Kapitel 16
Elaine
Als ich am nächsten Morgen zur Waffenkammer aufbrach, summte ich vor Aufregung. Ich konnte es kaum erwarten, mich dort umzusehen und zu helfen. Endlich wieder mit Waffen und Rüstungen zu arbeiten, gab mir ein Gefühl von Heimat, auch wenn das komisch war.
„Guten Morgen", grüßte mich Lucius, der schon auf mich wartete. „Schön, dass du auftauchst", sagte er, als hätte er etwas anderes erwartet.
„Guten Morgen", erwiderte ich die Begrüßung mit einem fröhlichen Lächeln. Ich konnte es kaum erwarten.
Lucius musterte mich und führte mich dann durch einen offenen Hof, der voller Soldaten war, die mitten im Training waren.
Ich betrachtete sie eingängig und dabei fiel mir etwas auf. „Wer sind die Leute mit den Brandmalen im Gesicht?", fragte ich neugierig, denn sie unterschieden sich von den Männern, die zum Kommandanten gehörten.
„Das sind die Gefangenen der Insel", erklärte Lucius, während er mich weiterführte. „Jeder Gefangene wird markiert, wenn er auf dieser Insel abgeladen wird", erzählte er und ich fragte mich, warum das nicht auf mich zutraf. Weil ich keine richtige Gefangene war? „Nur die härtesten und schlimmsten Kriminellen landen hier und das Brandmal ist eine Warnung an die Menschen, sich in dem unwahrscheinlichen Fall eines Ausbruchs von ihnen fernzuhalten."
Das war sehr interessant. Wenn sie jedoch Gefangene waren, verstand ich nicht, was hier abging. „Warum trainieren sie dann mit den Soldaten?", fragte ich und gab mich meiner Neugier hin. Ich hätte erwartet, dass sie eher gegeneinander kämpften.
Wenn ich an den Einfall der Männer zurückdachte, erinnerte ich mich daran, dass auch diese solche Male getragen hatten. Allerdings hatte ich dem keine Beachtung geschenkt.
„Mylord glaubt, dass jeder eine zweite Chance verdient hat. Er beabsichtigt, mir ihnen eine Armee zusammenzustellen", sprach Lucius frei heraus.
„Warum nennen ihn hier alle Mylord, wenn er nicht der König ist?", wollte ich wissen, denn bisher wusste ich nur, dass der König so angesprochen wurde. „Ist das nicht Verrat?" Das alles kam mir ein wenig seltsam vor.
Lucius lachte. Er hatte ein wirklich angenehmes Lachen. Es stand ihm gut. „Gideon ist der einzig wahre König", behauptete er ernst. „Lionel ist nur ein Usurpator, der den Thron seines Stiefbruders gestohlen hat. Früher oder später wird Mylord seinen Thron zurückhaben."
Wie interessant. Da war ich also von einem König zum nächsten geschoben wurden. Aber warum? Was wollte Lionel damit bezwecken?
„Ich verstehe", seufzte ich leise, während ich mit Lucius das Zelt betrat, das man als Waffenkammer nutzte. Sofort war ich abgelenkt und sah mich um. Waffen, Rüstungen und andere Dinge waren in Kisten gelagert und standen verteilt herum. „Meine Güte, was für ein Durcheinander", stieß ich schockiert aus. Wie konnte man nur so nachlässig mit seinen Sachen umgehen? „Hier gibt es wirklich viel zu tun", stellte ich fest und krempelte die Ärmel meines einfachen Kleides hoch. Ich war mehr als bereit, mich an die Arbeit zu machen.
„Dann fangt Ihr besser an", lachte Lucius, dem meine Einstellung wohl zu gefallen schien. „Ich überlasse Euch hier alles."
Vater hatte mir einmal gesagt, dass Soldaten keine Putzer waren. Damit hatte er offensichtlich recht.
Die Waffenkammer sah aus, als wäre sie seit Jahrzehnten nicht mehr sortiert worden. Kein Wunder, dass die Waffen zu rosten begannen. Sie wurden völlig falsch gelagert.
Früher hatte ich die Zeiten gehasst, in denen Vater mich in seiner Schmiede nur die Waffen und Rüstungen putzen hat lassen. Diese waren für die Soldaten gewesen, die sie am nächsten Tag abgeholt hatten. Nun, da ich in dieser Waffenkammer arbeitete, war ich froh, dass er es mir beigebracht hatte.
Die Aufgabe war mir nicht fremd und so brauchte ich nicht lange, um zumindest eine grobe Sortierung zustande zu bringen.
Es gab Waffen und Rüstungen, die meine dringende Aufmerksamkeit brauchten und andere, die noch nicht so schlimm zugerichtet waren und durchaus weiter genutzt werden konnten, ohne die Träger zu gefährden. Diese sortierte ich auseinander, damit die Soldaten, die etwas brauchten, leichter die richtigen Teile fanden.
Durch die Arbeit bei meinem Vater hatte ich einige Fähigkeiten erlernt, die mir jetzt zugutekamen. Ich war kein Meisterschmied, aber ich konnte mir kleineren Dingen wie verbogenen Rüstungen oder geplatzten Brustpanzern umgehen.
Es war gut, dass es in der Nähe sogar einen kleinen Schmiedeofen gab. Dieser schien zwar bisher noch nicht oft genutzt zu werden, doch es gelang mir ein Feuer zu entfachen und die restlichen Materialien zu finden, die ich brauchte, um alles zu reparieren.
Hier war ich fast allein und so wurde ich auch nicht abgelenkt, während ich die ersten Stücke flickte. Es machte mir Spaß und so bemerkte ich auch nicht, wie die Zeit verging.
Ich machte gerade Pause, als Jace giftige, wütende Stimme über den Trainingsplatz hallte.
Eigentlich hatte ich mich gleich an zwei Schwergriffe setzen wollen, doch nun lauschte ich.
„Du Dummkopf hast zu viel Wasser hinzugefügt", schäumte er vor Wut. „Wie erkläre ich den Soldaten, dass ich ihnen eine wässrige, geschmacklose Suppe servieren soll?", fragte er aufgebraucht.
Ich kicherte leise vor mich hin, denn das erinnerte mich sehr an meine Mutter. Genauso hatte auch sie mich immer ausgeschimpft, wenn ich in der Küche etwas falsch gemacht hatte.
Manchmal bekam ich dafür sogar den Löffel an den Kopf.
Die Erinnerung an meine Mutter schmerzte und ich spürte Tränen in meine Augen treten, als die Zeltplane zur Seite geschoben wurde. Gideon und Jace traten ein und sahen sich um.
Gideon machte ein wütendes, finsteres Gesicht, doch das war ich bisher von ihm gewohnt. Ich sah ihn nicht oft, doch meistens sah er so aus. Jedoch war auch Jace Gesicht nicht sonderlich erfreut. Vermutlich wegen dem Eintopf.
„Lucius hat mir gesagt, dass du hier bist", wurde ich von Gideon begrüßt. Seine Stimme war ruhig und gleichgültig. Zudem war er der Einzige, der mich nicht höflich ansprach.
„Ja", sagte ich, obwohl es unnötig war. Er konnte mich immerhin sehen. „Ich helfe aus."
„Gut", grummelte er und drehte sich fast sofort wieder um, um davonzueilen.
Jace warf mir ein unbeholfenes Lächeln zu, bevor auch er ging.
„Warte", hielt ich ihn auf und als er stehenblieb und zu mir blickte, schenkte ich ihm ein Lächeln. „Ich könnte dir beim Kochen helfen", schlug ich vor. Immerhin konnte ich mich auch in dem Bereich nützlich machen. Sie hatten keine Frauen hier, die sich mit dem Kochen auskannten. Dabei brauchten Soldaten eine gute Verpflegung, um immer kampfbereit zu sein.
Sein Gesicht hellte sich sofort auf und er lächelte sogar leicht. „Wirklich?", fragte er erleichtert nach. „Das wäre wirklich hilfreich."
„Natürlich. Es ist überhaupt kein Problem", stimmte ich zu und freute mich, dass ich helfen konnte. Zu arbeiten fühlte sich überraschend natürlich an. „Ich komme gleich zu dir, wenn ich mit den Schwertgriffen fertig bin."
So konnte ich vielleicht auch ein paar mehr Freundschaften knüpfen. Außerdem wollte ich auch gern mit Jace sprechen.
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