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„Du siehst wirklich müde aus Lil. Du hast die halbe Nacht darüber nachgedacht oder?" Sie verließen die Stadt früh, kurz nach dem die Sonne aufgegangen war. Einige Bürger hatten ihnen Brot und Obst gebracht, als Geschenk der Stadt und als Dank für den Schutz der Drachenjäger.
„Ja, ich habe mich gefragt, was davon stimmt und was mein Onkel davon weiß. Warum hat mir davor nie jemand von all dem erzählt?"
„Du kannst später mit deinem Onkel reden, wenn er es weiß, so wird er wahrscheinlich einen guten Grund haben es dir verschwiegen zu haben."
An diesem Tag nahm Lilith ihre Umgebung kaum wahr, zu sehr war sie in ihre Gedanken vertieft. Zu Mittag aß sie wenig und als sie ihr nächstes Nachtlager aufschlugen legte sie sich früh schlafen.
„Sir Tom, Ihr solltet mit Eurer Nichte redet, Malochim hat so einiges über eure Familie erzählt, ich glaube es nimmt sie mehr mit als sie zugeben will. Und mit mir redet sie nicht darüber." Nicht lange nachdem Lilith sich schlafen gelegt hatte, wandte sich Jack an ihren Onkel.
„Was hat er ihr erzählt?" In seinen Augen konnte man einen Anflug von Angst sehen. Jack fragte sich welches Geheimnis die Familie seiner Kampfpartnerin noch so im Verborgenen hatte.
Der Meister ergänzte Jacks Erzählungen, auf diese Weise erhielt Tom ein genaues Bild was seine Nichte wusste.
„Das ist nicht gut, es hätte jemand dabei sein sollen der ihr alle Fragen beantworten würde. Malochim hatte kein Recht Lilith dies alles zu erzählen." Er klang wütend.
„Lilith wollte es wissen." Warf der Meister ein.
„Sie ist noch zu jung um zu wissen was gut für sie ist. Sie ist erst fünfzehn." Antwortete Tom.
„Sie ist sehr wohl alt genug um dies zu wissen. Ich kenne auch die Geschichten über eure Familie und ich bin der Meinung, dass ihre Eltern ihr schon vor Jahren davon hätten erzählen sollen." Der Meister klang streng.
„Dies ist eine Familienangelegenheit in die sich der Orden nicht ein zu mischen hat. Wir werden doch besser wissen was für unsere Familienmitglieder gut ist."
„Da stimme ich dir zu Tom, trotzdem ist es nicht gut, dass ihr ihr nichts erzählt habt. Ihr werdet ihr morgen alles erklären, sonst sehe ich mich gezwungen es ihr selber zu erzählen. Ich will ihrer Familie nichts wegnehmen, doch es belastet sie und das ist bei einer Jagd sehr unpraktisch." Der Meister ließ keinen Widerspruch zu. „Jack, sei für sie da. Ich weiß, dass du das eh schon machst, aber ich bitte dich noch einmal darum. Jedes Mitglied dieser Expedition liegt mir am Herzen, ihr könnt immer zu mir kommen. Seht mich in diesen Fällen nicht unbedingt als Meister, eher als einen der euren." Diese Worte sprach er laut, alle sollten sie hören.
„Ihr seid doch einer von uns Meister, das wart ihr schon immer." Sagte Clara lächelnd.
„Meister, könnte ich einen Moment mit Euch alleine sprechen." Fragte einer der Drachenjäger.
„Ja, natürlich. Lass uns einige Schritte gehen. Carlo, Anna, ihr beide übernehmt die erste Wache, schaut nach den Pferden und warnt uns vor Fremden." Mit diesen Worten erhob sich der Meister von seinem Platz neben dem Feuer. Er und der Drachenjäger gingen einige Schritte vom Lager weg.
„Lilith, ich weiß was Malochim dir erzählt hat, es stand ihm nicht zu dir das zu erzählen. Der Meister hat mir aufgetragen, mit dir über die ganze Sache zu reden. Ich soll dir deine Fragen beantworten." Kurz nach ihrem Aufbruch am nächsten Morgen, hatte Tom sein Pferd neben das von Lilith gelenkt.
„Nun Onkel, ich habe viele Fragen. Warum weiß ich nichts von dieser ganzen Geschichte? Mir wurde nie etwas über unsere Familie erzählt, außer, dass wir einige große Drachenjäger hervor gebracht haben und dass unser Vorfahr einer der ersten Drachenjäger war." Lilith sah ihn nicht an.
„Dir wurde nur erzählt was man mit Sicherheit sagen kann. Wir wollten dir nicht irgendwelche Märchen erzählen, die hast du als Kind schon zu Genüge gelesen."
„Also stimmt es nicht, dass einige meiner Vorfahrinnen Visionen hatten?"
„Das kann man nicht so genau sagen und wenn wäre es auch etwas über das man nicht spricht. Es ist nicht viel Gutes daran Visionen zu haben."
„Warum gibt es nur so wenig weibliche Mitglieder unsrer Familie?"
„Gegen Krankheiten kann man nichts unternehmen, auch kann man es nicht beeinflussen, ob man nun einen Jungen oder ein Mädchen bekommt. Unsere Familie hat an sich kaum Nachfahren, unser Geschlecht wird langsam aber sicher aussterben."
„Ich möchte dieses Buch über die alten Familien gerne lesen. Ich täusche mich wenn ich davon ausgehe, dass du es nicht in deiner Bibliothek hast, Vater hat es bestimmt auch bei sich stehen."
„Ja ich habe dieses Buch, aber ich werde es dir nicht zum Lesen geben. Du musst dich während dieser Expedition vollkommen auf die Drachenjagd konzentrieren, alles andere ist nebensächlich."
„Die eigene Familie steht noch vor der Jagd nach Drachen." Mit diesen Worten gab Lilith ihrem Pferd die Sporen und holte zu Jack auf.
„Und, was hat er erzählt?" fragte dieser neugierig.
„Eigentlich weiß ich nicht mehr als davor. Er wollte mir keine klaren Antworten geben und er erlaubt mir nicht, dieses Buch zu lesen." Antwortete sei wütend.
„Wir haben dieses Buch bestimmt auch zuhause. Wenn wir wieder in der Hauptstadt sind, werde ich meinen Vater bitten es dir aus zu leihen. Ich glaube übrigens, dass es deinen Onkel wirklich aufregen würde, wenn du dir nichts weiter anmerken lassen würdest. Zeig ihm, dass du trotzdem mit vollständiger Konzentration bei der Sache bist. Du bist eine so talentierte Drachenjägerin, zeig das auch."
„Aber Jack, wie soll ich das einfach ausblenden können?" Lilith klang verzweifelt.
„Du kannst daran denken. Aber denke auch daran, dass du die Nachfahrin von eben diesen Personen bist. Außerdem bist du die jüngste Drachenjägerin seit Jahren, vielleicht bist du sogar die Jüngste überhaupt. Zeige dem Meister, dass es keine falsche Entscheidung war dich mit zu nehmen. Ich weiß, dass du viel mehr kannst als du im Moment zeigst." Jack sah sie eindringlich an.
„Danke Jack."
„Ich bin dein Freund, es ist meine Aufgabe dir die Wahrheit zu sagen."
„Meinst du, es besteht ein Zusammenhang zwischen Nuys Besuch und der Geschichte meiner Familie?"
„Das wäre nicht auszuschließen. Immerhin wärst du wirklich was Besonderes wenn Malochim die Wahrheit gesagt hat, oder eher wenn die Geschichten wahr sind. Dann wäre es nur zu verständlich, dass Nuy zu dir gekommen ist. Aber lass uns nicht weiter darüber reden. Wie lange meinst du müssen wir noch reiten?"
„Ich hab keine Ahnung, aber ich würde gerne mal wieder kämpfen. Seit unserem Aufbruch habe ich kein Schwert mehr geschwungen, keinen Pfeil mehr geschossen. Ich fühle mich so komisch, das Training fehlt mir."
Jack lachte laut auf. „Dass ich so etwas einmal aus deinem Mund hören würde hätte ich nicht gedacht, aber ich weiß was du meinst. Es ist ungewohnt nach Jahren des täglichen Trainings ein paar Tage nicht zu trainieren."
Sie waren weitere drei Tage unterwegs gewesen, Lilith war wieder wie früher, doch redete sie mehr denn je mit Jack. Sie lachten viel und redeten über alles.
Es war an einem schönen Nachmittag, ihre Mittagsrast lag schon drei oder vier Stunden zurück, als sie über verrückte Drachenmärchen redeten.
„Lilith, Jack, kommt ihr bitte kurz zu mir." Die Stimme des Meisters unterbrach ihre Unterhaltung. Sie ließen ihre Pferde schneller laufen um zu ihm auf zu schließen.
„Ja Meister?" fragte Jack als sie bei ihm angekommen waren.
„Seht ihr den Hof dort vorne? Ich denke wir können heute Nacht dort schlafen, doch ich habe das Gefühl, dass dort etwas nicht stimmt. Reitet vor und schaut euch die ganze Sache näher an." Beide nickten und gaben ihren Pferden die Sporen.
„Vielleicht kannst du jetzt ja kämpfen, wer weiß was uns dort erwartet." Jack hatte den Blick nach vorne gerichtet, er versuchte etwas zu erkennen.
Lilith nahm ihren Bogen und versuchte ebenfalls angestrengt etwas zu erkennen.
„Lasst mich in Ruhe! Lasst uns in Ruhe, wir haben nichts wertvollen! HILFE!" Sie hörten jemanden auf dem Hof schreien.
„Reite zurück und hole die anderen, ich werde versuchen zu helfen." Lilith sah ihren Kampfpartner nur kurz an.
„Ich lass dich nicht alleine Lil." Wiedersprach Jack.
„Doch das wirst du, wenn du dich beeilst bist du gleich wieder bei mir. Doch wenn ich dieser Person nicht zu Hilfe reite, ist sie vielleicht Tod wenn alle da sind." Sie hielt Jacks Blick kurz stand, dann nickte er und ritt zu den anderen zurück. Lilith gab ihrem Pferd die Sporen, die wenigen Meter zum Hof waren schnell überbrückt. Dann zog sie an den Zügel und ließ ihr Pferd langsamer laufen, derweil spannte sie ihren Bogen.
„Lasst sie in Ruhe und verschwindet!" Liliths Stimme klang ruhig und fest während sie mit einem Pfeil auf einen der Männer die ein junges Mädchen bedrohten zielte.
„Warum sollten wir? Glaubst du wir haben Angst vor einem kleinen Mädchen mit Waffen?" Der Mann der nun sprach stand etwas abseits, an eine Wand gelehnt. Ohne groß zu zielen schoss Lilith ihren Pfeil in seine Richtung, ein kurzer Blick zeigte ihr, dass sie ihn nur knapp verfehlt hatte, sie hatte lediglich seine Kleidung an die Wand gehängt.
„Das nächste Mal ziele ich." Sagte sie nur während der nächste Pfeil von ihr eingelegt wurde.
„Verschwinde oder wir töten sie. Erst das Mädchen, dann ihre Geschwister, dann die alten die sich im Haus verstecken." Einer der Männer hatte das Mädchen umgedreht und hielt einen Dolch an ihren Hals.
Einen kurzen Moment zögerte Lilith, wenn sie warten würde bis die anderen auch da wären, würden diese Männer das Mädchen bestimmt töten. Diesmal zielte sie genau, wenn sie ein kleines Stückchen daneben schießen würde, würde sie vielleicht das Mädchen töten.
Der Mann schrie schmerzerfüllt auf und ließ den Dolch fallen. Lilith hatte ihn knapp unterhalb des Ellenbogens erwischt, sie wusste, dass sie jetzt nur noch wenige Momente hatte, bis die Männer sie angreifen würden. Ihren Bogen ließ sie über den Köcher gleiten, dort blieb er hängen, die Zeit ihr Schild zu lösen hatte sie nicht mehr. Schnell ließ sie sich aus dem Sattel gleiten und zog ihre Waffen, in der einen Hand ihr Schwert, in der anderen einen Dolch.
„Wer bist du, dass du es einfach wagst die Wächter dieses Gebietes heraus zu fordern?" fragte nun der Mann an der Wand spöttisch.
„Eine Drachenjägerin, also eine Wächterin des Landes. Und ihr seid schlechte Wächter wenn ihr hilflose Familien angreift." Als der erste Mann auf sie zu stürmte warf Lilith ihm den Dolch entgegen, er blieb in seinem Hals stecken. Der Mann kam nur noch wenige Schritte bis er zusammen brach. Noch bevor Lilith ihr Langmesser ziehen konnte, musste sie schon den Angriff eines anderen abwehren, sie war mehr als froh, dass Jack sie immer streng trainiert hatte.
„Lauf, versteck dich." Rief Lilith dem Mädchen zu und bereute sofort einen Moment nicht auf den Kampf geachtet zu haben, ein Schlag traf sie am Arm. Wütend kämpfte sie weiter, jeder Schlag mit einer Kraft die ihr Gegner ihr nicht zugetraut hatte.
Als die anderen eintrafen lagen drei der Männer auf dem Boden, schwer verletzt oder sogar Tod, Lilith war nicht bewusst, dass sie an diesem Tag ihren ersten richtigen Kampf hatte und ihren ersten Gegner ernsthaft verletzt oder sogar getötet hatte. Doch war sie es nicht gewohnt gegen mehrere Gegner zu kämpfen, obwohl ihr linker Arm schmerzte und die Wunde wahrscheinlich blutete, war es ihr gelungen ihr Langmesser zu ziehen.
Auch wenn sie es nicht zeigte, wusste sie, dass sie gegen drei Gegner nicht mehr lange durchhalten würde, doch da war Jack auch schon an ihrer Seite, drängte zusammen mit einem anderen Drachenjäger ihre Gegner von ihr weg. Als sie sah, dass die Drachenjäger die Situation unter Kontrolle hatte sank sie erschöpft zu Boden, die Schmerzen in ihrem Arm drangen erst langsam zu ihr durch.
Jemand kniete sich vor sie nieder und nahm ihr vorsichtig die Waffen aus der Hand, sie bekam kaum mit wie Jack ihre Waffen säuberte und sie dann Anna gab. Dann spürte Lilith einen Arm der um sie gelegt wurde.
„Geht es dir gut Lil?" Jack klang besorgt.
„Ich habe Menschen getötet."
„Du hast Leben gerettet, du hast andere Beschützt. Du hast gezeigt, dass du eine Drachenjägerin bist." Jack sah sie besorgt an, doch Lilith nahm diesen Blick nicht wahr. Tränen sammelten sich in ihren Augen und liefen ihre Wangen runter.
„Sie sind tot, ich habe sie getötet."
„Beruhig dich Kleines, hättest du sie nicht getötet wärst du tot. Sieh es als Notwehr oder als gute Tat. Wer weiß was sie mit den Bewohnern dieses Hofes gemacht hätten. Außerdem solltest du jemanden auf deine Wunde schauen lassen, die sieht nicht so gut aus."
„Bringt sie ins Haus, meine Großmutter wird nach ihr sehen." Vorsichtig hatte sich das Mädchen wieder näher an das Geschehen gewagt. „Danke, dass du mich gerettet hast, ich hatte schon aufgegeben. Sie hätten meine kleinen Brüder und meine Großeltern wahrscheinlich getötet. Was sie mit mir und meinen Schwestern getan hätten, will ich mir gar nicht vorstellen." Das Mädchen sah Lilith bewundernd an, dann ging sie vor zu einem der Häuser.
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