König
Nachdenklich betrachtete Jon die davonreitende rote Frau von der alten mächtigen Mauer Winterfells.
Er wusste nicht ob er sie hätte töten sollen.
Sie war schuldig, das wusste er, doch es hatte sich etwas verändert.
Er hatte nun einen Grund um um sein Leben zu kämpfen.
Er hatte nun Angst vor dem Tod.
Melisandre hatte ihn zurückgebracht.
Vielleicht würde sie es wieder können.
Vielleicht war sie auch die einzige, die ihn zurückbringen konnte.
Über der Burg befanden sich Wolken, die einen starken Schneefall hervorbrachten.
Die weißen Flocken bedeckten bereits die ganze weiten Wälder und Dörfer, die von der hohen Mauer zu sehen waren.
Auf das Land hatte sich eine weiße Schneedecke gelegt.
Auf einmal vernahmen seine Ohren ein langsames Stapfen.
Er drehte den Kopf herum und erblickte seine wunderschöne Schwester.
Sie schien erholt und zufrieden, als sie mit bereits leicht verschneitem rotem Haar auf ihn zukam.
Der sichere Schlaf in ihrem Zuhause hatte ihr wohl gut getan.
Jon wusste, dass Ramsay tot war.
Er hatte am frühen Morgen seine zerfetzte Leiche verbrannt.
Das Bellen der Hunde und das Geschrei eines sterbenden Monsters hatte gestern alle Gänge und Hallen von Winterfell erschrecken lassen.
Für Sansa musste es befreiend und befriedigend gewesen sein ihren Peiniger sterben zu sehen.
Jon wusste noch genau wie es ihn zufrieden gestellt hatte, als er Janos Slynt den Kopf abgeschlagen hatte.
Seine Wut war in diesem Moment nicht zu zügeln gewesen und nur sein Tod hatte ihn beruhigen können.
"Du schickst die rote Frau weg," bemerkte Sansa und blieb mit Abstand zu ihrem Bruder stehen.
Ihr Blick war auf die immer kleiner werdende Gestalt im Schnee gerichtet.
"Sie hat etwas unverzeihliches getan."
"Ich weiß.
Ser Davos erzählte es mir.
Warum hast du sie nicht zum Tode verurteilt?"
Ihr Bruder biss sich auf die Lippe und starrte noch immer in die Ferne, selbst als sie ihn mit verwundertem Blick anschaute.
"Ich war tot, Sansa.
Und jetzt lebe ich.
Irgendetwas wahres muss an ihren Prophezeiungen und ihrem Glauben sein."
"Es gibt tausende Priesterinnen, die vom Herr des Lichts predigen."
"Aber nur eine, die mich zum Leben erwecken konnte."
Sansa schaute nun auch wieder auf die Landschaft hinaus.
"Du musst sie beschützen, Jon," platzte es aus ihr heraus.
"Wenn du willst, dass ihr nichts geschieht dann musst du sie besser schützen."
Sein Kopf drehte sich zu seiner Schwester und er legte den Kopf schief.
"Ich rede von dem Tiryr Mädchen."
"Ich weiß von wem du redest," sagte er allwissend.
"Du musst sie beschützen."
"Das sagtest du bereits."
Sansa seufzte und verdrehte die Augen.
"Du verstehst nicht was ich meine."
"Doch das tue ich.
Ich soll Wachen aufstellen, Geist in ihrer Nähe lassen und in einem Bett mit ihr schlafen um jeden selbst abzuwehren."
Wieder verdrehte seine Schwester ihre Augen.
"Nein.
Du verstehst mich eben doch nicht."
Nun drehte beide sich zu dem Gegenüber und Jon schaute sie fragend an.
"Du musst es geheimhalten, Jon.
Selbst die treuesten Männer sprechen die interessantesten Geheimnisse unter Folter aus."
Er verzog das Gesicht und schnaufte laut aus.
"Wen sollte es interessieren, dass sie-"
"Cersei Lennister," unterbrach sie ihren Bruder bestimmend.
"Wir haben die Boltons vernichtet.
Die Boltons waren mit den Lennisters verbündet.
Cersei weiß wie sehr wir nach Rache streben und wird, genauso wie ihr Vater, uns überlisten wollen.
Sie wird uns auslöschen wollen bevor wir überhaupt an eine Rebellion gegen ihr Haus denken können."
"Aber was hat das mit Mayisa zu tun?"
Sansa seufzte.
Manchmal war er echt begriffsstutzig.
"Wenn sie herausfindet, dass es jemanden für dich gibt, so wird sie dein Leben zur Hölle machen.
Sie wird Leute darauf ansetzen Mayisa zu entführen oder derartiges.
Die Liebe zu ihr macht dich angreifbar und verletzlich."
Jon biss den Kiefer zusammen und schaut die Mauer hinunter auf den ruhigen Platz, auf den sanft und leise der Schnee fiel.
Es war so ruckartig kalt geworden, dass er es nicht fassen konnte.
"Ich lasse das Gemach des Lords für dich herrichten," wechselte Jon das Thema.
Er wollte nicht weiterhin über die Gefahr sprechen, in die er Mayisa versetzte.
Konnte er nicht einfach nur mal glücklich mit einem Menschen sein?
Oder war die Welt so grausam, dass in den schönsten Momenten alles zerstört wurde?
"Mutter und Vaters?
Nein.
Du solltest es haben."
Ihr war bewusst, dass Jon absichtlich ein anderes Thema ansprach, doch ging sie ihm zuliebe darauf ein.
"Du bist die Lady von Winterfell.
Wir stehen nur wegen dir hier.
Die Ritter des grünen Tals kamen deinetwegen."
Sansa holte tief Luft und schaute ihren Bruder kritisch an.
"Es tut mir leid, Jon.
Ich hätte dir davon erzählen sollen.
Verzeih mir."
Doch ihr Bruder schüttelte nur den Kopf und schenkte ihr ein warmes Lächeln.
"Es gibt nichts zu verzeihen."
Er machte ein paar Schritte auf die Rothaarige zu und musterte liebevoll ihr Gesicht.
"Doch wir müssen in Zukunft einander vertrauen.
Die Nachricht von unserem Sieg wird sich rasch verbreiten und wir werden viele Feinde haben.
Wir können es uns nicht leisten untereinander Kriege zu führen."
Sansa lächelte und schaute ihren Bruder voller Emotionen an.
Als sie nickte kam Jon ihr noch näher und legte dann sanft seine Hand auf ihren Kopf um ihr dann einen liebevollen Kuss aufs Haar zu geben.
Diese Geste ließ Sansa sich so wohl und selbstbewusst fühlen, wie noch nie.
Sie fühlte sich seit sie bei ihrem Bruder war, seit langem wieder wie Zuhause.
Es war faszinierend was die Anwesenheit einer einzigen Person für sie bedeuten konnte.
Gerade als Jon sich zum Gehen abwandte fiel Sansa noch der Grund ein weshalb sie ihn überhaupt aufgesucht hatte.
"Jon! Noch etwas."
Ihr Bruder drehte sich augenblicklich um und schaute Lady Stark aufmerksam an.
"Ein Rabe aus der Zitadelle ist gekommen.
Ein weißer Rabe."
Tief holte sie Luft und atmete dann die frische Luft aus.
"Der Winter ist da," verkündete sie feierlich.
Jon's Gesicht erleuchtete und ein strahlendes Lächeln erschien darauf.
Freudig blickte er auf den fallenden Schnee.
"Nun ja, Vater hat es uns immer versprochen, nicht wahr?"
Sansa schmunzelte sofort glücklich und blickte ihren Bruder feierlich an, bevor dieser dann die Mauer hinabstieg.
In ihrem wunderschönen, von Jon angeordneten, Kleid stand Lady Tiryr in einer Ecke am Fenster des großen Saals.
Schräg vor ihr hatten Jon und Sansa nebeneinander Platz genommen.
Der Rest der Männer hatte sich an Tischen auf Bänken versammelt.
Die Lords aller Häuser des Nordens und deren Kriegsherren und Berater hatten sich niedergelassen um ausgiebig über die vergangene Schlacht und die Zukunft zu sprechen.
"Ich kann es nicht dulden, dass die Ritter des grünen Tals mit eingedrungenen Wildlingen gemeinsame Sache machen," rief einer der Kriegsführer vom Hause Arryn.
"Wir sind nicht eingedrungen, wir wurden eingeladen!"
Tormund's Stimme war leicht genervt.
"Nicht von mir," sagte der mittelalte Mann erneut und würdigte Tormund nicht einmal eines Blickes.
Ruckartig schob Jon seinen knarzenden Stuhl zurück und erhob sich erhaben.
Sofort lag Mayisa's Blick auf ihm.
Er wirkte so attraktiv in seiner Rüstung und seinem mit Fell bedeckten Mantel.
Diese Autorität gefiel ihr.
"Das freie Volk und die Ritter vom grünen Tal haben tapfer gekämpft.
Gemeinsam, und wir haben gewonnen," gab er feierlich in die Runde.
"Mein Vater sagte immer:
Unsere wahren Freunde finden wir auf dem Schlachtfeld."
Ein weiterer, jüngerer, Mann erhob sich.
Mayisa kannte ihn nicht, doch er war gekleidet wie ein hoher Lord.
"Die Boltons wurden besiegt.
Der Krieg ist zu Ende.
Der Winter ist gekommen."
Er klang beinahe euphorisch beim letzten Satz.
"Wenn die Maester Recht haben, so wird es der Kälteste seit tausend Jahren.
Wir sollten nach Hause reiten und die bevorstehenden Stürme aussitzen."
"Der Krieg ist nicht zu Ende," unterbrach Jon ihn beinahe.
"Und ich versichere euch:
Der wahre Feind wird den Sturm nicht aussitzen.
Er bringt den Sturm."
Sofort entstand lautes und verwundertes Gerede im Saal.
Jon drehte sich instinktiv herum und schaute zu Mayisa, die ihn liebevoll anlächelte.
Er war noch so jung, doch schon so weise.
Es faszinierte sie wie er immer gute Entscheidungen traf und wusste was zu tun war.
Jon erwiderte ihren lieben Blick kurz, bevor er sich dann zurückdrehte, weil es wieder still wurde, da Lyanna Mormont sich nun erhob.
"Euer Sohn wurde auf der roten Hochzeit ermordet, Lord Manderly.
Aber ihr habt den Hilferuf von Haus Stark verweigert," sagte sie vorwurfsvoll zu einem alten stämmigen Mann mit weißen vollen Bart.
Ihr Blick wanderte zum Nächsten.
Die Stille war erdrückend.
"Ihr habt Haus Stark Treue geschworen, Lord Glauer.
Aber in der Stunde ihrer größten Not, habt ihr den Ruf verweigert."
Lord Glauer schaute ebenfalls, wie gerade Lord Manderly schuldbewusst schweigsam zu dem jungen Mädchen, aus dessen Mund so viel Wahres kam.
Lyanna schaute in die ganze Runde.
"Doch Haus Mormont vergisst nicht.
Der Norden vergisst nicht.
Wir kennen keinen anderen König, als den König des Nordens, dessen Name Stark ist."
Ihr Blick wanderte direkt zu Jon, der dem Mädchen verwundert und unsicher zuhörte.
"Es ist mir gleich ob er ein Bastard ist.
Ned Stark's Blut fließt durch seine Adern.
Er ist mein König.
Von diesem Tag an, bis zu seinem letzten Tag."
Berührt holte Jon tief Luft und blickte Lyanna mit einem dankbaren Lächeln an.
Unruhe kam in den Saal und vermehrt konnte Mayisa Zustimmung in den Gesprächen der Männer hören.
Sie schaute zu Jon und konnte von der Seite deutlich sein gerührtes Gesicht erkennen.
Mayisa ahnte seine Gedanken und war sich sicher, dass er in diesem Moment darüber nachdachte, ob er diese Worte von Lady Mormont verdiente.
Sofort wollte sie zu ihm gehen und ihm gut zureden, dass Lyanna vollkommen Recht hatte und er all diese Anerkennung verdiente.
Doch sie blieb abseits stehen.
Lord Manderly erhob sich und schaute friedlich zu der jungen Lady.
"Lady Mormonts Worte sind hart.
Und wahr.
Mein Sohn starb für Robb Stark, den jungen Wolf."
Mayisa holte tief Luft, als sie merkte, dass ihr diese Situation bekannt war.
Ihr Gedanke an Robb ließ sie auch an die Rufe zurückdenken, die Talisa und sie bei ihrer Ankunft im Lager nachts vernommen hatten.
Die Männer hatten Robb zum König des Nordens ausgerufen.
Ein mulmiges Gefühl überkam sie.
"Ich hätte es nicht erwartet es zu erleben, dass wir einen neuen König finden.
Ich habe meine Männer eurer Sache nicht verpflichtet, weil ich nicht wollte, dass mehr Manderlys umsonst sterben.
Doch ich habe mich geirrt."
Der alte Mann blickte in die Runde und ließ dann seinen Blick zu Jon Schnee schweifen.
"Jon Schnee hat die rote Hochzeit gerächt!
Er ist der weiße Wolf!"
Vermehrte zustimmende Rufe kamen von den Männern, die alle Jon galten.
Mit einem Satz zog Lord Manderly sein Schwert hervor und ging in die Knie.
"Der König des Nordens," rief er euphorisch.
Ein stolzes Grinsen erschien auf Mayisa's Mund und jeglicher Zweifel schien verschwunden.
"Ja!" ertönte es mehrmals aus einigen Mündern.
Nun erhob sich auch Lord Glauer und er blickte sofort zu Jon, der überrumpelt, jedoch gefasst, an seinem Tisch saß.
"Ich habe an eurem Felde nicht an eurer Seite gekämpft und das werde ich bis an mein Lebensende bereuen.
Ein Mann kann seine Fehler nur eingestehen und um Vergebung bitten."
Jon schaute friedlich zu dem Lord.
"Es gibt nichts zu vergeben, Mylord."
"Es wird noch viele Schlachten geben und Haus Glauer wird hinter Haus Stark stehen.
Und ich werde hinter Jon Schnee stehen."
Jon nickte ihm dankbar zu.
Erschrocken zuckte Mayisa zusammen, als Lord Glauer sein Schwert hervorzog und es feierlich in die Höhe hielt.
"DER KÖNIG DES NORDENS,"
rief er laut.
Augenblicklich erhob sich der ganze restliche Saal und alle hielten ihre Schwerter in die Höhe.
"DER KÖNIG DES NORDENS,"
stimmten sie voller Euphorie zu.
Es packte Jon so sehr, dass er aufstand und gerührt in die Runde der ihm zujubelnden Männer schaute.
Ihm war noch nicht klar welche Bürde er nun zu tragen hatte.
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Die gute Lyanna.
lg
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