Leben
Der Brustkorb von Jon Schnee hob sich auf und ab.
Die blassen Lippen hatten an Farbe gewonnen und waren leicht geöffnet. Seine rehbraunen Augen schauten geschockt umher.
Er schluckte. Der Blick wanderte zaghaft durch den kalten Raum
Fassungslos drückte der lebendige Mann sich kraftlos hoch, um sich aufzusetzen.
Höchstverwirrt drehte sich der Lockenkopf zu Mayisa.
Sie schien ebenfalls fassungslos zu sein. Ihre blauen Augen waren weit aufgerissen. Die Angst stand ihr ins Gesicht geschrieben.
Jon fing langsam an zu zittern. Er bekam seinen Kopf nicht mehr unter Kontrolle.
Schwer schnaufend hob Jon Schnee die linke Hand nach oben und betrachtete geschockt die lebendigen Finger.
Vorsichtig sah er an sich herunter. Die Einstiche an seiner Brust waren noch klar zu sehen.
Jon strich sanft mit seinen Fingern über die Wunden und erzitterte stark. Es durchzog ihn brennender Schmerz, sobald die Finger auf das Fleisch trafen.
"Ich dürfte nicht hier sein."
Sein zitternder Kopf drehte sich zu dem Mädchen. Hilflos schauten die braunen Augen zu ihr.
Jon's Stimme war schwach. Er zitterte bei jedem Wort.
Mayisa schluckte und sah ihn mit schmerzhaftem Gesichtsaudruck an.
"Ihr habt Recht..."
Seine schwarzen Brauen krümmten sich.
Die Tür schlug auf und Ser Davos stand im Rahmen.
Sein wütender Gesichtsausdruck verschwand vollkommen, als er Jon erblickte.
Mayisa schaute ratlos zu dem Lebenden. Der Schock in ihrem Gesicht wollte nicht verschwinden.
"Ser Davos...er ist aufgewacht."
Der alte Mann sah kritisch zu Jon und blickte seinen Körper sorgfältig an.
Seine Augen blieben bei den tödlichen Wunden hängen.
Ohne Verwarnung bewegte sich Jon Schnee vom Tisch, um aufzustehen.
Er hatte nicht genug Kraft, weshalb der alte Ritter im richtigen Moment nach dem Lord Kommandanten griff und ihn stütze bevor er zu Boden fiel.
Ser Davos legte ihm einen Umhang um. Es war eisig kalt.
"Ich werde etwas Essen für euch holen."
Mayisa blickte noch einmal besorgt zu Jon Schnee. Sie hatte Angst. Die Beine trugen die junge Frau zur Tür. Zittrig griff die Hand nach der Klinke, dann huschte sie hinaus in die Kälte.
Ser Davos half Schnee zu einem Stuhl und sammelte wärmende Felle aus dem Zimmer um sie dann dem Auferstandenen zu reichen.
"Ihr wart tot. Toter als tot.
Ich habe es mit eigenen Augen gesehen."
Jon Schnee blickte starr geradeaus. Sein Atem schien sich langsam zu beruhigen.
"Ich dürfte nicht hier sein," wiederholte er sich.
"Ihr seid es aber," erwiderte der Ritter.
Jon schluckte und faltete die Hände zusammen.
"Ich habe Tormund befohlen sie mitzunehmen. Hier ist sie nicht sicher," murmelte Jon. Die Gedanken waren bei der jungen Lady.
Davos schmunzelte leicht.
"Das erste woran ihr denkt sind die Befehle, die ihr anderen gegeben habt um andere zu schützen."
Jon schaute zu seinem Gegenüber und sah ihn immer noch verwirrt an.
"Ich verstehe nicht..."
Sein Kopf senkte sich und er schüttelte sich.
"Die rote Frau hat euch zurückgebracht."
"Ich war tot, Davos."
Jon schnaufte.
"Tot."
"Und jetzt seid ihr es nicht mehr.
Ihr lebt. Das ist das einzige, was zählt."
Jon schloss die Augen.
"Wisst ihr, dass dieses junge Mädchen sein Leben für euch gelassen hätte?", meinte der Schmuggler.
Ruckartig hob Jon's Kopf sich und er sah ernst zu Davos.
"Sie wollte euch rächen. Genauso wie wir," fuhr er fort.
"Wir?"
"Edd und eure Freunde Männer."
Jon schluckte. Dann schüttelte er den Kopf.
"Ich hätte soetwas niemals gewollt.
Schon gar nicht von so einer jungen Frau."
Davos sah ihn aufmerksam an.
"Sie hat jahrelang in diesem verdammten Land überlebt nur um mir dieses Stück Papier zu überreichen," brummte Jon.
"Sie ist eine Eidwahrerin."
Wieder schüttelte Schnee seinen Kopf.
"Ich glaube kaum, dass Robb von ihr einen Eid verlangt hat."
"Warum sollte sie dann diese Gefahr auf sich nehmen?"
Davos beobachtete kritisch die Gesichtszüge des Kommandanten.
Dieser zuckte mit den Schultern.
"Vielleicht war sie in Robb verliebt.
Vielleicht hatte sie sonst kein Zuhause. Vielleicht erhofft sie sich etwas von Haus Stark.
Ich weiß es nicht."
"Wieso fragt ihr sie nicht?"
Entgeistert huschte Jons Blick zu Ser Davos.
"Das würde sich nicht-"
"Gehören? Ich bin mir sicher ihr seid der netteste Mann, dem sie in den letzten Jahren begegnet ist.
Scheut euch nicht."
"Alle Gründe wären schrecklich."
"Wieso wäre es schrecklich, dass sie sich Vorteil von Haus Stark erhofft?"
"Weil sie dann wie alle anderen Menschen auf dieser Welt wäre.
Egoistisch. Auf den eigenen Vorteil fokussiert."
Davos runzelte die Stirn.
"Ich glaube nicht, dass sie in Robb verliebt war," meinte der alte Mann.
Jon seufzte, als er an seinen Bruder denken musste
"Jedes Mädchen war in Robb verliebt."
Davos schnaufte. Jons Miesmutigkeit schien nicht verflogen zu sein.
"Vielleicht ist sie nicht wie jedes Mädchen," wandte der Zwiebelritter ein.
Jon kniff die Augen zusammen und spannte sich an.
"Was meint ihr?"
Davos schmunzelte leicht über seine Reaktion. Dann zuckte er mit den Schultern.
"Der Tod entbindet euch von Pflichten und Eide der Nachtwache."
Jon Schnee nickte zustimmend und sah zu seinem Schattenwolf.
Davos hatte Recht.
Er war für die Nachtwache gestorben.
Er hatte sein Leben gelassen.
"Dennoch habt ihr die Pflicht eure Mörder hinzurichten," fuhr der alte Mann fort.
Jon's Miene wurde finster. Sein Kiefer spannte sich an.
"Diese Pflicht werde ich definitiv erfüllen."
Die Tür ging auf und Mayisa stand im Rahmen. Sie hielt eine Schüssel mit Essen in der Hand und trug andere Kleidung.
"Ihr habt euch andere Kleidung geben lassen?"
Verwundert sah der Ritter das junge Mädchen an.
Sie trug ein Kleid aus grünem Stoff, welches um die Taille und Oberkörper enger gebunden war.
"Die rote Frau hatte angeordnet, dass ein Kleid für mich genäht werden soll," berichtete die junge Frau.
Jon musste leicht lachen, fing dann jedoch an zu husten.
"Wer hier in der Festung hat sich denn bereit erklärt zu nähen?"
Mayisa schmunzelte leicht und kam dann zu dem Stuhl. Sie kniete sich vor ihn und hielt ihm vorsichtig die Schüssel hin."Es ist warme Suppe."
Behutsam nahmen die weisen Finger von Jon Schnee die Schüssel aus ihren zarten Händen. Mayisa erntete einen dankbaren Blick von dem Lockenkopf.
Dann stand sie auf und sah zu Ser Davos. "Die Priesterin wird gleich kommen."
Jon hatte angefangen die Suppe zu schlürfen und schien langsam das Zittern aufzuhören.
"Seid das noch ihr da drin?"
Kritisch schaute Lady Tiryr zu dem jungen Mann. Sie schluckte, als er sofort aufsah.
"Ich denke schon..."
Seine tiefe rauchige Stimme schien noch tiefer und rauchiger zu sein als sonst. Es verursachte Gänsehaut auf Mayisa's Haut. Ein Gefühl von Wärme breitete sich in ihrem Brustkorb aus.
Ihre Augen musterten ihn bedacht. Mayisa wollte verstehen, was passiert war. Aber sie konnte es sich in keinster Weise erklären.
Die Tür ging erneut auf und die besagte Priesterin stand im Rahmen.
Geschockt und erstaunt blickte sie zu dem lebendigen Jon Schnee.
Melisandre wirkte beinahe fassungslos. Ser Davos schaute zu ihr.
Noch nie hatte er sie so gesehen.
Er hatte nie viel Sympathie für sie empfunden.
Für ihn war sie immer eine Fanatikern gewesen, die nur auf ihren eigenen Erfolg aus war.
Zu oft war er so wütend auf sie gewesen, dass er sie hatte beseitigen wollen.
Sie hatte seinen geliebten König Stannis auf eine Gottheit vertrauen lassen indem sie ihn Menschen lebendig verbrennen ließ.
Doch nun hatte sie mit ihrem umstrittenen Gott einen toten Mann zurückgebracht. Einen Mann an den Davos noch mehr glaubte als an Stannis. Klar war, dass das kein Mensch hätte tun können.
Etwas größeres, was mächtiger als der Tod war, steckte dahinter.
Melisandre ging zu Jon Schnee und kniete sich vor seinen Stuhl. Neugierig blickte die Rote Frau zu ihm hoch.
"Als ihr tot wart, was habt ihr da gesehen?"
Gespannt umgriffen ihre Finger sein Knie.
Mayisa runzelte die Stirn und sah zu Jon.
Er war schwach und fing wieder an zu zittern.
"Nichts. Dort war nichts."
Der Schock machte sich in den braunen Augen des Bastards breit.
Die Priesterin stand auf. Nachdenklich lag der Blick auf dem Lebenden.
"Der Herr ist noch nicht mit euch fertig. Deshalb ließ er euch zurück."
Jon's Blick wanderte kurz zu Mayisa, die etwas abseits stand.
Sie hatte die Arme verschränkt und eine ernste Miene.
Sie schien die Priesterin nicht zu mögen. Das war leicht an ihrem griesgrämigen Ausdruck zu sehen.
"Und was hat euer Herr mit mir vor?", fragte er schnaufend.
Er nahm einen weiteren Schluck von der warmen Suppe.
Sie erwärmte seinen Körper und schien ihm Kraft zu geben.
Als er aufwachte hatte er sich wie eine leere Hülle gefühlt.
Er hatte sich kalt und bedeutungslos gefühlt. Noch nie hatte er sich so sehr über eine warme Mahlzeit gefreut, wie jetzt.
"Ich weiß es nicht.
Vielleicht brachte er euch zurück um euch wieder töten zu lassen.
Vielleicht hat er aber auch etwas größeres mit euch vor."
Wieder klang sie so allwissend.
Ihr geschockter Blick war verschwunden und sie schien sich ihrer Sache komplett sicher zu sein.
Jon blickte zu Mayisa und seufzte.
"Ich hätte nicht gewollt, dass ihr mich mit meinen Männern rächt.
Ihr seid jung und habt ein langes Leben vor euch..."
"Mir ist es egal was ihr gewollt hättet.
Ihr wart tot."
Leicht überrascht zog Jon die Augenbrauen hoch und sah zu Davos.
Dieser schmunzelte leicht, blickte jedoch dann zu Boden.
"Ich werde euch mit Tormund wegschicken."
Mayisa zog unbeeindruckt die Brauen hoch.
"Ihr seid gerade von den Toten auferstanden und das Erste woran ihr denkt ist mir irgendwelche Befehle zu erteilen was ich mit meinem Leben anstellen soll?"
Davos schaute zu Melisandre.
Ohne Worte verließen beide den Raum und schlossen die Tür hinter sich.
"Ich gebe euch einen Rat und keinen Befehl. Hier seid ihr nicht sicher."
Jon verdrehte die Augen.
"Euer Eid sagt, dass ihr bis zu eurem Tod an die Nachtwache gebunden seid. Nun seid ihr gestorben und von eurem Eid gelöst.
Also dürftet ihr so oder so keine Befehle mehr geben."
Jon kniff die Augen zusammen.
Sie hatte nie ihre besserwisserische Seite gezeigt. Er war überrascht und irgendwie schien es ihn zu amüsieren.
"Ihr kennt den Eid der Nachtwache?"
Belustigt sah er sie an.
"Samwell hat ihn mir einige Male vorgesagt."
Jon nickte und grinste leicht.
Sie zog fragend die Augenbrauen hoch.
"Ich werde euch keine Befehle mehr geben."
"Gerade sagtet ihr, dass es gar kein Befehl war."
Jon lachte kurz auf und auch auf ihrem Gesicht kam ein Lächeln zum Vorschein.
Es machte sie zufrieden ihn lachen zu sehen. Sonst hatte er immer so einen ernsten Blick und eine ernste Miene.
Es verlieh ihm einiges an Autorität doch sie fand Männer, die herzhaft lachten viel sympathischer.
"Ich weiß, dass ich hier nicht bleiben kann.
Fast alle Männer hier werfen mir komische Blicke zu oder geben Kommentare ab.
Allein schon jetzt, als ich mit dem Kleid durch die Stuben gegangen bin."
Besorgt blickte er die Lady an.
"Es tut mir Leid, dass meine Männer euch nur auf euer Äußeres reduzieren."
Sie zuckte mit den Schultern.
"Ich bin es gewohnt.
Jede Frau ist das."
Jon richtete den Umhang.
"Aber dennoch gibt es doch bestimmt Männer, die euch in der Vergangenheit respektvoll behandelt haben."
Mayisa seufzte und setzte sich auf einen der Stühle.
Nachdenklich sah sie ins Leere.
"Wir wissen nie was für einen Typ von Mann wir bevorzugen.
Wir werden verheiratet an eingebildete Lords um ihnen Nachfahren zu gebären. Wenn wir Glück haben, erwischen wir einen anständigen Mann. Doch wenn es das Schicksal böse mit uns meint, dann sind wir für den Rest unseres Lebens mit einem Tyrannen verbündet."
Jon war erstaunt über ihre harten Worte. Es war die Wahrheit, daran gab es nichts zu bezweifeln. Doch er bewunderte sie noch mehr dafür, dass sie es wagte es so offen auszusprechen.
"Euer Bruder war wohl einer der wenigen, die wissen was Respekt bedeutet."
Jon beobachtete eindringlich ihren Blick als sie von Robb sprach.
"Wart ihr in meinen Bruder verliebt?", fragte er geradeheraus.
Ruckartig warf Mayisa den Kopf hoch. Verwirrte blaue Augen starrten ihm entgegen. Sie wirkte beinahe etwas ertappt. Verlegen biss die Lady sich auf die Unterlippe.
"Er war ein sehr guter Mensch.
Ich habe ihn sehr bewundert, aber verliebt war ich nicht.
Es füllte mich mit Glück, dass Talisa einen solch guten Menschen gefunden hatte."
Jon nickte kurz.
Er schämte sich nun etwas sie danach gefragt zu haben.
"Es gibt nur zwei Männer auf dieser Burg, bei denen ich sicher weiß, dass sie nicht über mich herfallen würden.
Jon sah sie aufmerksam an. Er studierte jede Bewegung ihres Gesichts.
"Ser Davos und ihr."
Sanft schaute sie ihn an. Mayisa bewunderte diese warmen braunen Augen.
Jon hingegen blickte nun verlegen auf den Boden und atmete tief durch.
"Woran erkennt ihr soetwas?"
Sie sah weg von ihm und ihr Blick wanderten durch den Raum.
"Ihr würdet nicht mal ohne euren Eid über mich herfallen.
Das unterscheidet euch von Robb."
Leicht kicherte sie.
Es ließ Jon's Herz hüpfen, als er dss Geräusch aus ihrem Mund vernahm. Auch er musste schmunzeln.
"Er konnte sich bei Talisa nie beherrschen," grinste Mayisa.
"Ihr habt miteinander darüber geredet?"
Er sah sie belustigt an.
Sie nickte und lachte, als sie an die Vergangenheit dachte.
"Natürlich. Das ist üblich unter Mädchen. Wusstet ihr das nicht?"
Jon schüttelte den Kopf.
"Besser ich hätte es nicht gewusst."
Mayisa zog die Augenbrauen hoch und schmunzelte.
Nach einer langen stillen Pause stand Mayisa auf und ging zur Tür.
"Ich bin froh, dass ihr wieder am Leben seid."
Sie warf ihm ein sanftes Lächeln zu und verließ dann den Raum.
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