Geheimnisse
Leise und wohlig hallten die sanften Schritte von Königin Daenerys im langen Gang wieder.
Es waren die einzigen Geräusche, die die Steine von sich gaben und es strahlte etwas Beruhigendes aus.
Ruhe war etwas Kostbares in diese Zeiten.
Für Daenerys war es selten und ungewöhnlich komplett alleine zu sein und ohne Wachen in den Gängen umherzuwandern.
Ihr Weg zu ihrem eigenen Gemach würde sie durch die ganze Burg führen.
Bewusst hatte sie das Zimmer ausgewählt, in welchem sie geboren wurde.
Sie hatte sich die Ankunft auf Drachenstein anders vorgestellt.
Daenerys hatte andere Gefühle von ihrem Körper erwartet.
Als sie die Hallen zum ersten Mal betrat hatte es sich nicht wie Heimat angefühlt.
Alles was sie sich je gewünscht hatte war nach Westeros mit einer mächtigen Armee zu gelangen.
Nun war sie auf Drachenstein und fühlte sich wie eine Fremde in ihrer eigenen Haut.
Auf einmal wurden ihre Ohren hellhörig.
Sie vernahm ein Gemurmel zweier Stimmen und verlangsamte vorsichtig ihren Gang.
Neugierig blieb sie an der Tür stehen, die nur einen Spalt weit offen stand und das Gerede der beiden Personen preisgab.
Leise schaute sie umher und versuchte etwas zu erkennen.
Es war komisch als Königin, Herrin von Drachenstein, an einer Tür zu lauschen um herauszufinden wer sich dort befand.
"Das Treffen lief komplett schief und überhaupt nicht wie geplant," brummte eine männliche Stimme niedergeschlagen.
Daenerys schluckte und machte leise einen Schritt zurück, weil sie erkannte, dass es die Stimme des König des Nordens war.
Sie biss sich verlegen auf die Lippe und war hin und her gerissen.
Sollte sie bei einem Gespräch lauschen?
"Du hast dein Bestes gegeben, Jon.
Sei nicht so streng mit dir selbst.
Du kannst nicht mit nur einem Gespräch eine Fremde davon überzeugen, dass im hohen Norden die Toten auf uns zu marschieren."
Die weibliche zarte Stimme, kam Daenerys unbekannt vor.
Noch nie hatte sie solch eine Stimme gehört und konnte sie somit auch keinem Gesicht zuordnen.
Sie runzelte die Stirn und wollte gerade weitergehen, doch da meldete sich der König wieder zu Wort:
"Ich versage.
Ich habe so viele Entscheidungen getroffen und in allem habe ich versagt.
Ich ließ die Wildlinge die Mauer passieren um ihnen ein sicheres Leben zu gewähren, und wurde dafür ermordet.
Ich hätte ohne die Hilfe meiner Schwester gegen Ramsay Bolton verloren und meine Asche würde nun im Wind wehen, ohne sie.
Und nun habe ich wieder versagt und eine Königin verärgert, anstatt sie für unsere Sache zu gewinnen."
Ein tiefes männliches Seufzen war zu hören, worauf einige Schritte folgten.
Die Königin war verwundert.
War es eine Metapher von der Frau gewesen, zu sagen, dass er ermordet wurde?
"Liebster bitte sei nicht so zu dir.
Ich sehe das vollkommen anders und bin nicht von Selbstkritik geblendet.
Für mich bist du kein Versager.
Du bist der einzige König, dem ich je folgen werde."
Liebster?
Verwundert krümmte Daenerys die Brauen und trat einen Schritt vorwärts um zu versuchen durch den Spalt zu sehen.
Doch das Paar schien sich schräg hinter der Tür zu befinden, unerreichbar für die Sicht der Königin.
Ihr war klar was diese Worte bedeuteten.
Jon Schnee hatte eine Geliebte.
"Du bist zu gütig zu mir, mein Engel.
Wofür habe ich dich nur verdient?"
Daenerys konnte ein Schmunzeln aus seiner verliebten Stimme hören und einer der beiden schien aufgestanden zu sein.
"Du unterschätzt dich viel zu oft, mein Wolf.
Dein Herz ist aus Gold und Herzlichkeit.
Bitte denke nie wieder schlecht über dich...," murmelte das Mädchen.
Leicht lächelnd schaute Daenerys mit gefalteten Händen zu Boden.
Sie schienen sich wirklich zu lieben.
Innig.
Beide schätzten und bewunderten einander.
In beider Stimmen lag so viel Vorsicht und Liebe, dass Daenerys beinahe neidisch wurde.
Sie hatte sich schon immer jemanden gewünscht, den sie vom tiefsten Herzen von sich aus liebte.
Ihre Liebe zu Khal Drogo war echt gewesen.
Doch war sie selbst gezwungen gewesen sich mit ihm auseinanderzusetzen, da sie gedacht hatte sie würde bis an ihr Lebensende mit diesem Mann verbunden sein.
Sie hatte keine andere Wahl gehabt.
Daario Naharis war ein Zeitvertreib gewesen.
Sie hatte ihn sehr gemocht, doch hatten sie nie Worte wie diese ausgetauscht.
Es lag nie so viel Liebe in ihren Stimmen.
Daenerys wusste, dass er ihr mehr verfallen war, als sie ihm, doch ließ sie ihn weiterhin zu ihrer eigenen Befriedigung nachts zu sich kommen.
Vielleicht hätte sie aus Respekt ihm gegenüber dieses Verhältnis früher beenden sollen.
"Ich wünschte wir hätten uns in einer besseren Zeit kennengelernt," murmelte Jon Schnee.
"Wann haben wir denn eine bessere Zeit?
Schon immer gab es Kriege."
"Doch war es nie so kompliziert."
Ein Rascheln war zu hören.
Daenerys sah am Türspalt das Mädchen vorbeilaufen und hielt für einen Moment die Luft an, weil sie ihr bekannt war.
Es war die hübsche Lady, die der König als seine Beraterin vorgestellt hatte.
Offensichtlich war sie mehr als das.
Daenerys hatte keine Ahnung, was sie mit dieser Information anfangen sollte und beobachtete weiterhin die junge Lady.
Sie schien etwas einzuschenken und nahm dann einen Schluck aus dem Krug.
Jon Schnee war zu ihr gelaufen und sie gab ihm ohne zu Zögern das Gefäß.
"Kompliziert?"fragte sie nach und legte den Kopf schief.
Der König trank ein wenig und setzten dann den Krug ab.
Vorsichtig legte er die Hände an ihr Gesicht und betrachtete sie sanft.
Gebannt blickte Daenerys zu wie liebevoll und respektvoll er mit Mayisa Tiryr umging.
Es gab nicht viele solcher Männer.
"Wir haben zwei Königinnen die sich gegenseitig bekriegen.
Der Norden möchte sich nicht in den Krieg einmischen, sondern die Lebenden vereinen um gegen den wahren Feind zu kämpfen.
Doch beide dieser Königinnen sind niemals in ihrem Leben im hohen Norden gewesen und können sich nicht vorstellen was dort lauert.
Wir müssen also zwei hassende Feinde miteinander vereinen und sie dann noch von der Existenz der Toten überzeugen."
Daenerys hörte Lady Tiryr leise kichern und sie erblickte wie das Mädchen ihren Geliebten völlig vernarrt ansah.
"Du scheinst in den aussichtslosesten Momenten noch Hoffnung zu schöpfen," murmelte er fasziniert.
Sie blickte innig zu ihm hoch und lächelte hingerissen.
"Deine Stimmlage war so monoton, dass ich einfach Schmunzeln musste."
Nun lächelte er auch leicht und strich dann mit einer Hand eine Strähne aus ihrem Gesicht.
"Du bist so stark und hast ein bewundernswertes Durchhaltevermögen.
Ich bin dir so dankbar, dass du es an meiner Seite aushälst."
"Du bist sehr schön anzuschauen und Frauen können Gerede von Männern gut ausblenden," provozierte sie ihn und blickte ihn frech an.
Er lachte herzlich auf und legte dann ohne Vorwarnung seine Lippen auf ihre.
Erschrocken wich Daenerys einen Schritt zurück und schüttelte den Kopf über sich.
Sie vernahm leidenschaftliche Geräusche und Rascheln.
Im Türspalt konnte sie sehen wie das Paar auf das Bett gefallen war und sie sich eng umschlungen liebkosten.
Die Hände von Jon Schnee wanderten vorsichtig hinab zu ihren Beinen um unter ihr Kleid zu greifen.
Ruckartig stockte der König und löste sich aus dem innigen Kuss.
Er zog die Hand hervor und ein Messer kam zum Vorschein.
Daenerys riss die Augen auf und schaute entsetzt zu dem Paar.
Hatte sie nicht angeordnet ihnen alle Waffen abzunehmen?
Doch Jon's Blick schien ebenfalls völlig entsetzt und seine Mimik entglich seiner Kontrolle.
Die Lady setzte sich auf und sie setzte an um etwas zu sagen.
Allerdings unterbrach ihr König sie:
"Ein Messer?"
Entsetzt schaute er sie an und hielt den Griff der Waffe fest in seiner Hand.
Mayisa Tiryr schluckte und wollte danach greifen, doch Jon hielt es hinter seinem Rücken.
"Ich..."
"Alle Waffen sollten an Daenerys Targaryen übergeben werden!
Auch dieses Messer!"
Seine Stimme war ruckartig energisch und herrisch geworden, dass die Königin ein wenig stutzig wurde.
"Jon...," setzte die Lady erneut an und holte tief Luft.
"Du weißt, was passiert wäre wenn das jemand von denen herausgefunden hätte?"
Sein Gesicht war fuchsteufelswild und sein Atem begann sich tobend zu beschleunigen.
Mayisa biss sich auf die Lippe und schaute demütig zu dem wütenden König, als er sich vom Bett erhob und somit von ihr abließ.
"Ich habe es immer bei mir," murmelte das unsichere Mädchen.
Daenerys legte den Kopf schief und wusste nicht was sie davon halten sollte.
"Ich habe Langklaue auch immer bei mir!
Trotzdem habe ich es ohne Widerworte abgegeben!
Wir müssen das Vertrauen von dieser Königin gewinnen!"
"Ich bin mir dessen bewusst...," flüsterte sie mit gesenktem Kopf.
"Warum also, tust du soetwas?"
Rasend hob er die Hände.
Daenerys hielt die Luft an, weil sie dachte er würde der Lady eine Ohrfeige verpassen, doch schlug er nur gegen die Wand.
"Ich fühle mich hier nicht sicher unter all diesen fremden Eindringlingen.
Es sind 8000 Unbefleckte hier und noch dazu Dothraki!
Das macht mir Angst.
Ich möchte mich irgendwie verteidigen können, wenn einer dieser Männer handgreiflich wird."
Jon öffnete seine Haare und fuhr sich durch die schwarzen Locken.
Er kratzte sich nachdenklich am Kopf und begann unruhig im Raum herumzulaufen.
"Ich fühle mich unsicher, alleine in meinem Zimmer!
Es ist nicht einmal in deiner Nähe!"
"Jaja," brummte der Mann überlegend.
"Das Messer wäre versteckt geblieben, außer ich hätte es jemals benötigt."
Jon brummte und räusperte sich.
Nun war er nicht mehr sichtbar für Königin Daenerys.
Er schien stehen geblieben zu sein.
Man konnte nur noch das verzweifelte Gesicht der Lady sehen, welche auf dem Bett verweilte und ihren Geliebten sehnsüchtig anblickte.
"Ich kenne keinen ihrer Soldaten.
Du hast Recht, dass manche Kämpfer junge Frauen gegen ihren Willen einfach anrühren.
Doch dich werden sie nicht anfassen.
Sie wissen, dass du eine meiner engsten Vertrauten bist und ohne Probleme mir davon berichten könntest.
Und ich bin mir sicher, dass die Soldaten wissen, dass sie der Tod erwarten würde, wenn Daenerys davon erfährt."
"So schätzt du sie ein?"
"Alle Beteiligten brauchen Zeit um sich ein Bild von einander zu machen.
Doch weiß ich bereits, dass sie besser ist als Cersei und das ganze übrige Pack in Königsmund."
Ein Lächeln erschien auf dem Mund der Lady und Daenerys runzelte die Stirn.
"Sie ist beeindruckend," meinte sie mit friedlicher Stimme.
Nun war der König wieder zu sehen.
Er griff nach der Hand der Frau und zog sie zu sich.
Schützend umklammerte er ihre Taille mit seinem starken Arm.
Beide blickten sich tief in die Augen.
"Nicht so beeindruckend wie du," hauchte er.
Augenblicklich landeten seine Lippen an ihrem Hals und er küsste sie dort leidenschaftlich.
Lady Tiryr entwich ein lüsternes Stöhnen und sie schloss genussvoll die Augen.
Daenerys biss sich auf die Lippen und ging mit leisen Schritten den weiteren Gang entlang.
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Zwei Kapitel heute.
Feel blessed!
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