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Sanft wie eine Katzenmutter ihr Junges, hob die Kreatur das schluchzende und zitternde Bündel aus der Hütte. Allerdings blieb sie mit den langen Hörnern unter dem Dachstuhl hängen, da sie vergessen hatte, den Kopf entsprechend zu drehen. Mit einem kräftigen Ruck gab jedoch auch dieser Teil des Dachs nach und Stroh, Holzstücke, Staub und Dreck prasselten gemeinsam mit dem Regen auf das ungleiche Paar herab. Vorsichtig setzte das Geschöpf das so zerbrechliche Kind auf einem noch intakten Teil des strohgedeckten Daches ab, breitete die Flügel aus und legte sie schützend um das junge Ding. Im Gegensatz zu dessen Jungen, schrie der Mensch jedoch und wehrte sich nach Leibeskräften, ein mitleidiger Anblick. Die Kreatur zog ihre Flügel wieder ein. Sie wollte dem Kind keine zusätzliche Angst durch ihre Handlungen machen. Erstmal wollte sie wissen, ob das Kind sie als das erkannte, was sie war. Zwar dauerte es eine Weile, doch letztendlich kam der junge Mensch nicht umhin, dass für ihn Unmögliche für möglich zu halten. Zu real waren der Regen, das zerstörte Haus und der Wind um sie herum.
Die Angst in den Augen des Kindes verschwand zwar nicht, doch ein Funke von Hoffnung, Ehrfurcht und Unglaube blitzten in ihnen auf. All diese Dinge schienen Ewigkeiten her zu sein, zu sehr von Angst, Wut, Trauer, Verzweiflung und Hass überschattet.
Ungläubig streckte das Kind zaghaft eine Hand nach dem Geschöpf aus und nur zu bereitwillig schob dieses sich näher heran, auch wenn das Dach knarrend protestierte. Es wollte dem Jungen, das es so sehr an seine eigenen erinnerte, die Angst nehmen. Nicht die Angst vor ihm selbst, das ließe sich vermutlich nicht in Jahrtausenden bewältigen und das Geschöpf hegte auch kein großes Interesse daran, gleichgültig betrachtet zu werden. Die Angst des Kindes saß tiefer, roch schaler, war aber immer noch präsent.
Zögerlich berührte das Kind die samtene Haut der Flügel und folgte mit dem Finger soweit es konnte einer sichtbaren Ader. Als das Geschöpf schnaubend zurückwich, zuckte der Mensch zurück, sah aber auf kurz auf seine Fingerspitzen, als spüre er immer noch die Wärme der Haut.
Dann legte er staunend den Kopf in den Nacken und schien erst durch die Berührung wirklich zu begreifen.
„Ein Drache.", hauchte das Kind fassungslos.
Dieser legte die Flügel um ihn, um ihn zu wärmen, wobei er umsichtig darauf achtete, den Menschen nicht zu berühren.
Dann – erst zögerlich, bei ausbleibender Angst jedoch immer kräftiger – begann der Drache zufrieden und zustimmend zu summen.
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