20.

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„Bringt uns unsere Nuy bitte unversehrt wieder, sie ist alles was wir haben." Nuys Großvater sah den Meister flehend an, dann wandte er seinen Blick seiner Enkelin zu.
„Natürlich werden wir auf sie aufpassen, sie ist nun ein Teil dieser Expedition, wir werden sie wie jeden anderen beschützen." Der Meister lächelte Nuy und ihre Familie freundlich an.
„Mach dir keine Sorgen Großvater, ich kenne die Berge und die Drachen. Würde ich in eine Stadt reisen, dann solltest du dir mehr Sorgen machen." Nuy klang vollkommen entspannt, sie saß auf einem der Pferde ihrer Familie und war in einen dunklen Mantel gehüllt.
Kaum hatten sie den Hof verlassen, ritt Nuy an der Spitze der Gruppe, neben Theodor direkt hinter dem Meister, Lilith und Jack waren weiter hinten.
„Und bist du aufgeregt?" fragte Jack sie.
„Warum denkst du das immer? Du müsstest doch inzwischen wissen, wie sehr ich mich auf die Drachen freue, außerdem sind wir jetzt schon eine ganze Weile unterwegs. Meine Aufregung wächst von Tag zu Tag. Obwohl ich sagen muss, dass ich mir die Expedition total anders vorgestellt habe, ich hätte davor nicht damit gerechnet, dass ich so viel über meine Familie erfahre. Immerhin hatte ich von so viel keine Ahnung."
„Du wirst bestimmt noch viel mehr erfahren, immerhin wird der Prozess gegen deinen Onkel unabwendbar sein. Die Männer des Ordens und die Männer des Königs werden genug finden, außerdem werden nicht wenige Leute gegen ihn aussagen."
„Der Ruf meiner Familie wird sehr darunter leiden, meinem Vater wird es wegen der ganzen Sache bestimmt schlecht gehen, immerhin ist er sein Zwillingsbruder. Wie soll ich noch einen anständigen Ehemann finden wenn der Ruf meiner Familie so schlecht ist?"
„Über was du dir Gedanken machst Lil. Du bist doch noch recht jung, einige der Drachenjägerinnen die viel älter sind als du, sind noch nicht verheiratet. Außerdem bist du hübsch und intelligent und die Drachenjäger sind bei allen angesehen, unabhängig was für ein Ruf die Familie hat." Anna ritt vor ihnen, sie drehte sich in ihrem Sattel kurz um und sah Lilith breit grinsend an. „Außerdem kannst du im Notfall bestimmt Jack heiraten, immerhin seid ihr vor den Göttern eh schon durch einen Eid verbunden."
„Und es gibt bestimmt sehr viele junge Männer aus gutem Haus die von dem Ruf deiner Familie absehen würden, Immerhin hat Anna recht, du bist wirklich sehr hübsch." Meinte nun auch Carlo.
„Danke, das ist wirklich lieb von euch." Liliths Wangen leuchteten in einem zarten rosa, was allerdings nur Jack auffiel.
„Mach dir deswegen noch keine Gedanken Lil, wir werden sehen was die Zukunft bringt, das ist im Moment noch ich absehbar und wir können auch nicht viel daran ändern." Mit seinen Worten erinnerte Jack sie wieder an ihre Vision. Sie würde noch eine wichtige Rolle spielen, sie würde eine Entscheidung treffen müssen, die das Leben vieler Menschen verändern würde.
„Mit wem wollte dich dein Onkel nochmal verheiraten lassen?" wollte Anna wissen.
„Mit Sir Sigmund Bergstein." Antworte Lilith. Neben ihr verzog Jack sein Gesicht, es war schwer zu erkennen, doch Carlos Reaktion war wahrscheinlich sehr ähnlich.
„Der könnte dein Großvater sein so alt wie der ist." Meinte Carlo.
„Und er ist schrecklich, er lebt zurückgezogen in seiner Burg und versucht alle Leute zu vertreiben. Du wärst bei ihm verzweifelt, er lebt im Nirgendwo und ist verrückt. Zumindest glaube ich das nach dem was ich gehört habe." Jack sah sie von der Seite an. „Sei froh, dass dem nicht so ist."
„Keine Sorge, ich bin echt froh deswegen. Ich hätte auch nicht länger bei Tom bleiben wollen. Hättet ihr mich nicht gerettet, so hätte ich den Freitod als Alternative gewählt. Lieber wäre ich gestorben als diesen Mann zu heiraten und wer weiß was von Tom zu ertragen." Jack neben ihr schien alles andere als glücklich über ihre Aussage zu sein.
„Ich hätte dich nicht im Stich gelassen, das werde ich nie. Ich kann dich zwar nicht vor allem beschützen, aber ich werde es versuchen."
„Man kann dich echt beneiden, ich hätte auch gerne einen Kampfpartner der mich vor allem beschützt." Meinte Anna.
„Ich glaube wenn du Glück hast und den richtigen Mann findest, dann wird er dich auch vor allem beschützen. Einen Kampfpartner zu finden ist gar nicht so einfach, außerdem wird das später dann bestimmt lustig wenn ich heirate. Stell dir mal vor wie das wird wenn ich einen Mann heirate der total besitzergreifend ist und schnell eifersüchtig wird."
„Warum sollte er eifersüchtig werden? Vor allem auf mich?" Jack stellte sich dumm, als wüsste er nicht weshalb.
„Oh bitte Jack, als wüsstest du das nicht." Mischte sich jetzt auch Clara ein, sie ritt hinter Lilith. „Du siehst gut aus, kommst aus einer der alten Drachenjägerfamilien, du verstehst dich sehr gut mit Lilith, kennst sie besser als jeder andere." Lilith tauschte einen Blick mit Jack, Anna und Carlo schienen das gleiche zu denken, sie drehten sich kurz um. Würde Jack sie sympathisch finden können oder würde er ihr über kurz oder lang das Herz brechen?
„Also wegen mir müsste sich keiner Sorgen machen. Ich beschütze Lil und werde immer für sie da sein, aber ich sehe sie eher als meine kleine Schwester. Sie hat sich nur in der Farbe geirrt, immerhin ist sie ein weißer Drache und ich nicht." Darauf mussten alle lachen.

Sie unterhielten sich den größten Teil des Rittes, lachten viel und sahen die Berge immer näher kommen. Die Nacht würden sie am Fuße des Gebirges verbringen, am nächsten Morgen würde Nuy sie auf schnellstem und direktestem Weg zum gesuchten Drachen bringen.
Dies war die erste Nacht ihrer Reise, die sie durchgehend im Freien verbrachten, weit und breit war kein Haus zu sehen. „Früher haben hier noch Menschen gewohnt, aber die Drachen die die Berge überquert haben, haben vor allem ihre Häuser angegriffen. Manche sind gestorben, andere sind geflohen, wieder andere wurden von den Soldaten des Fürsten weg gebracht. Sie hatten wohl Angst, dass diese Menschen etwas sehen was dem Fürst schaden könnte." Sagte Nuy gerade laut genug dass alle sie hören konnten.
Der Meister teilte die Wachen für die Nacht ein, immer zwei Leute würden zwei Stunden lang auf das Lager aufpassen, die Pferde waren in einer provisorischen Weide angebunden. Lilith und Jack hatten die erste Wache, ein paar der Drachenjäger waren noch wach als sie nach zwei Stunden abgelöst wurden.

Am nächsten Morgen waren die Drachenjäger, allen voran Lilith, froh, dass die Nacht ruhig verlaufen war. Nicht einmal ein komischer Traum hatte Lilith in dieser Nacht heimgesucht.
„In ungefähr einem Tag werden wir in das Revier des Drachen kommen, ihr alle wisst was das bedeutet. Ihr müsst aufmerksam sein, eure Waffen bereithalten und schnell handeln. Wenn der Zeitpunkt gekommen ist, teilen wir uns in vier Gruppen auf, das gibt uns die Möglichkeit ihn von mehreren Seiten anzugreifen, außerdem sind wir dadurch ein schwereres Ziel. Und haltet eure Drachenpfeile bereit, wenn dieser Drache in der Nähe ist, wird jeder Moment wichtig sein." Der Meister sah in die Runde der Drachenjäger. „Ich bin mir sicher, dass wir von dieser Expedition erfolgreich heimkehren. Denkt daran, ihr habt einen Eid geschworen, ihr habt geschworen die Menschen von Drachen wie diesem zu beschützen. Kämpft für die Menschen, kämpft für das Land, kämpft für unseren Orden und kämpft für euch selbst." Dann teilte der Meister die Gruppen ein, immer sieben Leute waren in einer, Nuy war das achte Mitglied in der Gruppe des Meisters.
„Meinst du wir sehen schon früher Drachen? Immerhin meinte Nuy, dass sie das Gebirge bewachen." Jack sprach leise. Seit sie losgeritten waren, wagte es keiner laut zu sprechen.
„Ich weiß es nicht. Vielleicht halten sie sich auch gut versteckt, immerhin soll sie keiner bemerken, sie wollen nur die anderen Drachen beschützen. Viel eher habe ich Angst davor, dass sie uns für die Feinde halten die wir eigentlich sind. Natürlich töten wir nur die Drachen die Menschen angreifen, aber wir töten eben Drachen." Lilith sah sich aufmerksam um. Sie ritten in ein Tal, zu beiden Seiten stiegen die Hänge immer mehr an. Natürlich könnte man die Berge erklimmen, doch sie wurden zunehmend steiler.
„Ich habe mal gelesen, dass die Berge am Rand des Gebirges am steilsten sind, wenn man sie überwunden hat, dann ist der Rest ein Kinderspiel." Auch Jack sah sich um.
„Das glaube ich nur zu gerne, aber es ist schön hier. Die Berge gefallen mir fast besser als das flache Land rund um die Hauptstadt." Jack fing leise an zu lachen.
„Ich weiß was du meinst."
Lilith sah auf einen Punkt weiter oben an einem der Berge. Sie war sich sicher gewesen, dass sich dort etwas bewegt hatte. „Da oben war etwas, es war zu weit weg um genaueres zu erkennen, aber ich glaube, dass es eher ein Drache war als ein Tier oder gar ein Mensch." Lilith klang aufgeregt. Jack sah nun auch in diese Richtung, konnte allerdings nichts erkennen.
„Was vermutest du war es?"
„Das kann ich nicht sagen, immerhin war er viel zu weit weg und ist schnell wieder verschwunden." Lilith sah angestrengt nach oben, wieder sah sie etwas. Diesmal konzentrierte sie sich voll und ganz auf den Drachen, strengte ihre Augen an. „Ich glaube es ist ein Horndrache, jedenfalls wirkt sein Kopf so." sagte sie dann.
„Das wäre ein komischer Ort um einen Horndrachen zu finden." Meinte Jack nachdenklich. „Normalerweise findet man sie eher in Tälern, in Höhlen in der Nähe von einem See."
„Nuy meinte doch, dass die Drachen das Gebirge bewachen. Deshalb wundert es mich weniger einen Horndrachen hier zu finden." Wieder mischte sich Anna in ihr Gespräch ein.
„Also haben sie uns schon bemerkt?" Carlo sah erstaunt nach oben.
„Sie haben uns bestimmt schon gestern bemerkt, es würde mich nicht wundern wenn sie uns heute Nacht beobachtet hätten. Aber ich denke, wenn sie uns bis jetzt noch nichts getan haben, werden sie es auch nicht mehr tun. Immerhin tun wir ihnen auch etwas Gutes indem wir diesen Drachen töten." Lilith sah weiterhin nach oben. „Ich hoffe wir sehen mehr als nur den Spitzschweif, ich wollte schon immer einen goldenen Tod sehen."
„Ich finde diesen Namen so schrecklich." Jack schüttelte seinen Kopf.
„Einer der ersten Drachen der gesichtet wurde, war ein goldener Tod, die Menschen hatten Angst vor ihm und waren der festen Überzeugung dass er ihnen nur den Tod bringen würde. Da seine Schuppen immer golden sind, haben sie ihn so genannt. Aber nach den Zeichnungen die ich gesehen habe, fände ich Himmelsgleiter viel schöner."
„Ja, der goldene Tod ist ein schöner Drache, vor allem mussten Drachenjäger noch nie wegen ihnen in den Norden ziehen. Allerdings habe ich auf einem der Märkte schon Schuppen und ähnliches von einem goldenen Tod entdeckt. Durch ihre Farbe sind sie von großem Wert und die Händler wollen sie haben." Anna klang bedrückt.
„Der Handel mit Drachenteilen sollte Verboten werden."
„Natürlich sollte er das Lil, aber bis jetzt haben die Herrscher immer indirekt von diesem Handel profitiert. Ihnen sind die Drachen relativ egal, seit Generationen war kein König mehr so weit im Norden, dass er Drachen gesehen hat. Deshalb tolerieren sie auch die Jagd, aber nur solange, wie keiner etwas davon mitbekommt." Meinte Carlo.
„Woher weißt du das?" wollte Jack interessiert wissen.
„Mein Vater ist einer der Berater des Königs, er hilft dem Schatzmeister."
„Also wird die Drachenjagd alleine meinem Onkel nicht schaden?"
„Doch, er wurde erwischt, das wirft auch ein schlechtes Licht auf den König. Immerhin verstößt durch ihn ein Mann des Königs gegen die Gesetze."
„Ich will gar nicht wissen, was deswegen in der Hauptstadt und im Institut los sein wird wenn wir wieder da sind. Und wie es in meiner Familie aussieht, will ich mir gar nicht erst vorstellen."
„Mach dir deswegen keine Sorgen, es ist nicht deine Schuld wenn er sich falsch verhält. Es ist richtig von uns, vor allem von dir, wenn wir etwas gegen ihn unternehmen. Du machst dir doch Sorgen wegen dem Ruf deiner Familie, ich glaube dass du euren Ruf damit rettest. Natürlich hat dein Onkel viele schlimme Sachen getan, aber immerhin besitzt du den Mut dich gegen ihn zu wehren, du zeigst, dass du nicht alles tolerierst, dass dir die Gesetzte und dein Eid wichtig sind." Kurz nur drehte sich Carlo zu ihr um.
„Und das Thema hatten wir gestern schon, mach dir keine Sorgen Lil, es wird schon alles gut werden."
Sie ritten eine Weile schweigend weiter, Nuy führte sie nach einiger Zeit in ein anderes Tal.
Das Mittagessen war karg und wurde zu Pferd eingenommen, keiner verspürte den großen Wunsch zu Rasten. Vor allem da die Pferde noch nicht zu erschöpft waren und weit und breit kein Wasser zu sehen war. Nuy hatte dem Meister und Theodor erklärt, dass im Frühling, nach der Schneeschmelze, ein Bach durch dieses Tal rauschen würde, doch jetzt konnte man nur sein ausgetrocknetes Bett sehen.
Am Abend schlugen sie ihr Lager nahe des Reviers des Drachen auf, sie wagten es nicht weiter zu gehen, sollten sie das Drachenrevier in der Dunkelheit betreten, könnte er ihnen auflauern und sie alle töten. In dieser Nacht verdoppelte der Meister die Wachen, sie alle lauschten angestrengt nach Geräuschen, dem Knacken von Ästen, dem Rauschen von Flügeln. Alle schliefen unruhig, wachten häufig auf und konnten danach nur schwer wieder einschlafen, auch die Pferde waren unruhig, sie bemerkten die Anwesenheit der Drachen stärker als die Menschen.


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