Herrschaft
Das kalte Stahl unter ihren Händen zog sich durch ihren ganzen Körper und verbreitete eine unangenehme Kälte. Jeder Muskel in Mayisa war angespannt. Sie wagte es nicht zur Seite zu schauen. Ihre blauen Augen waren starr nach vorne gerichtet, um jeden Blick mit ihrem Ehemann zu vermeiden. Die Brust war herausgestreckt, das Kinn stolz nach oben gehoben.
Die Königin merkte nicht wie Jon immer wieder zu ihr blickte, während die Wachen den ersten Angeklagten hereinzerrten. Sein braunes Auge musterte sie unentwegt, als ob er sie damit beruhigen wollte, aber Mayisa würde nicht reagieren bis er sie direkt ansprechen würde. Der Blick war ganz auf die Gestalt am Abgang gerichtet. Es war ein mittelalter schmutziger Mann, kaum noch Haare auf dem Kopf. Das Gesicht war bereits voller Falten. Seine Hände waren in Fesseln. Zur Rechten standen mehrere Frau, in unterschiedlichstem Alter, mit allen möglichen Haar und Augenfarben. Jede von ihnen war eine atemberaubende Schönheit.
Die einzelnen Augenpaare waren voller Hass auf den Gefangenen gerichtet, welcher mit aller Macht versuchte nicht zu ihnen zu schauen.
Zur Linken stand eine Mutter mit zwei Kindern. Einem Jungen und einem Mädchen, beide unterschiedlich alt. Sie schauten besorgt zu dem Gefesselten.
Mayisas Augen schwankten zwischen beiden Seiten hin und her.
Dann holte sie tief Luft und blickte fragend zu Davos, welcher augenblicklich seine Königin ansah.
"Seid ihr sicher, dass ihr es auf diese Weise versuchen wollt? Ihr könnt keinem vollkommen gerecht werden," bezweifelte der Zwiebelritter.
"Wir werden sehen, wie sich diese Methode macht," antwortete Mayisa sicher. Jon war vollkommen still geblieben und hatte keinen Mucks von sich gegeben.
Also räusperte Ser Davos sich, zog ein Stück Pergament hervor und entrollte es. "Flavyo Tatos, ihr wurdet der mehrfachen Vergewaltigung bereits für schuldig empfunden. Durch die Aussage mehrerer Betroffener besteht kein Zweifel daran, dass ihr euch gegen ihren Willen an ihnen vergangen haben sollt. Ihr habt nun die Möglichkeit euch zu diesem Befund zu äußern."
"Das waren Prostituierte! Die sind dafür da um Männer zu befriedigen!"
"Das ist eure Verteidigung?", hakte Davos unbeeindruckt nach. "Die Frauen wurden außerhalb des Bordells von ihnen zum Sex gezwungen. Also handelt es hierbei um Vergewaltigungen."
Mayisa musste aufseufzen und schaute vielsagend zu Jon, der bereits den Kopf in die Hand gestützt hatte.
Schon jetzt waren sie genervt und der Mann war nur der erste aller Angeklagten. Aber sie hatten es so versuchen wollen, um gerechter über das eigene Volk zu entscheiden. Vermutlich würde das Paar sich aber etwas Besseres einfallen lassen müssen.
"Männer wie ich haben gar keine Möglichkeit in ein normales Bordell zu kommen! Man sieht mir an, dass ich die teuren Preise nicht bezahlen kann!" Flavyo Tatos wetterte, als ob er das Opfer bei dieser Anklage wäre.
Mayisa musste schon wieder laut ausschnaufen, dann verdrehten sich genervt die blauen Augen.
Nun war es der König, welcher sich mit dem Oberkörper nach vorne beugte, um sich dem Mann anzunehmen. "Warum sucht ihr überhaupt nach derartiger Befriedigung? Ihr seid verheiratet, habt eine Frau und Kinder an eurer Seite."
Die Königin wandte langsam den Kopf zu ihrem Ehemann und schaute ihn nachdenklich an. Er erwiderte den Blick kurz, sah jedoch dann wieder zu dem Angeklagten.
Auf dessen Gesicht bildete sich eine seltsame Grimasse. Sein Mund war zu einem gehässigen Grinsen verzogen, die Augen glänzten provokant.
"Euer Gnaden," begann Flavyo scheinheilig, "ihr wisst doch auch wie es ist das Verlangen nach einer anderen Frau zu haben." Das Grinsen wurde breiter. Jons Auge fiel ihm beinahe aus der Augenhöhle heraus. Er konnte im Blickwinkel sehen wie seine Frau die Finger verkrampfte.
Darauf musste er schlucken.
"Wagt es ja nicht euch mit dem König zu vergleichen!" Mayisa war aufgestanden und blickte auf Flavyo hinab, als ob er ein Stück Pferdescheiße wäre.
Der Mann lachte amüsiert. In der Königin begann es zu brodeln. Er nahm sie überhaupt nicht Ernst.
"Ich kann mich sehr wohl mit eurem geliebten Ehemann vergleichen.
Schließlich haben wir beide Ehefrauen, die an unsrer Seite bleiben egal welcher Demütigung wir sie bereits ausgesetzt haben."
Mayisa blinzelte ungläubig, als Flavyo ein weiteres hässliches Lachen von sich gab.
"Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit für eure Provokationen!", meldete Jon sich. Das Königspaar sah einander an, dann zu den vielen Frauen, welche bis jetzt keinen Mucks von sich gegeben hatten. Mayisa schaute jeder Einzelnen ins Gesicht. Sie wünschte sie könnte es rückgängig machen, dass ihnen das angetan wurde. Aber diese Macht hatte sie leider nicht. Ihre Beine wurden weicher und weicher, je länger die blauen Augen auf den eingeschüchterten Gesichtern lag. Es durchzog sie ein unangenehmer Schauer. Sie versuchte sich nicht an das zu erinnern, was ihr einst passiert war. "Jon," drehte die Königin sich um. Ratlos sah sie in das vernarbte Gesicht ihres Mannes. "Entscheide du, ich bin voreingenommen." Mit einem Seufzer ließ sie sich wieder in den Thron sinken. Der König nickte nur. Sein Blick widmete sich nun wieder ganz dem Angeklagten. Lange starrte Jon dem Mann entgegen. Es war eine angespannte Stille enstanden, die keiner durchbrechen wollte. Besonders, da es der König war, welcher so lange nachdachte.
"Exekution!", sprach der Targaryen sein Urteil aus. Die Stille verschwand, lautes Durcheinander entstand. Die betroffenen Frauen seufzten erleichtert auf, froh darüber wenigstens etwas Gerechtigkeit zu bekommen. Flavyo selbst brüllte lautstark mehrere Beleidigungen, während er von den Wachen weggezogen wurde, um wieder in den Kerker zurückzukehren.
Doch, als Jon zur Linken guckte, musste er stark schlucken. Die Ehefrau hielt weinend ihre Kinder im. Arm, welche sich verzweifelt an ihre Mutter drückten. Ihm war danach wieder alles rückgängig zu machen. Aber da legte sich behutsam eine warme Hand auf seine. Des Königs Blick erhob sich. Zwei blaue Augen strahlten ihm entgegen. Mayisa schaute ihm ernst ins Gesicht, nickte jedoch dann zustimmend. "Es erfordert Mut solch ein Urteil zu fällen," meinte sie. "Ich werde ihm eigenhändig den Kopf abschlagen," meinte Jon entschlossen. "Dafür ist keine Zeit. Wir haben einen-"
"Ich werde es machen," wiederholte er sich. "Ein Mann der das Urteil fällt, sollte es auch vollziehen. Das ist es was mein Vater mir beigebracht hat."
Er hielt inne. Seine Stirn runzelte sich. "Also Eddard Stark."
"Ich weiß," meinte Mayisa ruhig.
"Trotzdem hatte er Recht," brummte Jon nach einigen stummen Augenblicken. Das Königspaar bemerkte gar nicht, was um sie herum geschah. Die nächsten Opfer standen bereits bereit, ebenso die Angehörigen des Angeklagten.
"Wer hatte Recht?"
"Flavyo Tatos. Er hatte Recht."
"Womit?", fragte Mayisa weiter.
Jon seufzte einmal mehr. Sein Kiefer hatte sich angespannt. Der Blick war wieder ganz woanders. Man wusste nicht wo, aber definitiv nicht im Roten Bergfried. "Die Statue wird nicht fertiggestellt werden. Ich werde dich nicht damit demütigen."
Mayisa schaute ihn lange von der Seite an. Ihre Gesichtszüge waren ein wenig weicher geworden, doch der Mund blieb geschlossen. Sie hielt inne und beobachtete ausgiebig ihren Ehemann.
"Und du hast auch Recht," setzte der König seine Rede fort. "Natürlich hast du das," seufzte er.
"Ist dir das gerade eben aufgefallen, weil dich dieser Mann auf deine Affäre mit Daenerys angesprochen hat?" Vorwurfsvoll zogen ihre Brauen sich nach oben.
"Das war keine Affäre," versuchte Jon sich zu wehren. Die Königin schnaufte angespannt. Ihr Kopf wandte sich wieder nach vorne.
"Wir müssen die Verhandlung fortsetzen." "Mayisa, wir müssen das aufarbeiten," kam der Targaryen wieder auf das Thema zurück.
"Es scheint, als ob wir niemals richtig darüber geredet hätten."
Wieder seufzte die Königin. Ihre Finger krallten sich nicht mehr ganz so sehr in den Thron, trotzdem wirkte sie ganz und gar nicht entspannt.
"Jon. Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt."
"Es warten sowieso alle auf uns.
Wir suchen uns aus wann der richtige Zeitpunkt ist."
Der König lächelte seine Frau vorsichtig an, doch sie reagierte kaum. Ihre Augen waren auf den nächsten Angeklagten gerichtet.
"Später. Vielleicht später. Dann reden wir darüber," schlug sie vor.
Unzufrieden schaute der König über all die Anwesenden. Die ganzen Wachen, die Zeugen, die Opfer, der Gefangene und die Berater neben ihnen. Dann fasste er einen Entschluss. "Raus! Alle raus hier!"
Verwundert beugte Davos sich zu seinem König, Mayisa schnappte empört nach Luft. "Morgen fahren wir fort," fügte der Targaryen noch hinzu. Energisch wehte er mit der Hand in der Luft, worauf ihm alle gehorchten und den Thronsaal verließen. Nur Geist blieb neben seinem Thron liegen und rührte sich nicht von der Stelle. Der Wolf wusste, dass nicht er gemeint war.
Mayisa war inzwischen aufgestanden, hatte die Arme verschränkt und ihrem Ehemann den Rücken zugewandt. "Also reden wir darüber," brummte sie. "Ich sehe das nicht als Affäre an. Und zu deiner Information hatten wir nur einmal-"
"In Ordnung!", unterbrach die Königin ihn. Sie hatte stoppend ihre Hände nach oben gehoben. "Entschuldige," meinte Jon sanft.
"Es ist damals eben alles falsch gelaufen," fuhr er fort.
"Deine Pflichtgefühle haben dich übermannt. Genau wie bei deinem. Vater. Und da ist auch alles in einem Chaos ausgeartet."
"Du redest von Eddard."
"Natürlich. Von wem auch sonst?"
"Von Rhaegar."
Nun drehte die Königin sich zu ihm.
Ihre blauen Augen musterten ihn eindringlich. "Natürlich rede ich von Eddard Stark. Und nicht von Rhaegar Targaryen."
Jon rieb sich die Schläfen. "Wir waren bei Daenerys und nicht bei meinen Vätern." "Bei deiner Tante waren wir also," wandte die Königin ein. Er nickte nur.
"Danke, dass du die Statue nun doch nicht machen lassen willst."
Jon gefiel nicht, dass ihre Stimme noch genauso kalt war wie zuvor. Er kannte diese Eigenart von ihr nur zu gut und wusste auch, dass er sie nur durch Besänftigung wieder beruhigen konnte. "Ich werde mich nie oft genug dafür entschuldigen können, dass ich damals gedacht habe es wäre die einzige Möglichkeit Westeros vor der drohenden Gefahr zu schützen. Es war ein Fehler meine Pflichten über meine Liebe zu dir zu stellen und Daenerys' einfach nach der Pfeife zu tanzen."
Mayisa presste die Lippen aufeinander. Dann drehte sich ihr schlanker Körper zu ihm und ihre Füße machten ein paar Schritte auf ihn zu.
"Ich glaube ich habe dir bereits vergeben, Jon. Mein Leben im Vergleich zu dem Leben aller Menschen in Westeros... Es war nur logisch sich dafür zu entscheiden die Drachenkönigin für sich zu gewinnen. Und das wusste ich. Dem wollte ich nicht im Weg stehen. Natürlich ändert das nichts daran, wie sehr es mich verletzt hat. Besonders, als du dich in sie wohl auch noch verguckt hast und ich auf einmal wieder nur irgendein Mädchen aus Essos war, dass mal ein Bett mit dem König des Nordens geteilt hat. Aber das ist vergangen. So ist es nun einmal gelaufen und vielleicht ist das auch gut so, sonst wären wir womöglich nicht hier.
Die Sache, die mich an dem Ganzen stört ist, dass du dir nicht bewusst zu sein scheinst, wie sehr mich das damals getroffen hat. Solch ein Gefühl möchtest du nicht spüren, glaub mir. Und als ich hörte, du würdest diese Statue bauen lassen wollen, da habe ich mich darin noch einmal bestätigt gefühlt. Bestätigt darin, dass dir das alles irgendwie mittlerweile egal zu sein scheint."
Mayisa war einige Meter vor ihrem Mann stehen geblieben. Prüfend wurde er von den blauen Augen durchgebohrt. Jon nickte mehrmals. Er trug ein ernstes Gesicht, sog jedes ihrer Worte in sich auf um sie besser zu verstehen.
"Wir sind jetzt König und Königin von Westeros. Wir müssen zusammenarbeiten, sonst überleben wir das nicht. Und du hast Recht damit, dass ich meine Fehler von damals verschweige, das tut mir ehrlich leid. Ich werde versuchen mich darin zu bessern.
Doch möchte ich eines noch anmerken, Liebste. Wir sind jetzt eine Einheit. Zumindest müssen wir so handeln und agieren. Wir müssen uns zügeln und an das große Ganze denken. Das Land. Die Leute. Ich verspreche dir keine Geheimnisse mehr vor dir zu haben. Im Gegenzug musst du aber auch daran denken nicht zu sehr auszurasten.
Ich liebe dein Temperament, mein Herz, aber wenn es um Politik geht ist es kaum hilfreich. Wir müssen beide schauen, nicht unsere Gefühle mit uns durchgehen zu lassen. Denn nur so kann es funktionieren."
Lange schaute das Paar einander in die Augen. Es vergingen schweigende Augenblicke, in welchem jeder wohl alles noch einmal sacken ließ.
Mayisa nickte dann sanft und zwang sich ein liebes Lächeln auf, Jon atmete erleichtert aus. Auf einmal liefen beide aufeinander zu und fielen sich in die Arme. Sämtliche Spannung verschwand von beiden Körpern. Der König legte sanft seine Hand an ihren Hinterkopf, als sie sich an seine Brust drückte und friedlich die Augen schloss. Den rechten Arm schlang er schützend um ihre Taille, um sie noch etwas näher an sich zu ziehen.
Ihre blauen Augen öffneten sich wieder, der Kopf hob sich nach oben.
Lange musterte Mayisa das Gesicht ihres Ehemannes. Schließlich lächelte sie ehrlich und er legte die Lippen auf ihre.
Vielleicht werde ich tatsächlich vor Beginn der achten Staffel fertig. Wäre doch mal was haha
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