14.
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„Lilith." Jemand schüttelte sie leicht an der Schulter. „Kleiner Drache." Dieser jemand hörte nicht auf damit. Lilith öffnete ihre Augen nur ein kleines Stückchen, dann fiel sie der Person um den Hals. Beruhigend legte er seine Arme um dich.
„Theo, ich dachte schon er wird gewinnen. Bring mich hier weg, bring mich von ihm weg!" Lilith fing wieder zu schluchzten an.
„Beruhig dich kleiner Drache, so kann ich dich nicht wegbringen. Wir beide verschwinden noch heute Nacht, zusammen mit Jack und fünf anderen. Der Rest der Gruppe folgt uns kurz nach Sonnenaufgang." Er flüsterte die Worte nahe bei ihrem Ohr.
Noch einen Moment verharrte Lilith in der schützenden Umarmung ihres Großcousins, dann drückte sie ihn ein bisschen von sich und wischte sich die Tränen vom Gesicht. „Habt ihr meine Waffen?" fragte sie dann.
„Ja, die Pferde müssten schon gesattelt sein und unser Gepäck ist sicher auf ihnen verstaut. Der Meister wird uns durch die Tür in der Mauer lassen, wir bringen dich hier weg." Er half Lilith vorsichtig beim Aufstehen, stütze sie als sie im ersten Moment strauchelte. „Geht es?" Lilith nickte, atmete einmal tief durch, dann liefen sie schnell und leise aus dem Raum. Den Turm zu verlassen war leichter als gedacht. „Die Wachen werden noch bis morgen Mittag schlafen." Flüsterte Theodor als sie an zwei schlafenden Wachen vorbeikamen.
Draußen im Hof war es nahezu still, natürlich brannten an manchen Stellen Fackeln oder kleine Feuer, doch sie konnten ihn unbemerkt überqueren.
An der kleinen Tür in der Mauer warteten schon sieben Drachenjäger mit acht Pferden. Jack reichte ihnen wortlos zwei Mäntel, diese waren auch Teil ihres Gepäckes gewesen. Aufgrund ihrer schwarzen Farbe, würden sie sie noch besser verstecken. Lilith zog sich die Kapuze des Mantels über ihre hellen Haare.
„Wir treffen uns an der vereinbarten Stelle." Der Meister sah Theodor streng an, dieser nickte nur.
Dann gingen sie einer nach dem anderen durch die Tür, Theodor ritt vorne, die anderen folgten ihm schweigend. Auch sie näherten sich dem Wald, wandten sich aber noch am Waldrand nach Westen. Versteckt unter den Bäumen ritten sie in diese Richtung, bis sich vor ihnen ein breiter baumfreier Streifen auftat. Dort wandten sie sich nach Norden.
Nach dem sie eine ganze Weile geritten waren, gab Theodor das Zeichen für einen kurzen Stopp. „Wir müssen noch ein Stückchen nach Norden, dann kommen wir zu einer Furt, nahe der Furt ist es sehr felsig, dort liegen viele Findlinge, das ideale Versteck für uns. Wir werden dort warten, bis der Meister uns morgen, durch ein Vereinbartes Signal mitteilt, dass die anderen da sind." Die anwesenden nickten oder brummten zustimmend.
Dann gab Theodor seinem Pferd wieder die Sporen, die anderen folgten seinem Beispiel.
„Ihr beide übernehmt die erste Wache, Jack, du folgst mit mir in der zweiten Wache. Ich denke, dann sollte es zu dämmern beginnen. Ihr anderen versucht zu schlafen." Sie waren auf einer versteckten Wiese angekommen, sie war zwar nicht groß, bot aber genug Platz für die Drachenjäger und ihre Pferde.
„Lil, ich verlange nicht, dass du mir erzählst was war, doch wenn du darüber reden möchtest, dann kannst du jederzeit zu mir kommen." Theodor hatte sich neben das junge Mädchen auf den Boden gesetzt.
„Danke, aber ich glaube ich versuche erstmal zu schlafen." Lilith sah zu ihm auf, sie hatte sich unter ihren Mantel gekuschelt, wollte einfach nur in den Arm genommen werden doch wagte es nicht dies zu sagen.
„Bis zu meiner Wache pass ich auf dich auf, weder ein Mensch, noch ein Drache, noch ein böser Traum kommt an mir vorbei." Mit diesen Worten legte Jack beide Arme von hinten um sie. Dankbar entspannt Lilith sich, ohne vorher überhaupt gemerkt zu haben, dass sie sich angespannt hatte.
Die restliche Nacht verlief ruhig und traumlos, Lilith war in einen tiefen Schlaf gesunken, sie merkte nicht einmal, dass Jack sie los lies als seine Wache begann.
Am nächsten Morgen wurde sie von einem warmen Sonnenstrahl geweckt, die Welt sah so friedlich aus, sie ließ den vergangenen Abend unecht wirken. Wenn man so einen Morgen erlebte, konnte man kaum glauben, dass etwas Böses passiert war, passierte oder passieren würde.
„Ich habe Brot und etwas Obst, ich glaube die Fürstin hat uns auch noch etwas Kuchen aus der Küche eingepackt." Theodor durchsuchte angestrengt seine Satteltasche und hielt dann triumphierend ein Päckchen in der Hand. Lasst uns Frühstücken, wir haben höchstens noch eine Stunde bis die anderen da sind.
„Lil." Jack war zu ihr getreten und drehte vorsichtig ihren Kopf. Die Gesichtshälfte, die am Vorabend zwei Schläge abbekommen hatte zeigte nun zu ihm.
„Arg schlimm?" fragte Lilith, obwohl der Schmerz immer noch durch ein leichtes Pochen präsent war. Auch hatte sie das Gefühl, dass eine Schwellung unterhalb ihres Auges ihre Sicht minimal verringerte.
Jack strich vorsichtig über die Wange. Lilith verzog leicht das Gesicht. Theodor war ebenfalls zu ihnen getreten. „Es ist angeschwollen und wird wohl noch einige Tage zu sehen sein. Hat er dich noch irgendwo hin geschlagen?" er klang besorgt.
Lilith nickte und legte eine Hand auf ihren Bauch. „Aber das tut nicht mehr weh, ich glaube die Montur hat mich dort vor dem schlimmsten bewahrt."
Theodor nickte. „Das hätte nicht passieren dürfen, meine Arme kleine Großcousine." Wieder nahm er sie in den Arm. „Aber wir können froh sein, dass er dich nicht länger in seiner Gewalt hatte. Ich will mir gar nicht vorstellen, was er mit dir gemacht hätte, wenn du ihm nicht gehorcht hättest."
„Wenn er mir das nächste Mal zu nahe kommt werde ich bewaffnet sein. Da werden ihm seine Wachen nicht mehr helfen können und seine eingerosteten Drachenjägerreflexe erst recht nicht." Lilith lehnte ihren Kopf an die Schulter des jungen Mannes.
„Das nächste Mal beschütze ich dich kleiner Drache. Aber jetzt sollten wir erst einmal essen, wir sollten Aufbruch fertig sein, wenn der Meister eintrifft." Diese Worte galten jetzt allen, aber da ausnahmslos alle schon auf den Beinen waren, schien dies kein ernsthaftes Problem zu werden.
Lange mussten sie wirklich nicht auf den Meister und den Rest der Drachenjäger warten. Sie hatten in Ruhe gefrühstückt, ein Teil der kleinen Gruppe um Theodor, war mit den Pferden zum Fluss gegangen um sie zu tränken. Als der vereinbarte Pfiff dann ertönte, mussten sie ihre Pferde nur von der kleinen Wiese lenken.
„Ich hatte schon etwas früher mit euch gerechnet Meister, seid ihr ohne weitere Komplikationen aus der Burg gekommen?" fragte Theodor.
„Mehr oder weniger. Das Verschwinden einer Zofe der Fürstin und eines Wachmannes war in den frühen Morgenstunden aufgefallen. Zum Glück hat noch keiner nach Lilith gesehen, als wir aufbrachen. Der Fürst war mir gegenüber allerdings misstrauisch und brachte mich mit dem Verschwinden der beiden in Verbindung." Erzählte der Meister, nachdem er allen einen guten Morgen gewünscht hatte. „In ein oder zwei Tagesritten, müssen wir anfangen die Menschen nach dem letzten Drachenangriff zu befragen, aber ich werde euch zu gegebener Zeit genauere Anweisungen geben." Der Meister sah einmal in die Runde, keiner seiner Drachenjäger sah ihn in irgendeiner Weise abfällig oder feindselig an, alle schienen ihn zu mögen und zu vertrauen. Dann nickte er und trieb sein Pferd an.
Sie Überquerten die Furt, immer ein Pferd hinter dem anderen. Nur langsam kamen sie voran, obgleich das Wasser nicht sehr tief und die Strömung nicht sehr stark war. Die Drachenjäger welche den Schluss bildeten, sahen sich hin und wieder aufmerksam um, sie alle rechneten fast damit, verfolgt zu werden. Sie hatten gegen den Herren der Burg gearbeitet, hatten seine Bastarden gerettet, ebenso seine Nichte aber sie hatten kein Gesetz des Königs missachtet. Doch in wie weit der König hier noch Macht hatte und seine Gesetze befolgt wurde, konnte man nicht sagen.
Den ganzen Tag ritten sie recht schweigsam, sie alle waren mehr als aufmerksam, wollten nicht länger als nötig Rast machen. Doch am Abend waren sei froh, dass ein Bauer ihnen seine Scheune zu Verfügung stellte. Der Mann war alt und mürrisch, er redete kaum, verriet ihnen allerdings, dass das Band mit Unterkünften der Drachenjäger auch hier im Norden vorhanden war. Zu gerne hätte der Meister ihn nach Drachenangriffen oder dem Verhalten des Fürsten gefragt, doch der Mann entgegnete auf die erste Frage, dass er darüber nicht reden wollte.
Der Hof war heruntergekommen, dies bemerkten sie am nächsten Morgen. Die Menschen die dort lebten hatten ihre besten Jahre schon hinter sich gelassen, auch hier hatte der Fürst die jungen Männer in den Militärdienst berufen. Zwei recht junge Frauen, sie waren noch keine dreißig Jahre alt, übernahmen viele Arbeiten, schon früh morgens begegneten sie den ersten Drachenjägern und als diese aufbrachen, liefen sie immer noch geschäftig durch die Gegend.
„Früher war es hier weit angenehmer, die Höfe waren in besserem Zustand und Menschen waren höflicher." Sagte einer der älteren Drachenjäger als sie ihren Ritt fortgesetzt hatten.
„Daran können wir nichts ändern, frühere Könige sind auch durch ihr Reich geritten und haben nach dem Rechten gesehen."
„Wir reden nicht schlecht über den König!" Der Meister sah den jungen Drachenjäger streng an. „Wobei du durchaus Recht hast, nur die Zeiten ändern sich und wir können nichts daran ändern. Vielleicht kommt unsere Akademie auch eines Tages in den Norden, dann würden wir hier für Ordnung sorgen, doch diese Entscheidung überlassen wir einzig und allein dem König."
„Man könnte die Meisterakademie auch wieder mit dem eigentliches Institut verbinden, so wie es vor vielen Jahren war. Wenn man dann an einem abgeschiedenen Ort ist, wäre die Ausbildung für alle besser. Ich habe mich immer gefragt wie man in der Hauptstadt große praktische Erfahrungen lernen soll, vor allem auf das Überleben in der Wildnis bezogen."
„Es liegt nicht bei uns derartige Dinge zu entscheiden Theodor, der Großmeister soll das zusammen mit dem König klären." Lilith sah zu Jack, sie beide wussten, dass der Meister die Ansichten des Großmeisters in Bezug auf viele Dingen nicht teilte, auch hatte er eigene Vorstellungen die dem Institut und dem Reich dienen könnten, ihm stand es jedoch nicht zu, diese vor zu schlagen. „Wir wissen auch nicht, ob sich hier nicht einiges bessert, sobald ein neuer Herrscher die Burg bewohnt. Ich bezweifle, dass der König Tom weiterhin in seinem Posten lässt, wenn er herausfindet wie dieser sich benimmt und was er tut."
Langsam wurden die Drachenjäger wieder schweigsamer, am Abend, sie waren erneut in der Scheune eines Hofes untergebracht, kündigte der Meister an, dass am nächsten Tag kleinere Gruppen sich in der Umgebung nach Drachen umhören sollten.
„Meine Großmutter hat mir aufgetragen, euch etwas zu essen zu bringen." Als ein fremdes Mädchen die Unterkunft der Drachenjäger betrat und zu sprechen begann, wirbelte Lilith erstaun zu ihr herum. Nuy.
„Das ist Nuy." Zischte sie Jack zu.
„Die von der du erzählt hast?" Lilith nickte als Antwort nur. „Meinst du sie weiß, dass du hier bist?"
„Mich würde es wundern wenn sie es nicht wüsste." Lilith beobachtete Nuy aufmerksam.
„Meine Großeltern kommen auch gleich um euch Gesellschaft zu leisten, sie müssen noch etwas arbeiten. Aber sie würden sich freuen etwas mehr über die Drachenjäger zu erfahren, wir leben noch nicht sehr lange hier." Nuy sah sich aufmerksam um, bemerkte Lilith und grinste breit.
„Woher kommt ihr Ursprünglich?" Lilith war, gefolgt von Jack, näher getreten.
„Aus dem Norden." Antwortete Nuy ausweichend. Damit lenkte sie die Aufmerksamkeit einiger Drachenjäger auf sich.
„Noch weiter im Norden?"-„Auf dieser Seite der Berge oder auf der anderen?" Die Fragen wurden durcheinander in den Raum geworfen und Nuy erkannte ihren Fehler.
„Das ist doch nicht so wichtig, ihr habt sicher einen anstrengenden Tag hinter euch, esst doch erst einmal etwas." Schnell versuchte sie das Thema von sich abzulenken, was ihr allerdings nur mittelmäßig gelang.
„Ich bin erstaunt dich wieder zu sehen Nuy." Lilith stand nun neben Nuy und lächelte sie freundlich an.
„Du hättest damit rechnen sollen, eigentlich bin ich nur weiter im Norden zu finden, aber nun leben wir leider hier. Ich vermisse die Berge." Als sie mit Lilith redete, konnte man sofort einen unterschied hören, sie schien Lilith zu vertrauen und sie zu mögen. Sie brachte ihr nicht das Misstrauen entgegen, mit welchem sie die Drachenjäger betrachtete.
„Wenn wir uns hier schon wieder sehen, dann hoffe ich, dass du mir einige Fragen beantwortest."
„Soweit ich das kann, ich bin nicht allwissend, ich war nur ein Bote." Erst jetzt schien sie Jack wahr zu nehmen, sie musterte ihn aufmerksam.
„Das ist mein Kampfpartner Jack, er weiß von allem was mir passiert ist." Nuy schien die verstecke Nachricht zu verstehen, Lilith hatte ihm alles erzählt.
„Was ist eigentlich mit deinem Gesicht passiert?" Die Schwellung war nur geringfügig zurückgegangen, und ihre eine Gesichtshälfte leuchtete in einem kräftigen blau-violett.
„Ich hatte eine unangenehme Begegnung mit meinem Onkel."
„Hätten deine Freunde dich nicht gerettet, so hätte er mich wahrscheinlich beauftragt dir zu helfen."
„Siehst du ihn öfters?" Lilith hatte nur eine Vermutung von wem sie sprach, wusste es nicht mit Sicherheit.
„Er ist sehr mächtig, er beherrscht etwas, das nur sehr wenige können. Er spricht in meinen Gedanken zu mir." Wenn jemand ihr Gespräch belauschte, so mussten ihn die Worte bestimmt verwirren. Auch Lilith kam der Gedanke eines unliebsamen Zuhörers, doch alle Drachenjäger außer ihr und Jack saßen etwas entfernt und aßen.
„Lilith, Jack ihr solltet auch etwas essen." Theodor klopfte auffordernd neben sich. Lilith lächelte dem Mädchen entschuldigend zu, dann gingen sie zu ihrer Gruppe.
„Du kennst sie?" fragte der Meister sofort aufmerksam.
„Ich bin ihr schon einmal begegnet Sir."
„Weißt du etwas mehr über sie?"
„Nur ihren Namen, sie heißt Nuy." Lilith verschwieg absichtlich ihre komische Unterhaltung und die Botschaft des unbekannten Mächtigen.
„Vertraust du ihr?"
„Ich denke schon, ich glaube nicht, dass sie uns etwas Böses tuen würde. Außerdem wirkt sie wirklich nett und intelligent." Lilith sah in die Richtung, wo das Mädchen zuvor noch gestanden hatte, sie war verschwunden.
„Vielleicht erzählt sie uns ja noch mehr, immerhin sind wir mehrere Tage hier. Solange, bis wir genaueres wissen. Immerhin jagen wir nicht jeden beliebigen Drachen, sondern den, der Dörfer und Höfe abbrennt und Menschen tötet." Jeder Drachenjäger kannte den Ehrenkodex des Ordens, sie waren nicht da, um die Drachen aus zu rotten, sie sollten das Reich lediglich vor denen beschützen, die dieses Gefährdeten. „Morgen früh, werden wir entscheiden wer wohin reitet, natürlich bleiben auch eine Handvoll von uns hier und passen auf das restliche Gepäck auf, vielleicht lässt sich auch etwas aus der hier wohnenden Familie herausbekommen." Der Meister sprach nun zu allen, wieder bekam er als Antwort nur zustimmende Geräusche oder Gesten.
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