Kapitel 3.2

„Warum willst du nicht, dass ich Königin werde?", fragte ich Vater schließlich. Immerhin drängte er mich nicht, wie es Mutter tat.

„Was bringt dich dazu, so zu denken?", fragte er überrascht, widmete sich aber seiner Arbeit.

„Du zwingst mich nicht, weiblich zu sein. Nicht, wie Mama", sagte ich, wobei es ein schlechter Versuch war, meine Gefühle in Worte zu fassen. „Du schimpfst auch nicht so hart mit mir, wenn ich Schwierigkeiten machen."

Vater hielt in seiner Arbeit, Luft in den Ofen zu blasen, inne und sah zu mir. „Kennst du den Grund, warum jeder Königin sein kann? Unabhängig vom Alter oder Stammbaum?"

Erst wollte ich sagen, dass ich es wusste, doch wenn ich darüber nachdachte, konnte ich nur den Kopf schütteln. „Nein", antwortete ich und kratzte ein wenig Schmutz von meinem abgetragenen Kleide. „Ist das denn wichtig?"

Vater winkte mich sanft zu sich, als würde er etwas sagen wollen, das nicht für jedermanns Ohren bestimmte war.

Ich trat zu ihm an den warmen Ofen und hockte mich zu Vater. Er würde mir eine Geschichte erzählen. So wie er es gern tat, um mir Dinge zu erklären. Er war ein sehr gerissener und vor allem weit gereister Mann. Seine Erfahrung brachte ihm Respekt im Dorf ein. So wurde er für seine Weisheit sogar verehrt. In schwierigen Fällen kamen die Dorfbewohner immer zu ihm.

Auch wenn wir kein wirkliches Dorfoberhaupt hatten, war doch Vater irgendwie eines. Seinem Urteil wurde vertraut.

„Es war einmal", begann Vater mit seiner sanften Stimme. „Ein Mensch namens Hodor. Er war einer der wenigen, der den Wert der Drachen erkannte und sie schützen wollte. Darum schuf er unsere schöne Hauptstadt. Damit die Drachen dort sicher leben konnten. Aber die Eier der Drachen konnte er nicht retten. Sie starben im großen Krieg."

„Der Krieg zwischen den Menschen und Drachen", warf ich aufgeregt ein, um ihm zu zeigen, dass ich aufgepasst hatte. Eine ähnliche Geschichte hatte er mir bereits einmal erzählt.

„Ja, genau dieser Krieg", lachte mein Vater und führ mir durch meine blonden, zerzausten Haare, um sie etwas zu richten. „Die Drachen können sich nicht so einfach fortpflanzen. Das wusste Hodor. Daher war klar, dass sie früher oder später aussterben würden."

Eine sehr traurige Geschichte. Da versuchte er sie zu retten, wusste aber doch, dass es vergebens war.

„Was hat er getan?", fragte ich wissbegierig, während ich ins Feuer blickte. Vor meinem inneren Auge wandelte sich die Flammen in die Drachen und Menschen, die sich bekämpften.

„Er überzeugte die Drachen, ihre Essenz mit ihm zu teilen", erzählte Vater weiter. Dabei hatte er ein helles Funkeln in den Augen. „Hodor teilte die Essenz mit seiner Familie. Damit verlieh er ihnen unglaubliche Gaben und Kräfte. Von nun an konnte sich diese Blutlinie in Drachen verwandeln und wieder zurück. Die Drachen aus dieser Generation konnten sich verstecken und fortpflanzen. Auf diese Weise wurde das Vermächtnis des Drachen weitergegeben."

Also doch ein glücklicher Ausgang. Aber konnte ich mir vorstellen, dass Menschen zu Drachen wurden? Das klang irgendwie absurd.

„Hodors Familie wuchs, bis sie sich über ganz Drogo ausgebreitet hatte. Jeder von ihnen konnte sich einem Drachen zuwenden oder seinen eigenen Weg gehen. Einige von ihnen wollten sogar für immer Drachen bleiben. Mein Ururgroßvater erzählte mir einmal, dass früher der Himmel voller Drachen war."

Bei diesem Bild hielt ich den Atem an. Der Himmel voller Drachen? Was für ein majestätisches Bild. Es musste wundervoll gewesen sein.

„Was ist passiert?", wagte ich mich zu fragen. Da die Drachen nicht mehr am Himmel waren, musste es furchtbar geendet sein.

„Menschen haben diese Macht missbraucht", fuhr mein Vater fort, was mich schaudern ließ. Das hätte ich mir denken können. Auch Sharon würde diese Macht missbrauchen. Solche Menschen gab es leider viel zu viel. „Menschen fingen an, sich in ihrer Drachengestalt zu bekämpfen. Das hatte solche Ausmaße, dass Hodor brannte. Daraufhin beschloss der König, das Wissen über diese Verwandlung allein der königlichen Familie zu vermachen. Seitdem war es verboten, dieses Wissen zu teilen", sagte Vater mit einer warnenden Stimme und mir wurde klar, dass er etwas wusste, was sehr gefährlich war. Ich würde es für mich behalten und niemanden weitergeben. „Nur Menschen mit der Essenz eines Drachens können sich verwandeln", endete er seine Erzählung.

War es Wirklichkeit oder nur eine Legende, die man sich erzählte? Das war immer schwer bei Vaters Geschichten herauszufinden.

Allerdings beschäftigte mich da noch eine andere Frage. Etwas, das ich nicht ganz verbinden konnte.

„Und was hat das jetzt damit zu tun, eine Königin zu werden?", fragte ich verwirrt. Das war nicht Teil seiner Erzählungen gewesen oder aber ich hatte bei der fülle an Informationen, die sich nun in meinem Kopf tummelten, diese eine überhört.

„Bei manchen Menschen ist die Essenz stärker als bei anderen", erklärte mir mein Vater mit sanfter Stimme und zog mich näher an sich, „und die königliche Familie braucht Stärke, um Drogo zusammenzuhalten. Die Königin muss so stark sein wie der König. Daher wählt der König die Frau mit der stärksten Essenz zu seiner Königin."

„Deshalb gilt die Einladung für jede Frau. Damit der König die stärkste von ihnen herausfinden kann", sagte ich entsetzt. Dann gab es also noch mehr Gründe, warum nicht jeder Königin werden konnte.

„Genau. Du bist sehr schlau", lobte mich Vater, was mich strahlen ließ.

Ich wollte gerade noch etwas sagen, als draußen Stimmen laut wurden. Was sollte das? Es war doch schon recht spät am Abend, doch die Kakophonie an Stimmen wurde lauter. Vermutlich, weil sie sich uns näherte.

Wir lauschten, bevor sich Vater erhob. „Lass uns nachsehen, was dort los ist", sagte er.

Ich nickte und folgte ihm nach draußen. Meine Nerven waren zum Zerreisen gespannt, da ich mit Ärger rechnete, allerdings sammelten sich nur die Dorfbewohner.

Erleichterung überkam mich. Ich hatte mir wohl umsonst Sorgen gemacht. Es war nur ein weiterer Fall, bei dem das Dorf die Meinung meines Vaters brauchte.

Dieses Mal war es Sharons Familie, die ein Problem hatte und ich wusste sehr genau, welches das war.

Das so viele andere mitgekommen waren, zeigte mir, dass auch Sards Familie in die Sache hineingezogen wurden war. Er tat mir irgendwie leid, doch wenn er sich mit Sharon einließ, musste er damit rechnen.

„Was ist los, Eleanor?", wollte mein Vater besorgt wissen.

Ich hielt ihm zugute, dass er jedes Anliegen der Dorfbewohner ernst nahm. Selbst ein solches.

„Wir brauchen deine Hilfe, Harold", sagte Eleanor und blickte zu meinem Vater. „Es gibt einen Fall, bei dessen Lösung wir deine Hilfe brauchen", fügte sie hinzu und warf ihrer Tochter einen tödlichen Blick zu.

„Was ist passiert?", wollte mein Vater genauer wissen und musterte beide Frauen.

„Sharon und dieser blonde Kerl wurden beim Knutschen am Fluss erwischt", erklärte Eleanor, die scheinbar nicht einmal den Namen des Jungen, der ihre Tochter beschmutzt haben könnte, in den Mund nehmen wollte. Sie ähnelte ihrer Tochter sehr. „Aber meine Tochter sagt, sie wurde dazu gezwungen." Eleanor rümpfte die Nase, um zu zeigen, was sie davon hielt.

Mir stockte der Atem, als Sard schrie: „Sie lügt. Sie hat mich verführt", warf er ihr vor.

„Er hat mich gezwungen", schrie Sharon zurück und begann gespielt zu weinen.

Ich war entsetzt darüber, dass Sharon sogar soweit ging, Sard vorzuwerfen, er hätte sie gezwungen. Schreckte diese Frau überhaupt vor etwas zurück?

Eleanor, die angespannt zu meinem Vater sah, deutetet auf die beiden Streitenden. „Siehst du, worüber wir reden müssen?", fragte sie und erhoffte sich wohl ein klärendes Urteil.

Vaters Lippen umspielte ein leichtes Lächeln. Er hatte viele Fälle wie diesen gesehen und würde auch damit umgehen können. Das wusste ich. Es war also alles gut. „Ich habe verstanden", sagte er, als Zeichen, dass er darüber nachdenken würde.

Sharons Blick wanderte jetzt jedoch zu mir. Sie schien zu ahnen, dass sie diese Situation mir zu verdanken hatte. Wenn sie wirklich mir die Schuld gab, würde sie sich an mir rächen. Sie würde alles tun, um aus dieser Situation zu entkommen, nur hatte ich nicht damit gerechnet, dass sie Sard dafür opfern würde. Nur ein weiteres Zeichen dafür, dass die Herzen anderer ihr nichts bedeuteten. Sie war – in meinen Augen – das pure Böse.

Vater trat gerade näher an die Streitenden heran, um sie zum Schweigen zu bringen, als ein Schatten meine Aufmerksamkeit in den Himmel lenkte.

Zuerst dachte ich, dass eine Wolke lediglich die Sonne verdeckte, doch dem war nicht so.

Mir blieb für einen Moment die Sprache weg, als ich sah, wie sich uns ein großer, schimmernde Drache näherte.

Er sah so majestätisch aus, dass ich kaum meine Sprache finden konnte.

„Drache", krächzte ich.

Zuerst reagierten nur einzelne, doch als auch diese ausriefen, was vor sich ging, starrten wir bald alle völlig versteinert in den Himmel.

Was machte eines dieser majestätischen Tiere hier?

Während die meisten überraschte Laute von sich gaben, spürte ich einen Schauer über meinen Rücken laufen. Das war der erste Drache, den ich in meinem Leben sah. Es gab sie also wirklich.

Ich blickte zu Vater, um ihn zu fragen, was los war, doch sein besorgter Gesichtsausdruck ließ mich stoppen.

„Va-", setzte ich an, doch weiter kam ich nicht. Ich spürte plötzlich Hitze in meinem Rücken und rotes Licht breitete sich über uns aus.

Ich realisierte, dass es sich um Drachenfeuer handeln musste, doch da war es schon zu spät. Mein Blick färbte sich rot und meine Gedanken wurden förmlich verbrannt.

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