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Als sie am nächsten Morgen weiter ritten, hatte der Meister Lilith einen Platz relativ weit hinten in der Gruppe zu geteilt. Er meinte, dass sie dort am sichersten sei und ihren Arm im Falle eines Angriffes am besten schonen könnte. Tom hatte dem zu widersprechen versucht, er meinte, dass sie keinen Angriff zu befürchten hätten, keiner dieser Halunken sei so dumm eine so große Gruppe an zu greifen. Doch der Meister ließ sich nicht beirren. Er befahl Tom stattdessen, ganz vorne zu reiten und ihnen den Weg zu zeigen. In Wirklichkeit wollte der Meister allerdings, dass Lilith so wenig wie möglich mit ihrem Onkel zu tun hatte.
Vor ihrem Aufbruch hatte die Frau, die Lilith gepflegt hatte, dem Meister noch ein Päckchen für ihre Tochter gegeben, dieses gab der Meister an Lilith weiter. Er meinte zu ihr, dass sie wohl am besten an die Fürstin, ihre Tante heran kommen würde.
Die letzten zwei Tage ihres Rittes bis zu Toms Burg verliefen ruhig, sie begegneten kaum jemandem und übernachteten in einem Gasthaus.
Als sie dann die Burg erreichten, waren die meisten der Drachenjäger erstaunt, wie viele Wachen auf den Zinnen und im Burghof zu sehen waren. Der Burgherr beauftragte einige der Soldaten sich um die Pferde zu kümmern, dann führte er die Drachenjäger in ein großes Gebäude. Er wies den Drachenjägern Zimmer zu in welchen sie mindestens zu viert schlafen sollten, wie lange sie auf der Burg verweilen würden, wusste keiner.
Die Drachenjäger nutzten die Tage auf der Burg zum Trainieren, zwar mussten sie aufgrund von Platzmangel das Burggelände verlassen aber auf diese Weise nutzten sie die Zeit wenigstens Sinnvoll. Lilith gönnte ihrem verletzten Arm nur wenige Tage lang Ruhe, dann war sie wieder mit vollem Körpereinsatz beim Training dabei. Ihr Onkel dagegen ließ sich kaum noch bei den Drachenjägern blicken, nur noch bei den Mahlzeiten bekamen sie ihn zu Gesicht.
Auch hatte sie auf der Burg endlich die Frau ihres Onkels kennen gelernt, zwar waren die beiden schon seit fünf Jahren verheiratet, doch sie hatte der Hochzeit nicht beiwohnen können. Während der Ausbildung gab es nur sehr wenige Gründe, wegen welcher man das Training für einige Tage unterbrechen und das Institut verlassen konnte. Die Hochzeit des Onkels gehörte nicht dazu.
Lilith verstand sich gut mit ihrer angeheirateten Tante, obwohl sie sich schnell darauf geeinigt hatten, dass Lilith sie nicht Tante nannte. Immerhin war sie keine fünf Jahre älter als Lilith, sie verbot sich jede Bemerkung über den Altersunterschied, sie fand es komisch aber es gehörte trotzdem zum Alltag. Den Drachenjägern fiel schnell auf, dass der Burgherr es nicht gerne sah, wenn ein Mann länger mit seiner Frau redete, deshalb verboten sie sich jedes Gespräch mit ihr. Deshalb durfte Lilith ihr viel über die Drachenjäger erzählen, Dinge die ihr Onkel seiner Frau verschwiegen hatte.
Sie waren schon eine Woche auf der Burg, als eines Mittags Gruppe von drei Reitern auf sie zu ritt. Schnell erkannte man sie als Drachenjäger.
„Ihr bringt Antwort vom Großmeister und habt uns noch jemand mitgebracht?" fragte der Meister sie noch bevor ihre Füße den Boden berührten.
„Ja wir bringen eine Nachricht vom Großmeister und wir haben Theodor aus dem Haus der weißen Flammen mitgebracht." Einige der Drachenjäger, vor allem aber Lilith, waren erstaunt wer der Neuankömmling war. Er hatte also die Meisterschule für diese Expedition verlassen.
„Willkommen, es freut mich dich hier zu haben." Begrüßte ihn der Meister freundlich. „Lilith, Jack bringt ihr sie bitte in die Burg, ihr kennt euch dort schon etwas besser aus als sie."
„Warum wundert es mich nicht, dich hier zu sehen?" fragte Theodor Lilith.
„Weil wir beide aus einer Familie stammen."
„Sogar bei uns hat über dich geredet. Der weiße Drache der mit fünfzehn den Eid spricht und auch noch einen Kampfpartner hat. Von ihrer ersten Jagd in dem Alter ganz zu schweigen." Er lächelte sie stolz an. „Du bist demnach ihr Kampfpartner?" fragte er Jack. Dieser nickte nur.
„Mein Cousin wird sich bestimmt freuen mich zu sehen."
„Onkel Tom wird wohl eher verwundert sein, bisher hat uns keiner gesagt, dass du mitkommen würdest."
„Der Meister wird es euch bald erklären, noch ist es ein Geheimnis. Ich hätte übrigens nichts dagegen, wenn wir einen kleinen Kampf gegeneinander kämpfen würden, sobald unsere Pferde versorgt und unser Gepäck in unsrer Unterkunft ist." Er sah seine Großcousine freundlich an.
„Gerne."
„Das letzte Mal als wir gegeneinander gekämpft haben warst du noch viel kleiner, es ist bestimmt sechs Jahre her. Du warst damals grauenvoll." Jack musste sich wohl daran erinnert haben, denn er fing sofort zu lachen an.
„Sie hat sich inzwischen verbessert." Sagte er schnell.
„Natürlich hat sie das, warum sonst ist sie wohl schon so früh ein Drachenjäger." Zwei Stallburschen nahmen die Pferde der neu angekommenen entgegen, dann betraten sie das Gebäude in welchem sie alle untergebracht waren.
„Und wie geht es deinem Onkel, es ist schon eine ganze Weile her, dass ich ihn das letzte Mal gesehen habe." fragte Liliths Großcousin sie nach kurzem Schweigen.
„Soweit ich weiß geht es ihm gut." Antwortete Lilith ausweichend, sie wagte es nicht genaueres zu erzählen, wagte es nicht seine Veränderung zur Sprache zu bringen.
An diesem Abend saßen nur die Drachenjäger am Tisch, sie hatten um einen separaten Raum gebeten, da ihre Besprechung und Planung streng geheim sein. Sie alle waren froh, dass der Herr der Burg an diesem Tag nicht da war.
„Ich gehe davon aus, dass ihr alle die Ankunft unserer fehlenden Expeditionsmitglieder mitbekommen habt. Da ihr bestimmt alle wissen wollt, weshalb sie hier sind, werde ich euch jetzt in die ganze Sache einweihen. Nach dem Vorfall in Azurn und dem Verhalten von Tom, hielt ich es für besser dem Großmeister Bericht zu erstatten. Ich habe ihm auch von dem Vorfall hier im Norden berichtet, von dem Angriff auf den Hof. Ich bat ihn, aus weiser Voraussicht die sich leider bestätigt hat, nach Theodor aus Hause der weißen Drachen zu bitten sich uns anzuschließen. Wir haben Liliths Eltern versprochen, dass ein Familienmitglied an der Expedition teilnehmen wird und wir halten uns an unsre Versprechen." Der Meister sah einmal streng in die Runde. „Durch Theodors Anwesenheit, muss Tom nicht mehr mitkommen, ich bin mir zwar sicher, dass er nicht sehr erfreut darüber sein wird, doch das muss ich in Kauf nehmen. Ich kann ihn nicht mitnehmen, er missachtet mein Befehle und zeigt offen, dass er mich nicht Respektiert. Außerdem dulde ich keine Drachenjäger in meiner Gruppe, die Hand gegen einen der ihren erheben." Fast alle Augenpaare richteten sich fragend auf Lilith. „Ich bitte euch alle, ein wachsames Auge auf sie zu haben, vor allem nachdem ich ihrem Onkel gesagt habe, dass er nicht weiter mit uns mitkommt."
„Er hat was getan?" Theodor klang entsetzt als er sich an Lilith wandte.
„Das ist nicht weiter wichtig." Antwortete sie schnell. Die Aufmerksamkeit die der Meister auf diese ganze Sache gelenkt hatte war schon schlimm genug, der Ruf ihrer Familie konnte so zu Schaden kommen.
„Oh doch, das ist es. Und wenn du dich aufgrund der Ehre unsrer Familie davor scheust es mir zu sagen, die Drachenjäger werden unsere Familie nicht für einen einzelnen verurteilen. Während der Reise wurde mir erzählt, dass ihnen eine kleine Veränderung aufgefallen sei, das wurde mir von anderen auch bestätigt." Sein Blick war forschend.
„Es ist wirklich nichts, er hat mich nur darauf hingewiesen, dass er das Familienoberhaupt ist und ich ihm nicht zu widersprechen habe." Dies entsprach schließlich der Wahrheit.
„Das ist noch nicht alles."
Bevor Lilith antworten konnte, wurde die Tür aufgerissen und der, anscheinend wütende, Herr der Burg betrat den Raum. „Was geht hier vor sich? Warum erfahre ich nichts davon, dass es ein neues Mitglied bei der Jagd gibt? Oder eher, warum erfahre ich es durch meine Männer, nicht aber durch euch?"
Theodor erhob sich langsam und würdevoll von seinem Platz. „Ich freue mich auch dich zu sehen Cousin, es ist schon zu lange her. Dich konnte keiner von meiner Ankunft unterrichten, da sie selber nichts davon wussten." Seine Stimme klang zuckersüß.
„Aber du wirst doch wohl Gründe haben hier zu sein Theodor. Immerhin verlässt man die Meisterausbildung nicht so einfach."
„Es ist nichts schlechtes daran, wenn man die Meisterausbildung für eine Jagd ruhen lässt. Das wird sogar gerne gesehen aber nur selten gemacht." Lilith fragte sich ob er unterschwellig die abgebrochene Ausbildung ihres Onkels ansprach.
„Dennoch finde ich es nicht gut von dir, dass du mir nichts davon erzählt hast." War ihm überhaupt bewusst wie er sich benahm? Alle Drachenjäger folgten der Unterhaltung mit wachsendem Interesse.
„Mein lieber Tom, ich würde gerne mit dir einen Moment alleine reden. Theodor, begleitest du uns?" Der Meister hatte sich ohne zu zögern in das Gespräch eingemischt.
„Ich hoffe, du kannst mir diese ganze Sache erklären. Immerhin gibst du dich ja als Anführer dieser Expedition." Er wollte noch mehr sagen, doch Theodor schob ihn einfach aus dem Raum. Der Meister nickte noch einmal in die Runde, dann folgte er ihnen.
„Hat er grad wirklich so mit dem Meister geredet?"-„War er von Anfang an derart Respektlos?"-„Behandelt er alle aus seiner Familie auf diese Weise?" Lilith hörte die Stimmen und wollte sie doch nicht wahrnehmen. Sie legte ihren Kopf auf ihre Arme. Diese Schande, dieser Schmach. Wie konnte ihr Onkel sich nur so vor den anderen benehmen. War er nun gänzlich verrückt geworden?
„Lilith, ist alles in Ordnung? Sein Auftritt muss schrecklich für dich gewesen sein, aber wir glauben, dass das an ihm liegt. Keiner denkt schlecht über dich oder deine Familie, du wirst viel mehr bewundert und alle alten Familien werden respektiert, unabhängig ihrer Mitglieder." Anna legte Lilith einen Arm um die Schultern.
„Sie hat vollkommen Recht Lilith." Kam es jetzt von einem der anderen.
„Brüder, Schwestern. Erhebt mit mir euer Glas und lasst uns auf Lilith anstoßen. Das jüngste Mitglied unsrer Expedition, sie ist trotz ihres Alters so würdig hier zu sein wie wir anderen auch." Diese Worte kamen von Carlo.
„Ein Hoch auf Lilith." Vorsichtig hob diese nun ihren Kopf, ausnahmelos alle Drachenjäger hatten ihre Becher in die Luft gehoben.
An diesem Abend saßen die Drachenjäger noch lange zusammen, zwar warteten sie noch eine Weile auf die Rückkehr des Meisters und Theodors, doch diese schienen noch länger weg zu sein. Gerade als eine Gruppe am Überlegen war, ob sie die beiden suchen sollten, öffnete sich die Tür. Der Meister sagte ihnen nur kurz, dass ihr Gastgeber sie nicht weiter begleiten würde und dass er Theodor in die genauen Pläne einweihen würde. Damit gaben sie sich dann zufrieden.
Im Raum wurde es zunehmend wärmer, weshalb Lilith sich dazu entschloss, das Fensterbrett für sich zu beanspruchen. Eigentlich unterhielt sie sich mit Jack, Clara und Carlo, doch Jack war gerade mit Carlo in eine Diskussion vertieft und Clara war kurz verschwunden um sich noch etwas zu essen zu holen. Da Lilith nun keinen Gesprächspartner hatte, sah sie aus dem Fenster. Unten im Hof war noch einige los und es hatte den Anschein, dass eine Person gerade erst hinzugekommen war. Lilith war erstaunt, als sie feststellte, dass ihr die Gesichtszüge des Fremden vage bekannt vorkamen. Weshalb dies der Fall war, wurde ihr erst bewusst, als das Gesicht des Fremden vom Fackelschein erhellt wurde. Schnell ließ Lilith sich vom Fensterbrett ins Innere des Raumes gleiten, sie wollte um keinen Preis entdeckt werden.
Was tat dieser Mann hier? Ihr war nicht einmal bewusst gewesen, dass er den Kampf überlebt hatte. Zu gerne wäre sie unten im Hof gewesen um heraus zu finden weshalb er hier war. Wie ein Gefangener sah er jedenfalls nicht aus. Vorsichtig spähte sie wieder nach draußen.
„Was ist?" Fragte Jack sofort als er ihre Anspannung bemerkte.
„Dort draußen ist einer der Männer die den Hof angegriffen haben."
„Das ist unmöglich, wir haben alle getötet die dort waren." Warf Carlo ein.
„Auch den, dessen Kleidung ich mit einem Pfeil an der Wand befestigt habe?"
„Es war keiner an der Wand, davor lag nur ein Pfeil, was mich persönlich etwas verwirrt hat. Ich hatte bisher immer den Eindruck das du richtig gut mit dem Bogen umgehen kannst, dieser Pfeil sah aus als hättest du dein Ziel weit verfehlt."
„Ich habe nur seine Kleidung erwischt, aber es war auch eher nur eine Drohung, ich hab nicht gezielt."
„Bist du dir ganz sicher?" Jacks Aufmerksamkeit hatte allem Anschein nach dem Geschehen draußen gegolten, nicht ihrer Unterhaltung.
„Ja ich bin mir ganz sicher."
„Du willst da raus? Du willst wissen was er hier tut?" Jack sah sie forschend an.
„Du etwa nicht?"
„Doch, aber es ist viel zu gefährlich. Wenn dein Onkel uns erwischt, dann hast du ein echtes Problem. Das kannst du nicht wollen Lil. Schau mich nicht so an, ich will dich nicht in Gefahr bringen."
„Du willst doch auch raus, und uns wird schon keiner sehen. Wir können leise sein und unauffällig. Außerdem ist es eh dunkel. Wenn du nicht selber unbedingt daraus gehen wollen würdest, dann würdest du mich anders davon abhalten."
„Hört auf damit! Es ist echt unheimlich, dass ihr wisst was der andere denkt." Carlo sah verwirrt zwischen ihnen beiden hin und her. „Und ihr nehmt mich wenn dann mit."
Lilith und Jack tauschten einen Blick. „Ok, aber wehe wir fallen wegen dir auf." Sagte Jack dann.
„Und auf einmal seid ihr beide einer Meinung. Ihr seid wirklich komisch." Er sah sich einmal im Raum um. „Clara hat sich allem Anschein nach in ein anderes Gespräch vertieft. Wir sagen einem der älteren kurz dass wir nach draußen gehen, ok?"
„Wer hat gesagt, dass du mit darfst?"
„Jetzt hör aber auf Jack, warum sollte er nicht mitkommen." Und somit war es eine beschlossene Sache.
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