Die Lady

Mit einem Gefühl von Schuld begab sich das junge Mädchen zurück zu den mächtigen Mauern der Nachtwache.
Stumm lief Mayisa durch den offenen Torbogen, der nach ihr mit der alten Holztür geschlossen wurde.
Nachdenklich schaute sie noch zu dem versperrten Tor musste seufzen.
Sie fühlte sich unwohl und schlecht, nach dem Gespräch mit Jon Schnee.
Erst war es gut verlaufen und sie hatte es genossen mit ihm zu reden.
Er hatte immer einen aufmerksamen Blick, wenn er mit ihr sprach.
Sie fühlte sich mehr verstanden von ihm als von allen anderen, denen sie bis jetzt im Norden begegnet war.
Jon wirkte immer etwas niedergeschlagen, doch hatte er durchaus ein gutes Herz.
Selbstverständlich war es leider nicht, dass ein Mann einer Frau so aufmerksam zuhörte und ihre Sorgen ernst nahm. Deswegen war Mayisa wohl von seinem Verhalten so angetan.
Als sie jedoch Ygritte angesprochen hatte schien jegliche Wärme und Herzlichkeit aus Jon Schnees Körper verschwunden zu sein.
Offensichtlich war es nichts über das er gerne sprach.
Mayisa beschäftigte es sehr, dass sie ihn vielleicht gerade verletzt haben könnte.
Nachdenklich sah sie auf den verschneiten Boden.
Mayisa wollte sich entschuldigen.
Am Liebsten würde sie es rückgängig machen den Namen dieses Mädchens erwähnt zu haben.
Es tat ihr Leid, dass er nicht an das Mädchen denken konnte ohne in Schmerzen versetzt zu werden.
Mayisa war sich sicher, dass es überwiegend schöne Erinnerungen für ihn mit ihr gab, doch leider konnte er wohl nur an eine Erinnerung denken.
Ihren Tod.

Lady Tiryr sah auf.
Es war immer ziemlich still im Innenhof, obwohl so viele  Männer hier arbeiteten.
Ihre Augen merkten einen neugierigen Blick, der auf ihr lag. Sie legte ihren Kopf schief und hielt dem Blick des Mannes stand bis er schließlich voller Verlegenheit den Blickkontakt abbrach.
Wie lange er wohl schon gestarrt hatte? Ihr entfuhr ein genervter Seufzer. Doch dann fasste Mayisa einen Entschluss und ihre Beine setzten sich in Bewegung, Richtung des gaffenden Mannes.
Etwas unsicher wurde die Lady von der schwarzen Krähe angeschaut.
Hatte er noch nie eine Frau gesehen?
Das Mädchen vedrehte die Augen, als er sein Werkzeug fallen ließ.
Erst starrten die Männer gierig und dann wurden alle plötzlich nervös.
So war es immer.

Die junge Frau verschränkte ihre Arme und sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.
"Wisst ihr wo der Lord Kommandant ist?"
Der Mann sah ängstlich zu ihr und wurde noch nervöser.
"Ich weiß es nicht, Mylady."
Sie legte den Kopf schief und veränderte ihr hochnäsiges Gesicht in ein freundliches.
"Wieso seid ihr so nervös?
Ihr habt nichts zu befürchten vor mir."
Seine angespannten Schultern erschlafften etwas.
"Ich bin neu hier, seit gestern.
Und da sehe ich wie der Kommandant die eigenen Leute erhängt...und jetzt habe ich euch angestarrt...bitte verzeiht mir."
Demütig sah er auf den Boden.
Verwirrt betrachtete sie den dünnen Mann. Die Knochen seiner Finger waren kurz davor durchzustechen. Seine Hände wirkten abgearbeitet. Das Gesicht war kahl, die Wangen eingefallen.
"Diese Männer haben ihn
umge-.....sie haben versucht ihn zu töten."

Unsicherheit machte sich in ihren Adern breit.
Noch immer wusste sie nicht wie viel die Männer von dem Geschehen erfahren hatten. Jon war von den Toten auferstanden. Mithilfe eines Gottes, an den Mayisa ihr ganzes Leben lang nicht hatte glauben wollen. Und jetzt spazierte Lord Schnee wieder munter auf zwei Beinen, als ob nicht passiert wäre.
All das war äußerst bedenklich.
Sie wusste, was sie gesehen hatte.
Dennoch wirkte es immer noch wie ein Traum für sie.
Es schien nicht wie die Realität.

"Aber vielleicht solltet ihr mich nicht so anstarren. Dem Lord Kommandanten gefällt das nicht."
Sie drehte sich um und stieg die Treppen grinsend hoch.
Diese Mann schien offensichtlich großen Respekt, wenn nicht sogar Angst, vor Jon Schnee zu haben, was sie äußerst amüsierte.
Außerdem war sie es satt dauernd angestarrt zu werden.
Wieso sollte sie also diese Angst nicht ausnutzen um einen Gaffer weniger zu haben?

Zielstrebig lief sie zu der Tür und öffnete sie entschlossen.
Mayisa stand im Zimmer des Kommandanten.
Er werkelte an seinem Schwert.
Edd stand neben ihm und sah zu ihr.
Jon's Oberkörper drehte sich herum. Sie erntete nur einen gleichgültigen Blick. Etwas in ihr zog sich zusammen. Sie konnte spüren, dass es sie verletzte, dass er sie so ansah.
"Mylady," sagte er ohne das Gesicht zu verändern.
Die junge Frau blickte zu Edd, der keine Anstalten machte zu verschwinden. Auf dem Tisch lag eine Tasche aus Leder. Sie erspähte einigen Proviant und eine Decke.
Verundert wanderten ihre klaren Augen zu dem schwarzen Lockenkopf.
"Was habt ihr vor?"
Sie wollte auf gar keinen Fall, dass er nach Volantis mit ihr reisen würde.
Entgeistert blickte sie zu dem glänzenden Schwert, dass Jon Schnee zurück in die Halterung an seinem Gürtel steckte.
"Ich werde gehen."
Mayisa runzelte die Stirn und sah ihn nun direkt an.
"Gehen? Wohin?"
Er zuckte mit den Schultern und schaute dann kurz zu Edd.
"Ich weiß es nicht. Irgendwohin, wo es wärmer ist. Aber in Volantis wollt ihr mich offensichtlich nicht."
War das ein Schmunzeln?
Sie schüttelte energisch den Kopf.
"Nein so meinte ich das nicht."

Er zog die Augenbrauen hoch.
Mayisa schnappte nach Luft, denn es gefiel ihr ganz und gar nicht, dass er sich allein auf die unsicheren Straßen von Westeros wagen wollte.
"Es ist gefährlich in Westeros.
Vielleicht wissen einige wer ihr seid und es reicht nur ein verrückter Mann mit einem Schwert um-"
"Habt ihr Jon jemals kämpfen sehen, Mylady?" unterbrach Edd sie.
Ihr Blick wandte sich nun zu der anderen Krähe.
Er blickte sie etwas belustigt an.
"Offensichtlich nicht, denn sonst würdet ihr euch nicht um ihn sorgen."
"Ich weiß, dass er es hasst zu töten," brachte die Lady hervor.

Wieder war Jon erstaunt wie sehr Mayisa ihn doch zu kennen schien und seine Taten deuten konnte.
Ihre Menschenkenntnis war beeindruckend.
"Jon hat einen weißen Wanderer getötet.
Er hat Qhorin Halbhand getötet.
Er ist der beste Schwertkämpfer, den ich je gesehen habe," fuhr Edd ungehalten fort.
Jon fühlte sich unwohl bei so viel Anerkennung und sah verlegen zu Mayisa. Seine Lippen waren fest aufeinander gepresst.
"Ich weiß zwar nicht wer dieser Thorin Halbhand war, aber wenn ihr es sagt, wird es wohl so gewesen sein."
Frech schaute Mayisa Edd an, der eingeschnappt ihrem Blick auswich.
Dann schnaufte er und ging wortlos an ihr vorbei, hinaus in die Kälte.
"Ihr habt Edd verärgert," meinte Jon belustigt.
Lady Tiryr schmunzelte kurz stolz, doch dann erinnerte sie sich wieder daran weshalb sie überhaupt hierher gekommen war.
"Ich möchte mich entschuldigen.
Es tut mir leid wenn ich euch verletzt habe."
Jon sah auf. Seine braunen Augen trafen sanft auf ihr hübsches Gesicht.
"Ihr tragt keine Schuld.
Ich war schon immer ein Meister der Verdrängung."
Mitleidig sah sie ihn an.
Jon drehte sich wieder um, zog sein Schwert wieder heraus und schleifte es weiter.
Mayisa lief zu ihm und schaute ihn aufmerksam von der Seite an.
"Wenn ihr darüber reden wollt..."
Ohne den Satz zu beendet haben schien er zu verstanden zu haben. Er schluckte bedrückt.
"Vielleicht eines Tages."

Mayisa nickte verständlich und lächelte dann leicht.
"Ich habe mich nie bei euch bedankt."
Er sah wieder von seinem Schwert auf. Seine Augenbrauen waren ernst zusammengezogen.
"Ihr habt so viele Gefahren auf euch genommen.
Hätte ich davon gewusst, hätte ich euch davon abgehalten euch weiterhin dieser Gefahr auszusetzen und euer Leben für ein Stück Papier zu riskieren."
Sie lächelte und legte den Kopf schief.
"Natürlich hättet ihr das."
Jons Mundwinkel zogen sich leicht nach oben dann sah er wieder zu seinem Schwert.
"Ihr seid tapfer und mutig," murmelte seine tiefe, raue Stimme.
Ihre Augen blitzen erfreut auf als sie das Kompliment von ihm hörte.
"Danke."

"Ygritte war auch sehr tapfer und mutig."
Nachdenklich lagen die braunen Augen auf dem glänzenden Schwert.
Mayisa schwieg für einige Augenblicke.
Sie wusste nicht was sie dazu sagen sollte, also schaute sie ihn einfach nur und schenkte ihm ihre Aufmerksamkeit.

"Sie war aber auch sehr risikobereit.
Ich wusste, als ich die Wildlinge verließ, dass sie auf sich aufpassen könnte, doch wollte ich sie instinktiv meiner Seite wissen um ihr gewissen Schutz zu gewähren."
Jon fuhr über den Knauf des Schwertes.
"Sie hätte mir eine gescheuert dafür," lachte er auf einmal.
Mayisa zuckte kurz wegen dem plötzlichen Lachen zusammen, spürte jedoch dann wie ihr Herz sich erwärmte, als sie sein freudiges Lachen hörte.
Es freute sie ihn Lachen zu hören.

Ein lauter Hornstoß ließ die beiden hochschauen.
Jon lauschte.
"Nur einmal."
Dann schaute er Lady Tiryr direkt an.
"Wer mag das sein?"
Sie zuckte bloß mit den Schultern.
Jon riss die Tür auf und ging mit schnellen Schritten den Gang entlang, vor zu der Empore.
Mayisa folgte ihm und stellte sich gespannt direkt neben ihn.

Durch das Tor ritten drei komplett verschiedene Leute.
Voran ritt eine große blonde Frau mit kurzen Haaren.
Sie trug eine schwarze Rüstung. Das helle Gesicht war ernst und skeptisch.
Ihr Gesicht schien jeden der Männer zu inspizieren, als wenn sie alle prüfen würde.
Hinter ihr war ein breit gebauter Junge in dunkelroter Lederkleidung.
Er wirkte etwas unbeholfen auf dem Pferd.
Sein schwarzes Haar war nass vom Schnee. Der Blick des Jungen war verloren, als ob er nicht wirklich hier sein wollte.

Mayisa blickte verwirrt zu Jon.
Kannte er die Leute?
Aber Jons volle Aufmerksamkeit war auf die Dritte der Personen gerichtet.
Sie merkte wie seine braunen Augen sich geweitet hatten.
Er schien fassungslos.
Sein Atem wurde unregelmäßiger und der Blick starr.
Mit langsamen bedachten Schritten lief er die Treppe hinunter, die Hand fest am Geländer.
Mayisa sah zu dem Mädchen, das Jon aus der Fassung gebracht hatte.
Sie sah ängstlich und verletzt aus, als wenn sie jeden Moment weinen würde. Ihr Gesicht war verschmutzt und ihre langen roten Haare völlig zerzaust.
Die Augen der beiden trafen sich. Man konnte bis auf die Empore bemerken, wie das eingeschüchterte Mädchen die Luft anhielt.
Sie war von ihrem Pferd abgestiegen. Das Gesicht von der Rothaarigen hatte sich gequält verzogen, als sie dem schwarzen Lockenkopf entgegen trat.

Jon merkte wie er immer fassungsloser wurde. Es kam ihm vor wie eine halbe Ewigkeit, so lange schaute er seine kleine Schwester an.
Sie wirkte so zerbrechlich wie ein Mensch es nur sein konnte.
In ihren Augen lag so viel Schmerz und Verzweiflung.
Jon war geschockt Sansa so zu sehen.
Als Kind hatte er sie nie so gesehen.

Schließlich lief Sansa auf ihn zu und warf sich sehnsüchtig in seine Arme.
Er schlang seine zitterten Arme schützend um ihren Körper und drückte sie eng an sich.
Ein Wimmern ertönte aus der Kehle seiner Schwester. Ihr Gesicht verzog sich mehr und mehr.
Wie sehr sie sich doch seit Jahren solch einen Moment erwünscht hatte.
Ihr Herz bebte. Sie konnte nur mit Mühe die Tränen zurückhalten.
Sansa entwich ein klägliches "Jon" bevor sie sich löste und ihn hilflos ansah.
Er schluckte und nahm ihre Hand um sie schützend mit seinen zu umschließen.





Sanft und vorsichtig führte Sansa die Schüssel mit der warmen Suppe zu ihrem Mund. Dann nahm sie einen Schluck. Genüsslich schloss sie die Augen und merkte wie ihr Körper dankbar die warme Suppe aufnahm.
Sie atmete erleichtert auf. Dann sah zu ihrem Bruder.
Das Feuer im Kamin knisterte beruhigend.
Seit langem fühlte sich Sansa wieder wohl und sicher.
"Erinnerst du dich an die Nierenpastete, die die alte Nan immer gemacht hat?"
Jon blickte zu ihr. Er musste schmunzeln, als er an die alte Frau und ihr Essen dachte.
"Mit Erbsen und Zwiebeln."
Beide lachten glücklich.
Dann wandten sich die Blicke nachdenklich in das brodelnde Feuer.
"Wir hätten Winterfell niemals verlassen dürfen," sagte Jon nachdenklich.
Sansa schnaufte zustimmend und wurde wieder ernst.
"Ich würde mir selbst zuschreien nicht zu gehen.
Geh nicht du Idiot..."
Bedrückt schaute Lady Sansa auf den Boden. Unruhig begann sie auf ihrer Lippe zu kauen.
"Woher hätten wir es wissen sollen?"
Jon sah zu seiner Schwester.
Sansa seufzte und dachte an all das Grauen. Sie war eine naive dumme Gans gewesen und hasste sich selbst dafür. Nie hätte sie sich als kleines Mädchen solch eine schreckliche Welt vorstellen können. Und dann war sie auf Boden der Tatsachen gelandet. Ohne zu wissen, wie sie aus dieser Hölle fliehen könnte.
"Ich habe mir immer wieder überlegt wie ich dich um Entschuldigung bitten kann. Ich war grausam als Kind zu dir," murmelte die kleine Schwester nachdenklich.
Jon sah liebevoll zu ihr.
Sansa hatte sich verändert.
Sie war kein verzogenes Gör mehr, dass in der eigenen Traumwelt lebte.
Er wollte sich gar nicht vorstellen zu welchem Preis sie diese Veränderung hatte durchmachen müssen.
"Es gibt nichts zu verzeihen."
Er lächelte sie an.
"Verzeih mir!"
Sie sah ihn energisch an, lächelte jedoch dabei.
Er lachte auf und sagte:
"Ich verzeihe dir."
Zufrieden nahm Sansa einen weiteren Schluck von der Suppe.
"Ich war auch nicht die beste Gesellschaft.
Immer saß ich deprimiert in der Ecke während ihr glücklich gespielt habt."
Sie lachte leicht und sah zu dem Becher in ihres Bruders Hand.
Fragend sah schaute sie ihn an und er gab ihr ohne Worte den Krug.
Die junge Frau nahm einen großen Schluck, musste jedoch dann anfangen heftig zu husten.
Er lachte wieder leicht auf.
"Nach tausenden Jahren ist die Nachtwache immer noch nicht fähig richtiges Bier zu brauen."
Wieder schmunzelte sie.

Es herrschte kurze Stille.
Man konnte nur das Knistern des Feuers hören.
"Es tut mir leid, was er dir angetan hat." Jon blickte traurig zu seiner Schwester. Sie musste schlucken. Dann wich sie ruckartig seinem mitleidigen Blick aus und starrte in das knisternde Feuer.
"Deine Geschichte ist bestimmt genauso grausam."
"Ich denke nicht," widersprach ihr großer Bruder ihr.
Sie sah wieder zu ihm und betrachtete dann nachdenklich sein vernarbtes Gesicht.
"Wohin wirst du gehen?"
Jon legte liebevoll den Kopf schief.
"Wohin werden wir gehen?
Wenn ich nicht auf dich aufpasse wird Vaters Geist mich im Schlaf erdrosseln."
Sansa musste leicht lachen.
"Es gibt nur einen Ort an den wir hingehen können."
Sie umschloss die warme Schüssel und sah ihn bestimmend an.
"Nach Hause."

Jon holte tief Luft und sah widerwillig seine Schwester an.
Er hatte befürchtet, dass Sansa das sagen würde.
"Winterfell gehört uns.
Und Bran, und Arya und Rickon.
Es gehört unserer Familie.
Wir müssen dafür kämpfen!"
Ihre Stimme war laut geworden und bestimmerisch.
Jon's Atem beschleunigte sich ruckartig.
Er schloss konzentriert die Augen.
"Ich habe es satt zu kämpfen."
Sansa sah ihn unverständlich an.
"Es ist unser Zuhause!"
"Ich habe Männer getötet, die ich bewundert habe! Ich habe einen Jungen erhängt! Ich bin es satt!"
Sansa sah ihn verzweifelt an.
Es würde schwer werden ihn zu überzeugen für Winterfell zu kämpfen.

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