Zeit zu Regieren

Mayisa Targaryen saß mit erhabener Haltung auf ihrem Thron.
Die Arme waren ordentlich auf die Lehnen gelegt, die Beine standen still nebeneinander.
Die Krone auf ihrem lockigen offenen Haar, war so zart wie das Gesicht ihrer Besitzerin.
Es war ein Gestell aus purem Gold und verlief wie die Äste eines alten Baumes, in einem Kreis.
Blutrote wertvolle Steine waren darauf eingesetzt, was der Krone noch eine gewisse Edelheit verlieh.
Das Kleid, das sie heute trug, war nachtschwarz und körperbetont.
Sie zeigte stolz einen tiefen Ausschnitt.
Nur um die Schultern trug die Königin einen warmen Pelzbehang ihres Mannes, denn der Sommer war noch nicht vollkommen eingezogen.

Vor ihr stand ein alter Mann, neben ihm zwei seiner Söhne.
Beide waren recht hässlich, musste Mayisa sich eingestehen, obwohl sie eigentlich nicht nach dem Aussehen beurteilte.
Doch der Vater ging ihr schon seit einigen Minuten gehörig auf die Nerven.
Wie so viele dieser arroganten Lords, beschwerte er sich, in welch ein Chaos der neue König dieses Land doch stürzen würde.
Davos stand stumm neben ihr, er hatte sie nur kurz verkündet, als die drei eingetroffen waren, doch jetzt lauschte er seit geraumer Zeit dem Geschwafel des Mannes, welcher aufgeregt vor sich hin gestikulierte.

"-deswegen wird dieses Land sich schon bald erheben gegen Euch-", hörte Mayisa ihn sagen.
Sie folgte seiner ganzen Rede nur stückweise.
Der Tag war lang gewesen, die Sonne schon längst untergegangen, doch trotzdem wollte sie sich auch noch diesem Lord widmen, der sich zu beschweren hatte.
"-eine Schande für alle! Diesem Wilden solch einem Posten zuzuweisen," schnaubte der alte Mann wütend.
Das Mundwerk wollte einfach nicht aufhören neunmalkluge Sätze von sich zu geben.
Mayisa verzog den Mund zu einem Strich, als der Lord auf Tormund abspielte, dem Jon all die Ländereien gegeben hatte.
Es war klar gewesen, dass das für Aufruhr sorgen würde, aber es war wohl keinem bewusst gewesen wie nervig das werden könnte.
"- beschweren sich! Ich kriege sie kaum noch unter Kontrolle! Durch den angezettelten Krieg eures Mannes, sind so viele junge Männer ermordet worden! Und verbrannt! Die Drachen. Was fällt Euch dazu-"
Doch die Königin wischte bedeutsam mit der Hand durch die Luft.
Mit verkniffenem Gesicht verstummte der Lord tatsächlich.
"Wie kann ich euch nun behilflich sein?", fragte die Herrscherin in ruhigem Ton.
Die sanfte Stimme der Frau, ließ den aufgebrachten Atem des Mannes, langsam herunterfahren.
"Ich will mit dem König sprechen!"
"Ihr sprecht mit mir. Wie kann die Krone Euch helfen?"
Ihr Kopf legte sich schief, der Oberkörper beugte sich leicht nach vorne.
"Richtet dem König aus-"
"Ich werde ihm nichts ausrichen!", brummte Mayisa, nun gereizt.
Die graziöse Frau erhob sich von dem Thron und machte ein paar Schritte nach vorne, bis zum Treppenabgang.
Ihre Augen musterten die drei Männer von oben nach unten.
"Versteht ihr? Ihr werdet mit mir reden, oder ihr werdet gehen.
Ich kann euch genauso helfen, wie es der König könnte!"
Ihr Kopf reckte sich stolz nach oben.
Die Söhne wirkten tatsächlich eingeschüchtert, doch der Vater kniff die Augen zusammen.
Mayisa merkte schon, wie er sich weigerte eine Frau um Hilfe zu bitten.
"Aber ihr seid nur-"
"Ich bin was?"
Streng zogen ihre Brauen sich nach oben.
Der Lord biss sich auf die Lippe.
"Wo ist der König?"
"Er hat anderes zu tun."
"Ich verlange, mit dem König sprechen!"
Mayisa seufzte und schaute instinktiv zu Ser Davos.
Der Ritter verdrehte die alten Augen, was sie zu einem amüsierten Schmunzeln brachte.
"Macht ihr Euch über mich lustig?", knurrte der arrogante Lord.
Wütend stampfte er mit dem Fuß auf den harten Steinboden der Großen Halle.
"Das hat euch nicht zu interessieren," gab sie kalt zurück.
Ihr war es leidig, sich mit diesen ganzen hochnäsigen Männern auseinandersetzen zu müssen.
"Seit zwei Monaten sitzt ihr auf diesem Thron und genießt die Privilegien einer Königin, doch frage ich mich wo sich König Jon befindet?
Auch mein Volk ist beunruhigt, wenn der Thron unbesetzt ist!"
Ihre Augen rollte genervt nach hinten, sie ging die ersten zwei Stufen hinunter.
"Der König ist auf einem Zug durchs Land, um die Unruhen zu beseitigen."
"Also führt er Krieg gegen das Volk!"
"Das tut er nicht, macht mir nicht weis, dass euch das Wohl des Volkes beschäftigt!"
Mayisa trat die letzten Stufen hinunter. Sie war kleiner als der Lord, doch ihr erhobener Kopf strahlte so viel Sicherheit aus, dass der Mann tatsächlich sein aufgebrachtes Gesicht beiseite legte.
"Es scheint mir, als ob ihr nur hierher gekommen seid, um euch über die Herrschaft meines Mannes zu beschweren. Eine pure Zeitverschwendung, wenn ihr mich fragt. Der König tut, was er für richtig hält, genauso wie es die Königin tut."
Kurz hielt sie inne.
Dann wandte sich der Blick der Königin zur Seite, wo die Soldaten der Königsgarde standen.
Ihre Rüstungen waren nicht mehr weiß, sondern in tiefem Rot, verkleidet mit schwarzen Lederriehmen, Jon hatte es so angeordnet.
"Bringt diese hochwohlgeborenen Männer aus meinem Blickfeld.
Mit soetwas, werde ich nicht meine Zeit vertreiben."
Mayisa nickte den Wachen zu, welche sofort zu den drei Gästen gingen und ihnen unter die Arme griffen, um sie herauszuzerren.
Die beiden Söhne waren still, doch das Protestieren des älteren Lords hallte in dem ganzen Saal wider.

"Meine Königin," begann Davos die anhaltende Stille zu unterbrechen, als sie einige Tage später im Zimmer des kleinen Rates waren, um sich weiter zu unterhalten.
"Sollten wir nicht Jon davon berichten, dass die Unruhen zunehmend?"
"Nein," antwortete sie sofort.
"Er hat mir die vollkommene Verantwortung übertragen. Das bekomme ich wohl alleine hin."
"Verzeiht mir," wandte der alte Ritter noch ein, "ihr seid seit einem Monat Königin. Sicherlich erwartet der König nicht, dass ihr euch dem ganzen schon gewachsen seht."
Mayisa schnaufte und hielt sich den Kopf. Sie musste an ihre Kinder denken, die sie seit drei Tagen nicht mehr wach gesehen hatte, da sie immer erst zu Bett ging, wenn die Ammen sie bereits in die Wiege gelegt hatten. Jon war seit mehr als einem Monat auf, um als neuer König Verkündigungen in ganz Westeros zu machen. Er wollte dem Volk nahe sein, das war schon immer so gewesen. Doch seit ihr der Mann an der Seite fehlte, hatte sie kaum Zeit für ihre Kleinsten.
Es war verrückt wie schnell Robb und Jeora groß wurden. Ihre Tochter drehte sich bereits zur Seite und der Sohn robbte schon ganz aufgeregt auf dem Boden herum.
"Mich verfolgt schon lange das Gefühl, dass ich Gewalt anwenden muss, wenn dieses Gehetze nicht verschwindet."
"Ihr müsst in der Tat Stärke beweisen," stimmte Davo ihr zu, "das Volk kennt euch nicht. Der Durst nach der Wissbegierde wird mit Gerüchten gefüllt, also bleibt den Menschen nicht anderes übrig als diese zu glauben..."
"Aber wer verbreitet diesen Schwachsinn?", fragte die Königin ratlos. "Höchstwahrscheinlich ein paar dieser arroganten Lords, die schon bei euch waren um sich zu beschweren."
"Ihnen geht es bloß gegen den Strich, dass ich als Frau alleine auf dem Thron sitze, während der König im Land umher reist."
"Das schlimmste, was ein Mann sich vorstellen kann," witzelte der Ritter schmunzelnd. Auch Mayisa musste leicht lächeln.
Für kurze Zeit trat wieder ein nachdenkliches Schweigen zwischen den beiden.
Die Mutter konnte das Verlangen nicht unterdrücken, zu ihren Kindern zu laufen und die ganzen Pflichten zu vergessen, also wollte sie noch jetzt eine Entscheidung fällen, die das Problem irgendwie beheben würde.

"Ihr solltet vielleicht wissen, dass Jon bereits einige mutmaßliche Verantwortliche geköpft hat, bevor er aufbrach. Er wusste ganz genau von den bedrohenden Gerüchten... Doch sie scheinen nicht ganz verschwunden zu sein."
Mayisas Stirn runzelte sich, doch sie fragte nicht warum ihr Ehemann das verschwiegen hatte. Jon war eben Jon.
Er hatte sicherlich einen triftigen Grund dafür gehabt.
"Uns gehört die Weite und Dorne.
Zwar regiert Ellaria Sand in unserem Namen, aber wir haben immer noch das letzte Wort," schnaufte die Königin.
"Sagt Sam, dass er Spione in die verschiedenen Adelshäuser schicken soll. Derjenige, der mir den Gerüchteverbreiter bringt soll am höchsten belohnt werden!"
"Gewiss, meine Königin," verbeugte Davos sich ergeben.
"Ihr könnt zurück nach Sturmkapp, Davos. Sam wird mir zur Seite stehen, ihr verdient eine Auszeit."
Doch der Ritter winkte sofort ab.
"Nein, nein meine Königin. Ich werde zumindest so lange bleiben, bis Jon wieder da ist."

Mayisa stand auf und strich sich über das Kleid. "Ihr seht wieder mal bezaubernd aus heute," schmeichelte der alte Mann ihr. Auf dem jungen Gesicht erschien ein schüchternes Lächeln dann nickte sie dankbar mit ihrem Kopf. "Der König verpasst euren wunderschönen Anblick schon viel zu lange," schüttelte Davos den Kopf. Sie grinste zufrieden.
"Er wünscht sich wahrscheinlich, er wäre nie gegangen," schmunzelte die Mutter in sich hinein.
"Da bin ich mir sicher. Ein Streifzug nur mit Männern, das ist sicherlich quälend für den König."
Mayisa musste nach seinen Worten noch breiter grinsen.
"Er hat es so gewollt," reckte sich ihr Kopf nach oben.
Sanft lächelte der Ritter seine Königin an. Tatsächlich erfüllte es ihn mit ständigem Stolz, wenn er die junge Frau so sah.
Sie war einen langen steinigen Weg gegangen. Nun stand sie vor ihm als Königin des Landes. Er konnte sich noch ganz genau daran erinnern, als er sie bei dem leblosen Leichnam gefunden hatte, völlig schockiert, obwohl sie Jon erst einige Tag gekannt hatte. Und dann ihr Wille, das Leben für den König aufs Spiel zu setzen, als die Nachtwache in das Zimmer eindringen wollte. Mayisa wäre schon damals für Jon gestorben. Ohne zu zögern.
Es war schön zu sehen, was aus ihr geworden war. Davos fühlte sich etwas, als ob seine eigene Tochter, die er nie hatte, vor ihm stehen würde und über ganz Westeros regierte.

"Ich danke euch, Ser Davos."
Mayisa war bereits zur Tür gelaufen, um den Raum zu verlassen.
Sie wollte zu den Zwillingen.
"Jon wird sicher bald wiederkommen,"lächelte sie noch," so wie immer. " Dann verschwand sie, um zu Robb und Jeora zu gehen.







Es vergingen zwei weitere Wochen, in denen die Königin weitere Maßnahmen ergriff, um die Unruhe zu stillen. Sie ordnete an, das Getreide aus der Weite gerechter im Land zu verteilen, damit wenigstens der Hunger etwas befriedigt werden konnte. Die Spione waren schon bei den Lords angekommen und hatten bereits einige Male Briefe zu ihrer Königin geschickt, um sie wie befohlen auf dem Laufenden zu halten.
Mayisa hatte sich nun darauf konzentriert sich um ihre Kinder zu kümmern, statt nur noch im Thronsaal zu sitzen und sich Beschwerden anzuhören.
Nun stand sie am Fuße der Treppen, die zu beiden Stühlen hinaufführte.
In ihren Armen trug sie ihren kleinen Sohn. Ein paar Meter entfernt stand die Amme, mit Jeora, die laut vor sich hingluckste. Wie üblich war Robb still  und ruhig. Er schaute sich nur mit seinen sanften Augen um.
Das Wetter draußen war heute besonders sonnig. Ein leichter Wind wehte umher, doch trotzdem war es angenehm warm.
Mayisa war bereits draußen gewesen und hatte wieder einmal bemerken müssen, wie sehr sie die Wärme doch vermisst hatte. Zwar war es kein Vergleich zu ihrer Heimat, dennoch um einiges besser als der bitterkalte Norden.
Gerade als die Königin an Sansa denken musste, öffneten sich schlagartig die beiden metallenen Türen des Großen Saals.
Die Mutter war erschrocken zusammengezuckt, Jeora war völlig verstummt.
Ihr Herz pochte so schnell, als sie die vielen Männer hereinkommen sah, bis es schließlich stoppte, denn hoch oben auf einem nachtschwarzen trabenden Pferd saß der König.
Erleichtert holte die Frau wieder Luft.
Er stieg vom Pferd und lief schnurrstracks auf sie zu.
Seine schwarzen Locken waren noch länger geworden. Er wirkte ein bisschen magerer, offenbar war das Essen nicht sonderlich genießbar gewesen. Seine Wangen waren ein wenig eingefallen, das Gesicht ein wenig schmaler.
Ohne anzuhalten, kam er in ihre Richtung. Dann nahm der König das Gesicht seiner Frau in die Hände und drückte sehnsüchtig die Lippen auf ihre.


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