Erwachen
Es waren Stunden vergangen, seit die Sonne aufgegangen war.
Sansa hatte sich mittlerweile Sorgen um ihre Freundin gemacht und war deshalb sehr erleichtert gewesen, als diese vor einigen Minuten erwacht war.
Die Rothaarige kam gerade wieder herein, denn sie hatte der Lady eine Schale voll Suppe mitgebracht.
Die junge Frau hatte es nur geschafft sich aufzusetzen.
Wie gerädert verweilte sie am Bettrand.
Das Gesicht war noch immer verzogen.
Sansa konnte sehen wie sehr ihr Körper schmerzen musste, wenn sich ein Muskel quälend bewegte.
Nun trug Mayisa nur noch das Nachthemd, was ihre Blutergüsse, Flecken und Schürfungen, ans Licht brachte.
Maester Wolkan, welchen Lady Stark auf Befehl von Jon mitgebracht hatte, schluckte geschockt, als er den Anblick der Schwangeren sah.
Schwach hob sich der Kopf von Lady Tiryr.
Sansa meinte wieder Tränen in den blauen Augen erkennen zu können.
Offenbar hatten ihre nun sichtbaren Verletzungen sie darauf hingewiesen, dass diese schreckliche Nacht tatsächlich passiert war.
Zaghaft ließ Mayisa sich auf den Boden nieder und sie zog eingeschüchtert ihre Beine an den Körper.
Eingekauert lehnte sie den Kopf an die Bettkante und begann erneut wieder zu schluchzen.
Tief vergrub sie sich in die eigenen Arme.
Das klägliche Wimmern fuhr Sansa mit einem Stich durch das Herz.
Heiße Tränen kullerten erdrückend über die weichen Wachen der Lady.
"Mylady, ich bin hier um euch auf Geheiß des Königs zu untersuchen," meinte der weißbärtige Mann mit sanfter Stimme.
Sie schluckte und zog die Beine nur noch enger an ihren Körper an.
Widerwillig schüttelte Mayisa schwefällig ihren Kopf.
Er schmerzte höllisch bei jeder Bewegung.
Die Assasinen hatten ihn mehrmals brutal gegen etwas gestoßen.
"Ich möchte nicht, dass er mich anfässt," wimmerte Lady Tiryr.
Der klagende Ton war herzzerbrechend.
Maester Wolkan machte einen Schritt zurück und blickte ratlos zu der Stark.
Sansa kniete sich zu der Braunhaarigen herunter.
Ihre Augen ließen die verletzte Frau nicht aus den Augen.
Der Gesichtsausdruck der Wölfin zeigte so viel Verständnis, dass Mayisa sich augenblicklich mit ihr verbunden fühlte.
Das Schniefen und Schluchzen war leiser geworden.
"Der Maester möchte sich nur um deinen Körper kümmern und nachschauen ob es dem Kind gut geht."
Die schwarzen Pupillen trafen auf das klare Blau.
Mayisa zitterte noch immer beim Atmen, doch war die letzte Träne bereits geflossen.
"Jon's Kind geht es gut," kratzte die Stimme aus ihrem Mund.
Der Ton war dennoch so kalt, dass Lady Stark für einen Moment stutzig wurde.
Doch sie begriff sofort, was Mayisa gerade dachte.
"Jon ließ ihn schicken um dein körperliches Wohlbefinden zu sichern.
Es ist das einzige, was er inmoment tun kann."
Gequält presste Lady Tiryr ihre Lippen zusammen und krümmte die Nase.
Tief holte die Rothaarige Luft.
"Du weißt genau, dass er sich nicht nur um seinen Erben sorgt, Mayisa!
Du kennst Jon genauso gut, wie ich und weißt deshalb, dass er es hasst untätig rumzustehen.
Am liebsten würde er die ganze Welt verändern, wenn er es könnte.
Doch jetzt sind ihm die Hände gebunden und er kann nicht einmal seiner Geliebten helfen sich besser zu fühlen."
Sansa Stark hielt den Kopf schief.
Ohne auf eine Zustimmung zu warten legte die Rothaarige ihren Hände um den Kopf der Tiryr und sie zog sie vorsichtig in eine schützende Umarmung.
Die Arme schlangen sich mitfühlend um den zerbrochenen Körper.
Sanft und beruhigend strichen ihre Hände über das weiche Haar.
"Ich halte es nicht aus angefasst zu werden," murmelte Mayisa schnippisch.
Ihr Körper regte sich angespannt, worauf Lady Stark sie augenblicklich losließ.
Die Rothaarige stand wieder auf, doch hatte sie noch immer diesen besorgten Ausdruck in ihrem Gesicht, wenn sie ihre Freundin anschaute.
"Mylady, könnt ihr euch daran erinnern in den Bauch getreten worden zu sein?"
Maester Wolkan machte zaghaft einigr Schritte auf die Ladys zu.
Der Mund hasteteverzweifelt nach passenden Worten.
"Meinem Bauch geht es gut," schnaufte die Tiryr.
Ihre Augen starrten stumm ins Leere.
"Das ist die einzig schmerzfreie Zone."
Sansa tauschte kurz einen Blick mit dem Maester aus, bevor sie diesen dann mit einer Handbewegung fortschickte.
"Du wirst lange genug Zeit haben dich von allem zu erholen.
Jon wird in Kürze mit der Armee für Wochen, oder Monate, aufbrechen um den Krieg zu führen.
Solange werde ich Winterfell führen, mit dir an meiner Seite."
Endlich erhob sich die Schwangere.
Ihre kalten Hände fuhren durch das dichte, vom Schlaf zerzauste, Haar.
"Er wird gehen?"
Sansa nickte bloß.
Rasch lief sie zu eine der Truhe, in welcher einige Kleider aufbewahrt wurden.
Sie kramte nach verschiedenen Stücken, bis sie endlich ein hochgeschlossenes fand.
Vorsichtig zog Lady Stark es heraus.
"Es bedeckt den Hals nicht," bemängelte Mayisa die Auswahl.
Verschlossen verschränkten sich ihre Arme.
"Zieh es einfach an," gab die Stark ratlos zurück.
Lady Tiryr seufzte, nahm ihr jedoch dann das Kleid entgegen.
Ihre Finger machten sich daran die Schnüre zu öffnen.
Sansa war ein wenig schockiert darüber, wie widerstandslos Mayisa zum normalen Alltag überging.
Vor einigen Minuten war sie noch tränenüberströmt am Boden gesessen.
Und nun waren die Augen völlig trocken, der Körper aufgerichtet.
Sansa wusste wie wertlos und gebrochen sie sich fühlen musste.
Mayisa zog das andere Kleid über die nackte Haut und begann den Stoff wieder festzuschnüren.
Sansa lief zu ihr, um mit schnellen Fingern zu helfen.
Es klopfte an der Tür, doch ohne Abzuwarten kam der König herein.
Jon hatte einen behutsamen Blick auf dem Gesicht, als er Mayisa und seine Cousine erblickte.
Sansa schaute kurz auf, nickte ihm zu, konzentrierte sich jedoch dann wieder auf das Kleid.
Mayisa hatte den Kopf zu ihm gedreht und schluckte.
Jon traf es tief im Herz, als er nicht wie üblich diesen glänzenden Ausdruck in ihren Augen erspähen konnte.
Viel mehr war dort die Angst, welche sich in dem klaren Blau abspielte.
"Mein König...", murmelte Lady Tiryr.
Der Targaryen schaute sie noch immer voller Sorge an, besonders jetzt da er alle Schürfwunden und Flecken an ihrem Rücken erkennen konnte.
"Sansa würdest du uns bitte alleine lassen?", fragte der Drache mit ernstem Blick.
Die Rothaarige nickte nur kurz und verschwand dann aus dem Gemach der Lady.
Mayisa nahm eines der Lederbänder und schnürte ihre weichen braunen Haare zusammen.
Instinktiv legte sich eine ihrer Händen auf die Wölbung ihres Bauches.
Noch ein letztes Mal schniefte sie auf, bevor ihre blauen Augen dann zu Jon blickten.
"Wie geht es dir?", brummte es tief aus seiner Kehle.
Rasch hatte er die Tür hinter sich geschlossen, doch hielt er sicherheitshalber noch Abstand vor ihr.
Jon wollte sie sehnlichst in den Arm nehmen oder ihr tausend Mal sagen, dass er immer für sie da sein würde.
Doch erschlich ihn augenblicklich der Gedanke, dass das alles womöglich noch schlimmer machen würde.
Mayisa hatte nicht mehr diese stolze Haltung oder diesen mutigen Ausdruck in ihren Augen, in welchen sich der König einst verliebt hatte.
Diese Männer schienen ihr jegliche Zuversicht genommen zu haben.
"Wieso starrst du mich so an?", fragte die junge Lady.
Sie zurrte die Schnürungen noch etwas fester, als zuvor.
Für einen Moment musterte der Targaryen begierig ihren Körper und geriet in die Versuchung die Hände auf ihre Taille zu legen und sie an sich zu ziehen.
Aber er wusste, dass allein seine Berührung, die Hände einen Mannes, seelische und physische Schmerzen bei ihr auslösen würde.
Er wollte gar nicht wissen wo sie überall Flecken, Blutergüsse, Prellungen und Schürfungen hatte.
"Weil ich dich liebe."
Es war dem Drachen völlig unerwartet herausgerutscht.
Total unpassend in dieser Situation mit diesen Bedingungen, doch er hatte es einfach sagen müssen.
Mayisa hielt kurz die Luft an.
Ihr Gesicht verzog sich gequält, während die Zähne nervös auf ihren Lippen kauten.
Leicht panisch, unter dem Druck dieser Worte, wirbelte die eingeschüchterte Frau herum.
Sie wanderte zu einem der Kommoden in ihrem Gemach und begann die alten aufgebrachten Kerzen auszutauschen.
"Mein Engel, ich bitte dich von tiefstem Herzen eine Untersuchung an dir durchführen zu lassen um sicherzustellen, dass es dem Kind gut geht."
Besorgt schweife das braune Auge zur Wölbung.
"Jon, mir wurde nicht in den Bauch getreten und es fühlt sich alles normal an dieser Stelle an."
Noch immer hatte Mayisa ihm den Rücken zugewandt.
"Ich weiß nicht, was sie alles mit dir gemacht haben und werde dich auch nicht dazu bewegen über diese Verletzungen zu reden, aber ich befürchte, dass im einen oder anderen Moment dein Bauch doch getroffen sein könnte."
Schnaufend wirbelte sie herum, umklammerte jedoch weiterhin das alte Holz der Kommode.
"Wurden bereits Assasinen gefasst?"
Angestrengt rieben sich die starken Finger von Jon Targaryen die Schläfe.
Ihm war bewusst, dass Mayisa geschickt das Thema wechselte.
Er ließ es ihr durchgehen und setzte in sie sein Vertrauen, dass sie wusste wie es um ihren eigenen Körper stand.
"Ja, das ist exakt der Grund, weshalb ich zu dir gekommen bin.
Wenn du bereit bist können wir jetzt gemeinsam hinunter auf den Platz gehen."
"Den Platz?", hakte sie zögernd nach.
Mayisa machte keine Anstalten zu Jon zu kommen, als er ihr seinen rechten Arm hinhielt.
Offenbar sollte sich die Lady darin einhaken.
"Meine Wachen haben die gefesselten Männer alle auf dem großen Platz aufgestellt.
Ich werde gemeinsam mit dir jeden einzelnen von ihnen anschauen.
Keine Sorge, die Bewohner werden nicht anwesend sein, dafür habe ich gesorgt."
Lady Tiryr krümmte ihre Augenbrauen.
Das Blau in ihren Augen musterte den mächtigen Mann vor ihr.
Einige Momente vergingen, ohne dass eine Antwort von ihr kam.
"Was ist?", schmunzelte Jon leicht belustigt, da sie ihren starren Blick nicht von ihm abwandte.
"Dir fehlt eine Krone."
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