Überleben ohne Eltern

Unaufhörlich schlug sie mit den Flügeln. Sie musste ihre Muskeln trainieren. Ohne starke Muskeln, so wusste sie instinktiv, würde sie nicht mal fliegen können. Bei Drachen musste der Schultermuskel, dort wo die Flügel sitzen, am stärksten sein, da er sonst nicht fliegen konnte. Und ein flugunfähiger Drache war eine willkommene Beute für die Palaboys, die die überlebt haben.

'Auf und ab, immer weiter mit den Flügel schlagen' dachte sie. Plötzlich spürte sie wie sie abhob, zwar nur um cm, aber immerhin flog sie. Sie sammelte noch einmal ihre ganzen Kräfte und schlug kräftig mit ihren Flügeln. Langsam gewann sie an Höhe, nach einigen Minuten flog sie. Der Wind pfiff ihr um die Ohren, während sie laut jauchzend durch das Tal flog. 'Vielleicht sollte ich meine Eltern suchen' dachte sie. Doch das Tal war zu groß, da konnte sie ewig nach ihren Eltern suchen. Langsam schraubte sie sich abwärts. 'Ich muss etwas essen, sonst verhungere ich noch'. Jedoch erwischte sie kaum. Weder das Kaninchen, das sich auf einer Wisen den Bauch vollfraß, noch das Eichhörnchen, was ohnehin zu schnell war. Sie erwischte nur ein paar Insekten. Ein paar Käfer schmeckten komisch, diese hatte sie gleich wieder ausgespuckt. Ansonsten fing die Motten, Grashüpfer, Grillen, Fliegen und ein paar Marienkäfer. 'So kann das nicht weiter gehen. Ich brauche richtiges Fleisch!'

Währenddessen starrte Reddy abwesend ins Tal hinunter. Shadow hatte Silberflügel in ein anderes Tal gebrach, wo Reddy sie nicht sah. Während sie gedankenverloren vor sich hin starrte, merkte sie nicht wie Goldfire  seine erste Maus herunterschluckte. Goldfire war ein starkes Drachenmännchen, er war seinem Vater sehr ähnlich. Nur die Farbe, die hatte er von Reddy geerbt. 'Mein erstes Gelege' dachte sie 'und schon ein Nasumpa. Was wenn ich mich immer von einem Jungen trennen muss?' Ja, Goldfire würde einmal groß und stark werden, aber Reddy könnte nie stolz auf ihn sein. Natürlich hatte er keine Schult das sie Silberflügel verloren hatte, aber trotzdem, er erinnerte sie zu sehr an ihren Vater, der ihr Silberflügel “geraubt“ hatte. Dass würde sie ihm nicht verzeihen. Auch wenn es Brauch war, konnte man wegen einer falschen Farbe auch mal eine Ausnahme machen? Morgen würde Goldfire seine ersten Flugversuche unternehmen. Reddy würde sich nicht für ihn freuen.

„Mama guck mal was ich schon kann!“, rief Goldfire und drehte sich elegant in der Luft. Reddy sah ihn nur mit trüben Augen an. Sieben Tage war Goldfire nun alt und er wusste immer noch nicht weshalb seine Mutter immerzu so abwesend war. Shadow meinte das ginge schnell vorbei, aber Goldfire zweifelte daran. Freute sie sich denn nicht über ihn? Das meiste brachte ihm sein Vater bei, das Fliegen, das Jagen und später auch das Kämpfen und wie man sein Gelege und seine Gefährtin  vor Räubern beschützt. Allerdings musste ihm seine Mutter beibringen, wie man mit Weibchen umgeht, wie man ein Nest baut und wie man einen Nistplatz findet. Mit all dem kannte er sich noch nicht aus. Seine Mutter hatte ihn noch nie darauf angesprochen, sie hatte ihn noch nicht einmal gelobt als er zu ersten mal geflogen war. 'Mag sie mich nicht' fragte er sich während er in ihre abwesenden goldenen  Augen blickte. 'Habe ich etwas falsch gemacht?' 

 Es war ende Frühling, als Goldfire mal wieder jagen flog. Reddy war unverhofft krank geworden und war nun zu schwach um alleine zu jagen. Shadow konnte nicht mehr für sie jagen, er ist zu einer Versammlung herbei gerufen worden, zu der er fliegen musste. Alle männlichen Führer einer Familie oder eines Rudels mussten erscheinen. Shadow vertraute darauf, dass Goldfire auf Reddy aufpasste. Reddy schenkte ihm immer noch kaum Beachtung. Goldfire war es inzwischen egal. Ihm entging nicht, dass Reddy alle ihre Jungen so behandelte. Shadow hatte sich schon oft darüber aufgeregt. Er meinte, sie würde trauern um ihr Junges, dass sie einst verloren hatte. Um ein Nasumpa. Er hatte erfahren, dass er eine Schwester hatte, die Shadow aber ausgesetzt hatte, weil sie eben ein Nasumpa war. Ein Lichtfunke stieß ihn aus seinen Gedanken, ein heller blauer. Dieser Lichtfunke bildete einen eisblauen Blitz. Vor Schreck versagten ihm die Flügel ihren dienst, er stürzte ab. Im rechten Augenblick fing er sich wieder und flog zum Nest zurück. Diesmal hatte er nichts zu Fressen für seine Mutter und seine Geschwister. Und der blaue Blitz ging ihm nicht mehr aus dem Kopf.

Staunend sah Silberflügel, was sie soeben erschaffen hatte. Sie spuckte kein Feuer sondern einen Eisstrahl. Als sie es noch einmal versuchte, entstand eine Spirale, die sich über ihr am Himmel kreiselte. Sie wurde immer größer, bis sie fast den ganzen Himmel bedeckte. Dabei merkte Silberflügel jedoch nicht, wie kalt es um sie herum wurde.sie merkte es erst, als es anfing zu schneien. In ihrem ganzen Leben, diese ganzen sechs Monate in denen sie ums Überleben gekämpft hatte, hatte sie nur einmal den Winter erlebt. 'Jetzt ist er wieder da. Was habe ich getan?'

---------------------------------

Foto: Reddy

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top