Ein Gespräch
Jon starrte in die Ferne.
Der eisige Wind peitschte ihm ums Gesicht und wirbelte sein Haar umher.
Seine Füße und Hände waren fest in Fell eingewickelt und er fühlte sich unbeweglich.
Er konnte sich einfach nicht daran gewöhnen.
Jon mochte es mehr,wenn er sich frei bewegen konnte und somit jederzeit zu seinem Schwert greifen konnte.
Er hatte bemerkt,dass die Welt um einiges gefährlicher war, außerhalb der Mauern von Winterfell.
Oft stand er hoch oben auf der Mauer aus Eis, und sah über die Gegend hinweg.
Das Geräusch des Windes beruhigte ihn.
Hier oben fühlte er sich sicher und wohl.
Er konnte hier gut nachdenken.
Jon merkte Schritte hinter sich und wandte sich zu der Person hinter ihm.
Tormund stand dort und sah ihn mit seinem typischen verschmitzen Blick an.
"Ich dachte mir,dass ich dich hier finde."
Tormund trat neben ihn und beide blickten in die Ferne.
Es herschte einige Momente Stille bis der Rotschopf sich räusperte.
"Du weißt was es bedeutet. Das Dokument. Wenn die Unterzeichnung echt ist."
"Sie ist echt. Ich weiß es."
Jon war sich sicher.
Beide Unterschriften hatte er viele Male gesehen. Sein Vater hatte ihm gepredigt sie sich gut einzuprägen.
Jedes kleinste Detail sollte er sich merken um die Unterschriften seiner Familie erkennen zu können.
Seine Unterschrift sollte sich keiner einprägen. Er wusste,dass er niemals wichtige Briefe an seine Geschwister oder seinen Vater schicken würde.
Warum auch?
"Ich kenne die Unterschrift von meinem Bruder. Und die von Lady Stark. Das Dokument ist echt."
Tormund seufzte.
"Wie ich dich kenne wirst du diese Ernennung nicht benutzen, sondern hier in Eiseskälte versauern, während deine Eier abfrieren."
Jon nickte.
"Versprechungen verlieren ihren Wert wenn keiner sie einhält."
"Hätte sich das Walder Frey nur mal gedacht..."
Jon warf ruckartig den Kopf zu Tormund und musterte ihn.
"Was? Denkst du wir Wildlinge bekommen gar nichts mit was der König des Nordens so getrieben hat? Oder was mit ihm geschehen ist?"
"Robb hatte Besseres verdient.
Ein längeres Leben.
Talisa soll eine reizende junge Dame gewesen sein. Gerüchten zufolge sogar schwanger. Er hätte es verdient gehabt eine Familie mit ihr zu gründen."
Ein Seufzen kam von Jon.
Wieder sah er hinaus in die Weite Landschaft und dachte an die tragische Vergangenheit seiner Familie.
Die Familie seines Vater war die einzige, die er je hatte und obwohl Catelyn Stark ihn nicht anerkannte war er von seinen Halbgeschwistern wie ein vollkommen leiblicher Bruder geliebt worden.
Außer von Sansa wusste er nicht wer von ihnen noch am Leben war.
Bran und Rickon, seine jüngsten Brüder, sollen von Theon Graufreud getötet worden sein.
Arya war seit der Festnahme von Eddard Stark nicht mehr gesehen worden und Robb war tot.
Er wüsste nicht was aus Haus Stark werden würde,wenn alle Kinder tot waren.
Er war ein Bastard und Sansa eine Frau.
Beide hatten kaum Möglichkeiten aufzusteigen.
Jon wusste bis heute nicht wo sie war und mit wem sie im Land umher ging.
Er musste sich mit der Tatsache zufrieden geben, dass sie wohl am Leben war solange er nichts anderes hörte.
Hier hoch oben im Norden bekam er nicht alles mit.
Regelmäßig kamen Krähen zurück die in den Kerkern der großen Burgen nach möglichen Männern für die Nachtwache suchten.
Nur dann erfuhr Jon das neueste.
Einen Raben bekamen die Männer natürlich nicht gesendet.
Es wurde erwartet,dass die Nachtwache sich aus allen Kriegen heraushielt, weshalb sie auch nicht von allen Ereignissen erfuhren.
Sie mussten unparteiisch bleiben.
Obwohl Sansa ein äußerst nerviges Mädchen gewesen war, liebte er sie über alles. Er sorgte sich sehr und wollte sie in Sicherheit wissen.
Seit er gehört hatte, dass seinem Vater der Kopf abgeschlagen worden war und Sansa dort als Geisel gehalten wurde, machte er sich viel Gedanken darüber, wie es ihr wohl erging.
Er wusste von Ned, dass die Lennisters egoistische Leute waren.
Sie waren schon immer der Familienfeind gewesen und Cersei Lennister schien ein brutaler Eisklotz zu sein.
Jaime hatte seinen eigenen König getötet und Tywin, das Oberhaupt dieser Bande, hatte Roose Bolton Winterfell versprochen wenn er Robb Stark umbrachte. Er schien vor nichts zurückzuschrecken.
Noch dazu hatte Jon einst von seinem Vater erzählt bekommen, dass Tywin Lennister den Befehl gegeben hatte Elia Martell und ihre zwei Kinder zu ermorden.
Tyrion hingegen, den alle als Monster beschimpften, schien der Vernünftigste der Familie zu sein.
Er hatte mit Jon die Reise zur Mauer angetreten und war dort mit ihm einige Zeit verweilt.
Jon mochte ihn auf Anhieb und hoffte ihn eines Tages wiedersehen zu können.
Als Jon hörte, dass Tyrion seinen eigenen Vater umgebracht habe und aus Westeros geflohen sein soll, hatte er soetwas wie Schadenfreude gespürt.
Derjenige, der sein ganzes Leben als Monster beschimpft wurde, aber wohl der einzig gute Mensch in diesem Gesindel war, hatte seinen eigenen hinterhältigen Vater getötet.
Jon war froh,dass Tywin Lennister tot war.
Er wollte,dass die Starks wieder an die Macht kamen und die Lennisters keine Möglichkeit mehr hatten ihnen in den Rücken zu fallen.
Sie brachten Unheil über die Familie.
"Das Mädchen. Ich habe mit ihr geredet. Heute früh beim Essen."
Jon zuckte leicht zusammen. Beinahe hatte er vergessen, dass Tormund neben ihm stand.
Er drehte sich zu dem Rothaarigen und sah ihn abwartend an.
Irgendetwas komisches würde er jetzt wieder erzählen.
Tormund war einer der besten Kämpfer, aber leider auch einer größten Witzbolde.
"Sie hat die ganzen verdammten Jahre in diesem Drecksland überlebt.
Ich habe mich ja gefreut, dass du die übrig gebliebenen von uns durch die Mauer gelassen hast, aber ich verstehe nicht warum ein Krieg um dieses Land geherrscht hat.
Es ist nicht viel besser als der Teil hinter der Mauer."
Jon musste leicht schmunzeln.
Vielleicht war es doch ganz gut einen Scherzkeks an seiner Seite zu haben.
"Du bist dir also sicher,dass sie kein Wildling ist?"
Tormund sah ihn an und zog eine Augenbraue hoch.
"Sie ist viel zu dunkel dafür und redet viel zu hochgestochen. Alle Wildlingsmädchen reden komplett anders."
Jon richtete seine Handschuhe.
Hier oben auf der Mauer konnten seine Finger in Minuten abfrieren.
"Ich sollte ihr danken."
"Ja das solltest du. Es war bestimmt nicht einfach in diesem Land voller notgeilen Ärsche zu überleben."
Jon verzog sein Gesicht.
"Was schaust du denn so gequält?
Keine Sorge ich habe in diesen Mauern nicht mit einer Frau über Geschlechtsverkehr geredet.
Ich will die Kleine doch nicht verschrecken."
Jon zog beide Augenbrauen hoch und sah ihn leicht grinsend an.
"Ich glaube kaum,dass du sie damit verschreckst."
Er zuckte mit den Schultern und fasste sich an den roten Bart.
"Sie hat mir einige interessante Dinge erzählt."
"Zum Beispiel?"
Jon versuchte nicht interessiert zu wirken obwohl es ihn brennend interessierte.
Es war lang her,dass er solch ein schönes Mädchen gesehen hatte.
Es war eine willkommene Abwechslung solch eine Schönheit zu Gesicht zu bekommen.
Vor einigen Tagen passierte ein unerwarteter Vorfall in Hartheim, was ihn zutiefst beunruhigte.
Er wusste um die Existenz der weißen Wanderer, doch hatte es ihn zutiefst schockiert, dass er fast das komplette Wildlingslager in die Hände dieser Monster fallen lassen musste.
Den Rest hatte er kurz darauf durch die Mauer gelassen um eine weitere Vergrößerung der Armee der Toten zu verhindern.
Es war seine Aufgabe als Lord Kommandant die großen Herren von Westeros auf diese Gefahr hinzuweisen.
Doch wie?
"Sie hat drei Brüste."
Jon fiel in ein kurzes herzliches Lachen und Tormund stimmte auch ein.
Sie sahen sich beide belustigt an und sahen dann auf den Boden.
"Sie hat mir leider nichts Spannendes erzählen wollen. Sie ist sehr stur und selbstüberzeugt.
Sowas gefällt dir doch an Frauen oder?"
Jon's Mimik wurde ruckartig komplett ernst und er sah leicht wütend zu Tormund auf.
"Ach komm schon, Schnee.
Gib es zu,dass sie dir gefällt.
Ygritte war doch genauso."
Er spannte seinen Kiefer an und richtete sich auf. "Ich kenne sie überhaupt nicht."
Jon hasste es über sie zu reden.
Tormund und Sam waren die einzigen die von Ygritte wusste.
Er redete nicht gern über sie und wollte sie auch nicht mit anderen Frauen vergleichen.
Sie starb in seinen Armen und tief im Innern wusste er,dass er ihren Tod bis heute nicht verarbeitet hatte.
Verdrängung half Jon seit Jahren nicht in seinen Emotionen zu ertrinken.
"Ygritte war nicht so.
Hör auf sie zu erwähnen.
Ich möchte nicht über sie sprechen."
Tormund entfuhr ein Seufzen.
Jon war manchmal echt schwierig.
Trotzdem bewunderte er ihn.
Er war der erste Mann aus dem Süden,der den Wildlingen, dem freien Volk, eine Stimme gab.
Tormund war ihm dankbar und obwohl die beiden nie viel Gefühle sich gegenüber zeigten, wussten beide, dass sie sich gegenseitig schätzten und dankbar waren dafür was der andere für ihn getan hatte.
"Tut mir leid. Ich hätte sie nicht erwähnen sollen."
Jon holte tief Luft und schloss die Augen.
"Hast du irgendetwas Sinnvolles mit ihr geredet?"
"Sie meinte, dass sie nicht wüsste wohin sie soll."
Jon seufzte.
"Sie kann nicht hierbleiben."
"Ich kann sie zu meinen Leuten schicken. Dort wäre sie sicher."
Lord Schnee öffnete seine Augen und drehte sich zu seinem Gefährten.
"Keiner darf erfahren was letzte Nacht passiert ist."
Tormund räusperte sich und runzelte die Stirn.
"Keiner meiner Leute hätte Interesse an sowas."
"Ich meine, dass du ein Auge auf sie geben sollst. Wir wissen nicht wer von diesem Dokument weiß. Und wenn deine Leute etwas preisgeben könnte ich die Boltons und deren Armee gegen mich aufhetzen."
Tormund verstand nicht warum dieses Stück Papier so viel verursachen könnte. Die Welt südlich der Mauer überraschte ihn immer wieder.
All die Sitten, Förmlichkeiten, Gebräuche und Verhaltensweisen der Leute waren gewöhnungsbedürftig.
Tormund wollte, dass sein Volk sich integrierte und sich Zuhause fühlte, doch war es schwer plötzlich sesshaft zu werden.
"Ich verstehe nicht, was diese zwei Unterschriften bewirken sollen.
Und den Sinn von dieser Bewilligung verstehe ich auch nicht."
Jon biss die Zähne zusammen und überlegte.
Auf ihm herrschte eine große Last.
Er trug mit diesem Dokument eine große Verantwortung gegenüber dem Volk im Norden.
"Wir befinden uns in einer gefährlichen Zeit, Tormund.
Die Starks herrschten hunderte Jahre über den Norden. Sie waren die Wächter des Nordens und an den König gebunden.
Meine Familie wurde von Haus Bolton hintergangen und nun herrscht Elend im Norden.
Roose Bolton bekam von Tywin Lennister den Norden.
Nun ist Tywin tot und das Volk ist unentschlossen. Sie wehren sich nicht gegen ihre neuen Herren, weil sie Angst haben lebendig gehäutet zu werden. So verfahren die Boltons mit ihren Feinden.
Und nicht nur das.
Ganz Westeros ist zwiegespalten.
Die Martells sind auf Rache gegenüber den Lennisters aus.
Die Graufreuds gegen die Boltons.
Die Baratheons sind alle tot und die Tyrells versuchen sich auf die richtige Seite mit verschiedenen Ehen zu schlagen.
Es wird Krieg geben Tormund.
Und da brauchen wir auch nicht noch einen Streit um Winterfell.
Ich gehöre der Nachtwache an."
"Wie gesagt. Ich würde meine Heimat zurückhaben wollen.
Das ist das einzige woran ich denken könnte."
Jon schnaufte.
Natürlich würde er am liebsten Winterfell in den Händen der Starks wissen.
Aber die Boltons hatten den Norden.
Er hatte nur hundert Männer von der Nachtwache und die Hälfte war miserabel im Kämpfen.
Jon hatte oft überlegt zu fliehen und seinen Eid zu brechen.
Ironischerweise hätte damals seine eigene Familie ihn köpfen müssen.
Gehäutet werden wollte er auf keinen Fall, weswegen er sich aus Angst nie gegen die neuen Wächter gewehrt hatte.
"Ich schlage vor du nimmst das Mädchen morgen mit.
Gib sie einer netten alten Frau.
Sie kann ihr zur Hand gehen."
Tormund lachte kurz auf.
"Nett? Alt? Bist du sicher,dass du vollständig anwesend warst, als du bei uns gelebt hast?"
Auch Jon musste schmunzeln.
"Sie ist hübsch."
Jon verdrehte die Augen.
"Lass das Mädchen doch mal ruhen.
Es geht nicht nur um Frauen."
"Red dir das ruhig ein, Krähe."
Tormund lachte wieder.
"Wo ist das Dokument inmoment?"
Tormund zog die Augenbrauen hoch, kramte in seinem Fellmantel, und zog das Dokument hervor.
"Davos hat mir erklärt was dort steht und was es für dich heißt."
"Was soll es denn heißen?"
Jetzt war es Jon, der die Brauen hochzog.
"Es heißt, dass du der rechtmäßige Erbe von Winterfell bist.
Der größten Burg im Norden."
"Richtig, das heißt es. Und jetzt ist die Burg in der Hand der Boltons. Ich werde daran so schnell nichts ändern können. Ich habe einen Eid geleistet und den werde ich auch halten."
Tormund lächelte leicht.
Er mochte Jon.
Seine Ansichten und Ziele.
Er war nie egoistisch.
Es ging ihm immer um das Wohl anderer.
Er handelte nicht überstürzt, sondern versuchte auch die Folgen abzusehen.
Noch dazu wurde erzählt, dass er einer der größten Kämpfer im Norden sei, was Tormund auch sehr beeindruckend fand.
Tormund wusste wie es war Menschen zu verlieren.
Dennoch hegte er nie tiefere Gefühle für Mitmenschen, weshalb er den Tod seiner sterbenden Gefährten gut verarbeitete.
Es traf ihn nie zu sehr.
Lord Schnee hingegen schien seine Familie mehr als alles andere zu lieben.
Es musste hart sein die geliebten Menschen nicht beschützen zu können oder zu hören wie einer nach dem anderen von der eigenen Familie verschwand.
"Aber du hast doch Rechte als Erbe.
Hättest du nicht die Möglichkeit dich von deinem Eid zu befreien?"
"Solange ich allein bin und nichts von meinen Geschwistern weiß werde ich hier verweilen und meinen Eid leisten."
Entschlossen drehte Jon sich um und stapfte mit ernstem Gesicht die Mauer entlang.
Er lief zu dem Holzaufzug und stieg ein.
Sein Blick war starr in die Ferne gerichtet und jeder einzelne Gedanke widmete sich seiner Schwester Sansa.
Wo befand sie sich?
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