konnte Sie nun wirklich nicht gebrauchen.
"Weißt du was,... mich interessiert es auch nicht wirklich, aus welchem Grund du letztendlich gekommen bist. Wichtig ist nur, dass du hier bist. Denn jetzt kann ich mein Versprechen einhalten und dich töten" fuhr Thranduil weiterhin gelassen fort und ging vor Tiara auf und ab. Den Kopf immer erhoben, wie es sich für einen König gehörte.
Tiaras Wut verwandelte sich in Angst. Nackte Angst. Ihre schlimmste Befürchtung wurde wahr. Wenn Thranduil sie in ihrem Elbenkörper töten würde, wäre sie verloren. Sie würde sich unwiderruflich in den Drachen verwandeln und alles zerstören, was ihr im Weg war.
Wieder versuchte sie, an ihren Ketten zu reisen, doch sie saßen zu fest und verursachten jeden mal nur noch mehr Schmerzen wenn sie sich bewegte.
Dann kam ihr der rettende Gedanke. Sie konnte sich zwar nicht in einen Drachen verwandeln, weil der Raum schlichtweg zu klein war. Aber ihr Feuer konnte sie nutzen.
Tiara schloss so gut es ging ihre Hand, die über ihr in der Luft hing und konzentrierte sich. Dies blieb Thranduil aber nicht verborgen.
Ein lautes Lachen verlies seine Kehle und prallte von den wänden ab. Tiara versuchte es zu überhören und riss ihre Hand auf, um einen Feuerball auf den Elbenkönig los zu schicken.
Erst als ihr plötzlich bewusst wurde, dass nichts geschah und kein einziger Funke entstand, blickte sie hasserfüllt zu Thranduil.
"Weder deine Drachenseele, noch dein Feuer kann dich jetzt noch retten. Nicht, solange ich dies hier habe" mit diesen Worten zog er aus seiner Tasche einen glitzernden Gegenstand, der an einer silbernen Kette hing. Und als Tiara klar wurde, was der Elbenkönig in seiner Hand hielt, stockte ihr der Atem....
...es war ihr Amulet.
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