Ein schockierender Fund
Einsam stand Mayisa auf der Mauer. Sie blickte nachdenklich in die Ferne und sah die friedlich wirkende Landschaft an. Sie wusste, dass der Schein nur trügte. Viel zu viel Grausamkeit spielte sich in den Landen ab. In den Jahren in Westeros hatte sie mehr Eindrücke gesammelt, als in ihrem restlichen Leben in Volantis. Es war anders hier, als in Essos.
Noch genau konnte die junge Frau sich an ihr Haus erinnern. Wie es eingerichtet war. Welche Farbe es hatte und wie die Stimme im Hof von den Mauern zurückhallte.
Sie vermisste es. Sie vermisste die Sicherheit, die sie dort verspürt hatte. Nie hatte sie um ihr Leben fürchten müssen. Ihre Mutter liebte sie von ganzem Herzen und ihr Vater kümmerte sich stets um den Schutz seiner Frau und seiner zwei Kinder.
Mayisa erinnerte sich gern an die unbekümmerten Jahre. Sie waren viel zu schnell vorüber gegangen.
Mayisa dachte daran wie glücklich sie gewesen war und wie viel sie gelacht hatte. Ihr Vater machte viel Blödsinn mit ihr und ihrem älteren Bruder.
Als eine Krankheit die Stadt befallen hatte, traf es zuerst die armen Leute in den dreckigen Vierteln. Mayisa hatte das erste Mal Angst in ihrem Leben verspürt. Sie war dabei gewesen, als ihre Mutter mitten auf dem Markt zusammengebrochen war. Sie hatte gesehen wie die Krankheit ihr das Leben aussaugte. Schlagartig war sie blass geworden. Jegliche Farbe und Freude war aus ihrem Gesicht verschwunden.
Keiner hatte ihrer Mutter aufgeholfen. Mayisa, damals 7 Jahre alt, war verzweifelt daneben gestanden. Noch heute konnte sie den Schock in ihren Gliedern spüren. Das kleine Mädchen hatte verzweifelt nach ihrem Vater gerufen.
Er war drei Stände weiter Fleisch kaufen gegangen. Rasch war er herbeigelaufen.
Sie hatte ihren Vater noch nie so emotional gesehen. Alle Hoffnung schien in diesem Moment aus ihm zu verschwunden zu sein. Ohne zu zögern hatte er seiner geliebten Frau geholfen aufzustehen um dann zu dritt nach Hause.
Von da war Unglück über Haus Tiryr gekommen.
Ihr Vater hatte Mayisa und ihren Bruder Voryras sofort zu Talisa's Familie gebracht.
Sie hatten sie aufgenommen wie ihre eigenen Kinder.
"Ihr solltet nicht hier oben sein, Mylady."
Die junge Frau drehte sich um und sah in das Gesicht von Ser Davos Seewert. "Wieso nicht?"
"Es ist schon dunkel und wird noch kälter hier oben. Kommt mit mir herunter. Der Lord Kommandant möchte euch mit seinem Wolf vertraut machen.''
Sie seufzte widerwillig, folgte ihm jedoch dann.
Der klapprige Holzaufzug fuhr sie herunter und Davos führte sie in ihr allzu bekanntes Zimmer.
Jon Schnee stand schon in ihrem Raum. Der riesige Wolf lag friedlich neben ihrem Bett.
Kritisch sah sie Mayisa zu dem schneeweißen Tier.
"Er wird euch nichts tun, Mylady," versuchte Jon das Mädchen zu beruhigen. Der besorgte Blick auf ihrem hübschen Gesicht war ihm sofort aufgefallen.
Er merkte, dass sie Angst hatte und sich unwohl fühlte.
"Geist ist ein Schattenwolf. Er spürt welche Person Freund oder Feind ist.
Er wird euch verteidigen, falls nötig."
Sie setzte sich vorsichtig aufs Bett und sah unsicher zu Davos und Jon.
"Ich denke wir brauchen alle etwas Schlaf. Habt eine erholsame Nacht, Mylady." Jon lächelte leicht, bevor er mit Ser Davos aus dem Zimmer verschwand und die Tür schloss.
Mayisa hörte etwas kratzen. Es war nervig und sie wollte, dass es aufhörte, um weiterschlafen zu können. Ihr Körper wendete sich und sie öffnete ein Auge um nach Geist zu sehen. Ruckartig schreckte Mayisa hoch, weil der Wolf nicht an seinem Platz lag. Sie atmete schwer und schaute sich um. Geist war an der dicken Holztür und kratzte wie verrückt am Holz. Er gab ein klägliches Winseln von sich, welches dann von einem Knurren abgelöst wurde.
"Geist!"
Sie sah aufmerksam zu dem Wolf und stand auf. Offensichtlich stimmte etwas nicht.
Das Tier blickte mit seinen blutroten Augen zu ihr und winselte wieder.
Mayisa war es unheimlich, weshalb sie zur Tür schaute.
"Was ist los? Ist dort draußen etwas?"
Er kratzte weiter an der Tür.
Die junge Frau wollte sie nicht öffnen.
Sie wollte lieber hier in Sicherheit bleiben. Ihr Atem beschleunigte sich und sie schloss die Augen um sich zu konzentrieren. Was sollte sie nun machen?
"Sei leise. Ich muss nachdenken."
Mayisa öffnete verwirrt die Augen, als es wirklich still war. Er hatte aufgehört an der Tür zu kratzen.
"Okay. Ich werde die Tür öffnen. Aber du bleibst an meiner Seite. Verstanden? Wir schauen gemeinsam nach, was dort draußen los ist."
Rasch warf sie sich ihren Wildlingsmantel über und wühlte in ihren Sachen, bis sie ihr Messer fand.
Mit schnellschlagendem Herzen öffnete die Lady so leise wie möglich die Tür. Überraschenderweise blieb der Wolf, wie ein zahmer Hund, an ihrer Seite. Sein weiches weißes Fell streifte ihre Beine.
Vorsichtig machte sie einen Schritt hinaus, das Messer fest in der Hand.
Geist lief vor ihr und sie folgte ihm den Holzsteg entlang.
Ihr Herz raste wie verrückt. Sie wusste nicht was dort lauerte.
An der Treppe, hinunter zum Innenhof, blieb der Wolf stehen.
Auch Mayisa machte Halt.
Plötzlich warf der Wolf seinen Kopf in den Nacken und gab ein Heulen von sich.
Das Mädchen schreckte zusammen. Ihre Augen waren weit aufgerissen.
Wie ein Blitz begab sich Geist hinunter in den Schnee und lief mit schnellen Schritten in die Ecke des Hofs. Rasch ging Mayisa ihm hinterher.
Als sie sah, vor wem sie da stand riss sie die Augen noch weiter auf und unterdrückte eine Schrei.
Sie bekam eine Gänsehaut. Tränen schossen in ihre blauen Augen.
Mayisa hielt den Atem an und verzog schmerzhaft das Gesicht.
Sie starrte in die starren, toten, braunen Augen von Jon Schnee.
Er lag reglos am Boden.
Ringsherum um ihn war der Schnee mit Blut getränkt. Seine Kleidung hatte mehrere Stiche.
Mayisa fing an zu zittern, während Geist an ihm schnüffelte und ihn anstubste. Sie kniete sich neben seinen toten Körper und sah geschockt zu der Leiche.
"Das kann nicht wahr sein...," flüsterte sie zu sich.
Die junge Frau schüttelte fassungslos den Kopf und sah traurig in sein Gesicht.
Es waren weitere Schritte zu hören.
Davos, Tormund und einige andere Männer hatten wohl auch bemerkt, dass etwas nicht stimmte.
Geschockt standen sie ringsrum um sie herum. Mayisa kniete neben der Leiche, erhob sich jedoch zaghaft, als alle Männer um sie herumstanden.
"Nein...," gab einer der Männer von sich. Alle schnauften und ihre Herzen schienen um die Wette zu rasen.
Mayisa senkte den Kopf und sah traurig auf den Boden.
"Wie habt ihr ihn gefunden?"
Tormund's sonst so starke Stimme war gedämpft.
"Sein Wolf hat ihn gefunden."
Die Lady erhob sich und schaute zu Davos. Der alte Ritter schenkte dem Mädchen einen traurigen Blick.
Mayisa entwich ein Schniefen und eine Träne floss ihre Wange herunter.
"Nirgends ist man auf dieser verdammten Welt sicher."
Davos schnaufte. Nun sah er zu den Männern. "Na los. Schafft ihn hoch. Hier können wir ihn nicht liegen lassen."
Geist stand neben Mayisa, als die Männer den toten Körper hochhieften, und in das Lord Kommandanten Zimmer trugen.
Beide folgten den Männern.
Die junge Frau nahm auf einem Stuhl Platz. Der weiße Wolf legte sich ihr zu Füßen.
Edd, einer von Jon's Freunden, lief bedacht zu dem Körper. Nachdenklich strich er über die Wunden und verzog schmerzhaft und zugleich wütend das Gesicht, als er das Blut an seinen Händen ansah.
Er sah zu seinem Kopf.
Jon's Augen starrten geradeaus.
Edd legte seine Hand auf das tote Gesicht und schloss die Augen seines Bruders. "Das war Ser Alliser. Definitiv."
Eddison schaute schnaubend zu dem leblosen Körper. "Er hat ihn gehasst. Schon immer."
Davos faltete die Hände.
"Wie vielen deiner Brüder kannst du vertrauen?"
Edd schaute in die Runde und biss die Zähne zusammen.
"Den Männern in diesem Raum."
"Wir sollte nichts überstürzen."
"Nichts überstürzen?",rief einer der Männer laut aus.
"Jon ist tot! Es wird Zeit für Überstürzungen! Oder denkt ihr er hat sich selbst ein Schwert in die Brust gerammt?"
Davos musterte den Mann prüfend, behielt jedoch die Ruhe.
"Nun gut. Wir brauchen alle Hilfe, die wir kriegen können."
Mayisa saß stumm in der Ecke und ließ die Männer diskutieren.
Sie beobachtete mit traurigem Blick, Jon's Wolf.
Hätte Geist nicht auf sie aufgepasst, sondern auf Lord Schnee, dann wäre er vielleicht noch am Leben.
Sie hatte den Lord Kommandanten schon etwas ins Herz geschlossen.
Es traf sie wie ein Schlag ins Gesicht, dass der Tod sich diesen guten Mann genommen hatte.
Sie vermochte sich gar nicht den Schmerz seiner Freunde vorstellen.
Die Männer hatten ihn jahrelang begleitet und kannten ihn um einiges besser als sie.
"Von den eigenen Männern ermordet...so sind die Südländer also."
Tormund starrte auf den Leichnam.
Die sonst so harten Männer wirkten nun schwach und zerbrechlich.
Jeder von ihnen hatte an Jon geglaubt.
Sie hatten ihn als Anführer geliebt und bewundert.
Und nun war er von seinen eigenen Brüdern ermordet worden, weil sie mit einigen Entscheidungen nicht zufrieden gewesen waren.
"Eddison ihr dürft nicht auf Ser Alliser losgehen. Wenn er in der Lage ist seinen eigenen Kommandanten zu ermorden, dann wird er sicher auch kein Problem haben einen von uns zu töten." Davos sah in die Runde.
Ein widerwilliges Nicken und Brummen kam von den Männern.
Dann richtete er sein Blick zu Mayisa.
Sie sah zutiefst betrübt aus und schien jegliche Freude verloren zu haben.
"Tormund. Ihr werdet die Wildlinge formatieren," meinte der Zwiebelritter gedankenverloren.
"Was?"
Eddison schaute verwirrt zu Davos.
"Ich dachte wir halten unseren Mund."
"Denkt ihr wirklich, dass die Mörder nicht dafür bestraft werden sollten?
Sie werden dafür hängen," sagte Davos entschlossen.
Die Brüder sahen sich gegenseitig unsicher an.
Auf einmal hob Edd sein Schwert und rief: "Für Jon!"
Die anderen Männer stimmten euphorisch ein.
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