Ihr Ende?

"Wir sollten aufbrechen, meine Königin," meinte Ser Jorah, der plötzlich hinter Daenerys auftauchte.
Besorgt schaute der Mormont zu den beiden sich anschweigenden jungen Frauen, die hoch oben auf der Mauer seit geraumer Zeit verweilten und in die Ferne starrten.

"Ein bisschen noch," hauchte die Drachenkönigin mit zitternder Stimme.

Mayisa verärgerte die Stimmung der Königin sehr.
Sie hatte bemerkt wie auch Daenerys unter der Vorstellung litt, dass das Warten wohl vergeblich war.
Ihr Blick war so sehnsüchtig wie ihr eigener.
Es beunruhigte sie zutiefst, dass Daenerys sich so sehr um Jon sorgte.
Mayisa fühlte sich, als wenn sie in einem Wettbewerb war, dessen Druck sie nicht stand halten konnte.
Ihre Blicke wenn jemand von Jon Schnee sprach, waren so verzweifelt und traurig, dass es Mayisa ahnen ließ, was die Königin fühlte.

Das stundenlange Anschweigen zwischen ihr und Daenerys, seit sie hier oben auf der Mauer verweilten, machte Mayisa kaum etwas aus.
Sie wollte bloß nicht mit ihr reden.
Es würde sie noch emotionaler werden lassen und sie wusste nicht ob sie dann ihren Schmerz zurückhalten könnte, wenn sie der Frau in die Augen sah, die eine Gefahr für die Beziehung zwischen ihr selbst und Jon darstellte.

Ihre Hände und Wangen waren eiskalt.
Mayisa war so fokussiert dass sie es womöglich gar nicht merken würde wenn einer ihrer Gliedmaßen abfrieren würde.
Es wäre ihr völlig egal.

Jorah Mormont holte tief Luft und schnaufte leicht ungeduldig.
Auch Davos war schon mehrmals hochgekommen um die beiden Frauen zu überreden im Warmen zu trauern oder zu warten.
Was genau sie da taten, wussten sie selbst nicht.
Es war wohl ein verzweifelter Versuch die Trauer zu unterdrücken indem sie in die Ferne starrten und hofften, der König würde noch am Leben sein.













Gerade als Daenerys sich umdrehte ertönte ein lauter Hornstoß.
Mayisa zuckte erschrocken zusammen und beugte sich über die Absperrung.
Auch Daenerys lief vor um einen Blick zu erhaschen.

"Ein Reiter," rief einer der Späher laut aus.

Mayisas Augen rissen sich auf und ihr Herz begann schneller zu schlagen.
Voller Energie und Hoffnung wirbelte sie herum und hastete zu dem Aufzug der Nachtwache.
Der schnelle Atem gab ihr Kraft als sie in das klapprige Holzgestell stieg und ohne Zögern den Befehl gab sie herunterfahren zu lassen.



Als sie unten war hastete sie zum Tor.
Ser Davos war gerade in ein Gespräch mit Tormund verwickelt, als er die junge Lady rastlos rennen sah.
Ihr aufgewühltes Gesicht beunruhigte ihn und ließ ein Stirnrunzeln verursachen.

"Mylady," rief er um sie aus ihrer Hastigkeit zu holen.
Auch Tormund sah besorgt zu ihr.

"Es ist ein Reiter vor dem Tor!"
Aufgeregt blickte sie ihnen entgegen.

Beide Männer kamen auf die aufgeregte junge Lady zu und versuchten sie still zu halten.

"Ein Reiter," wiederholte Tormund.

Davos schnaufte und nickte.
"Wir müssen zum Tor."









Mit schnellem Tempo rannte sie durch den eisigen Tunnel.
Tormund und Davos folgten ihr so schnell sie konnten, doch es schien als wenn die junge Lady plötzlich viel schneller war als die Männer.

Mayisa spürte die Kraft, die durch sie floss, als sie den Reiter am Boden liegen sah.
Das Pferd war ruhig stehen geblieben.



Mit einem Ruck drehte sie den Körper herum.

"Sieben Höllen," fluchte sie leise, als sie das Gesicht erblickte.
Ihre Hände begannen wieder zu zittern und die Augen füllten sich mit Tränen.
Die Erleichterung stand ihr ins Gesicht geschrieben.


"J-Jon," wimmerte sie.
Ein sanftes Lächeln tauchte auf ihrem Gesicht auf.
Sie hatte dieses Gesicht so sehr vermisst.
Niemals hätte sie sich vorstellen können ohne dieses Gesicht leben zu können.

"Er atmet noch," stellte Tormund erleichtert fest, da sich die Brust noch immer senkte und hob.

Zustimmend nickte Mayisa und schluckte all den Schmerz herunter.
Sanft strich sie mit ihren Handschuhen über seine Gesichtskonturen.
Sie war sich nicht sicher ob dieser Moment Wirklichkeit war.
Ihre Verzweiflung war verschwunden und all der Kummer durch seine Anwesenheit verflogen.
Die Last auf ihren Schultern wurde von ihr genommen und die stolze Haltung kam wieder zum Vorschein.


Tormund und Davos hieften ihren König hoch um ihn zurück zur Wache zu tragen, damit er sich aufwärmen konnte.

Sie legten ihn in eines der Betten in der Nachtwache und begannen gleich darauf die erstarrten Kleider von ihm zu entwenden.
Mayisa riss die Kleider so schnell wie möglich von seinem Leib, damit die Kälte ihn nicht umbringen würde.
Noch immer schien es für sie unreal, dass er nun lebendig vor ihr lag.
Die Haut war bleich und einige blaue Flecken waren ringsherum um die riesigen Einstichwunden zu sehen.
Sie nahm einen Lappen, getränkt in erwärmten Wasser, und begann damit über seinen Körper zu streichen.
Tormund verließ den Raum, während Davos begann Decken und Felle zu suchen.
Er polsterte die Beine und Füße des Königs mit den warmen Gegenständen.










Auf einmal schaute Davos auf, was auch Mayisa von ihrem Tun aufblicken ließ.

Die Drachenkönigin stand im Türrahmen.
Mayisa bemerkte den geschockten Blick, als Daenerys die Narben von Jon sah.
Ihr schien klar zu werden, dass die Metapher von Davos eine echte Tatsache war und der König wirklich für seine eigenen Leute ein Messer ins Herz bekam.
Mayisa sah den Eindruck auf Daenerys Gesicht, welcher diese Erkenntnis hinterließ.


Ihre Stirn runzelte sich und ihre Hände verkrampften sich ungewollt, als sie den liebevollen Blick der Königin auf dem nackten Oberkörper von Jon bemerkte.
Seine Bauchmuskeln waren deutlich zu sehen und schienen auch Daenerys zu beeindrucken.

Die Königin trat ein, als ob ihr der Raum gehörte und die Anwesenden ihre Diener waren.
Gefasst schaute sie die Einzelnen an und bedeutete ihnen damit den Raum zu verlassen.

Leicht beleidigt schaute Mayisa zu Ser Davos, welcher bereits an der Tür stand und nur darauf wartete, dass sie ebenfalls den Raum verließ.
Er sah schon an ihrem zerstörerischen Blick, dass sie genau dies nicht vorhatte.
Doch Davos wollte die diplomatischen Beziehungen zwischen der Königin und dem Norden nicht gefährden indem er zuließ, dass Mayisa unfreundlich gegenüber der Königin wurde.


"Mylady ihr könntet dem König etwas wärmendes zu Essen holen, damit er sich stärken kann wenn er aufwacht," schlug der alte Ritter vor.

Mayisa schluckte und sah nun von Daenerys zu dem alten Mann.
Die Spannung, die sie ausstrahlte war überall zu spüren.

"Gewiss, Ser Davos," stimmte sie ihm gezwungen zu.
Mayisa erhob sich, legte den Lappen beiseite und deckte dann liebevoll Jons Oberkörper mit Fellen zu, damit er nicht fror.
Stolz reckte sie den Kopf und verließ, ohne ein Wort an die Königin zu verlieren, den Raum.

Davos schnaufte und sah noch kurz zu der Blonden, als sie sich auf dem Bettrand niederließ und besorgt zu dem erschöpften König blickte.
Die friedlich geschlossenen Augen zogen sie so sehr in den Bann, dass sie kaum zu bemerken schien, dass Ser Davos noch immer im Rahmen stand.

"Entschuldigt bitte Lady Tiryrs Verhalten, Königin Daenerys," meinte er und beugte den Kopf unterwürfig.

Überrascht sah die Königin zu dem alten Ritter, lächelte aber dann friedlich.
"Ich nehme es ihr keinesfalls übel.
Sorgt euch nicht darum."


"Ich danke euch.
Wir schulden euch so viel, dafür dass ihr den Männer zu Hilfe geteilt seid."

Die Königin legte freundlich den Kopf schief und schaute ihn voller Friedlichkeit an.
"Ich würde es immer wieder tun."

Davos nickte dankbar und verließ dann den Raum.














Es waren viele Minuten vergangen seit Mayisa den bewusstlosen Jon mit Daenerys allein gelassen hatte um ihm etwas zu Essen zu holen.
Sie hatte etwas heiße Suppe aufgetrieben und etwas Fleisch hineingeschnitten, damit er sich hoffentlich stärken konnte sobald er aufwachen würde.

Die Schritte zum Zimmer, wo er verweilte, wurden immer schwerer und die Stille immer bedrückender.
Es war als wenn sie etwas aufhielt dort hin zu gelangen.
Aber ihr gefiel es nicht, dass Daenerys allein bei ihm war und sie womöglich sogar das Erste war, was er sehen würde wenn er aufwachte.


Leises Gemurmel war zu Hören, als sie kurz vor dem Raum inne hielt und ihren Gang stoppte.
Jon schien wach zu sein.
Es verwunderte Mayisa zutiefst, dass die Tür noch offen war und somit jeder sie stören konnte.
Sie persönlich hätte sie geschlossen um mit ihm völlig ungestört reden zu können.




"Ihr seid eine beeindruckende Frau, Daenerys.
Es wird mir eine Ehre sein euch an meiner Seite wissen zu dürfen," meinte Jon mit brummiger Stimme.
Mayisa schnappte nach Luft, als sie wieder seine wohlige Stimme hörte und der Klang sie mit solch einer überwältigenden Wärme im Herzen erfüllte, dass sie sich zurück halten musste nicht um die Ecke zu gehen in das Zimmer einzutreten.

"Danke, Jon Schnee," hauchte die Königin mit schwacher Stimme.

Mayisa schluckte, als sie hörte, dass sie die Titel bereits im Umgang miteinander abgelegt hatten und ohne Halt einander mit Namen ansprachen.
Diese Nähe zwischen den beiden gefiel ihr nicht und ließ sie unwohl fühlen.

"Euch ist sicher bewusst, dass viele bereits über eine Allianz reden.
Zumindest meint das Ser Davos durchgehend zu mir," sagte Jon schwach, lachte jedoch dann kurz auf.

"Tyrion erzählte mir ebenfalls von dieser Möglichkeit und ich hätte nichts dagegen einzuwenden, wenn ihr mit gutem Gewissen zustimmen würdet."


Schmerzhaft verzog Mayisa das Gesicht und lehnte sich an die Wand.
Instinktiv legte sie die Hand auf den Mund um ein Schluchzen zu unterdrücken.
Leise begann sie im Dunkeln Tränen zu vergießen.

"Für mein Land würde ich alles tun."

Dieser Satz war simpel und es schmerzte die junge Tiryr im Herzen, weil sie wusste wie wahr diese Aussage war.

"Aber was wird mit eurer Geliebten?"




Geliebten.

Es hörte sich so falsch für Mayisa an, dass es ihr das Herz zerriss.
Sie hielt sich lange Zeit für die einzige Frau in Jons Leben und für etwas besseres als nur eine Geliebte.
Doch im Endeffekt wusste sie, dass sie für Außenstehende nie mehr als nur das gewesen war.



"Ich bin ein treuer und ehrenhafter Mann und werde in meiner Ehe alle Pflichten erfüllen, egal wen ich heiraten sollte."



Mayisa war versucht sich irgendwie wehzutun, in die Hand vor ihrem Mund zu beißen oder das Messer an ihrem Bein hervorzuholen und sich damit das Herz herauszuschneiden.


Doch sie musste stark sein.



Also holte sie tief Luft, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, und lief um die Ecke.



Allerdings war der folgende Anblick zu viel für sie.







Die Tonschüssel mit der Suppe fiel zu Boden.




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