Kapitel 8: Begegnung

Kirishimas PoV

Als ich aus dem Schatten der Bäume trat, stand die Sonne tief über dem Meer und die salzige Seeluft umfing mich. Einen Moment hielt ich inne und betrachtete den atemberaubenden Ausblick. Noch nie zuvor hatte ich das Meer gesehen. Die überwältigende Weite, die sich vor mir erstreckte, raubte mir einen Moment den Atem. Doch an dem Sonnenstand erkannte ich, dass es bereits spät am Abend war und ich mich auf die Suche nach einer Unterkunft für die Nacht machen sollte.

Ich folgte dem Weg aus dem Wald heraus, der sich immer mehr weitete und schließlich zur Hauptstraße des kleinen Dorfes wurde. Unbewusst zog ich ein wenig die Schultern hoch, als ich die ersten Häuserreihen passierte. Ich wusste, dass mit aller größter Wahrscheinlichkeit die Truppen des Königs, allen voran der gefürchtete Drachentöter Bakugou in diesem Dorf waren und vermutlich auf mich warteten.

Die Straßen waren nicht mehr sehr belebt, was mich wenig verwunderte, da die Dämmerung schon eingebrochen war. Etwas verloren sah ich mich um. Ein Junge von ungefähr acht Jahren lief an mir vorbei, allem Anschein nach in dem Bestreben nach Hause zu gehen.

„Hey, Entschuldigung!", rief ich und hielt ihn auf. Der Junge sah mich aus großen Augen an. Seine Kleidung war verdreckt, als hätte er den ganzen Tag draußen gespielt. Verlegen kratzte ich mich am Hinterkopf. „Sag mal, wo ist hier eine Herberge? Ich brauche einen Platz zum Schlafen.", fragte ich ihn leise.

Der Junge zuckte mit den Schultern. „Normalerweise würde ich sagen du solltest ins Gasthaus Kaizawa gehen. Aber das ist voll." Dann musterte ich mich kurz und ich schluckte unbehaglich. „Die einzige andere Herberge ist auf der anderen Seite des Dorfes.", er deutete die Hauptstraße entlang. „Du hast ein bisschen Pech. Die ist deutlich teurer, mein Papa sagt der Besitzer ist ein Halsabschneider." Er lächelte mich schüchtern an.

Ich lächelte zurück. „Vielen Dank, Kleiner."

Der Junge drehte sich um und lief weiter. Ich seufzte geschlagen. Deutlich teurer, ja? Würde mein begrenzter Geldbeutel das aushalten? Eigentlich musste ich sparsam sein, aber mir blieb wohl keine andere Wahl. Denn als der Junge sagte, die Herberge wäre voll hatte ich schnell eins und eins zusammengezählt. In einem kleinen Dorf wie Tamio, kamen selten so große Gruppen, die ein gesamtes Gasthaus belegten. Ich verwettete mein Leben darauf, dass dort die Truppen des Königs hausten.

Ich folgte der Richtung, die der Junge mir gewiesen hatte und ging die Hauptstraße herunter. Zum Glück war das Schild mit dem Namen der Herberge leicht zu finden. Ich wollte so wenig Aufmerksamkeit wie möglich erregen, und hätte nicht gerne groß herumgefragt.

Zögernd stieg ich die hölzernen Stufen herauf, öffnete die schwere Tür und trat ein. Ich ging zum Tresen, der nicht besetzt war. Unsicher stand ich dort einen Moment, bis ich die kleine Klingel bemerkte und sie betätigte.

Aus dem Hinterzimmer kam eine junge Frau und lächelte mir freundlich zu. „Was kann ich für Sie tun?"

Ich räusperte mich. „Ich bräuchte ein Zimmer für eine Nacht."

Sie nickte und drehte sich um, um von einem Brett an der Wand einen Schlüssel herauszusuchen. Lächelnd legte sie den Schlüssel mit der Nummer 108 auf den Tresen. „Das macht dann ein Goldstück für eine Nacht."

Ich schluckte. Das war etwa die Hälfte meines gesamten Geldes. Sollte ich nicht doch lieber irgendwo draußen schlafen? Aber ich verwarf den Gedanken und griff zögernd nach meinem Geldbeutel und zählte 8 Silberstücke ab, die dem gleichen Wert entsprachen. Ich legte das Geld auf den Tresen, hielt aber meinen Daumen drauf bevor ich fragte: „Ist das Essen inklusive?"

Sie nickte. „Abendessen und Frühstück sind enthalten." Erleichtert atmete ich auf. Ansonsten wäre der Preis auch mehr als unverschämt gewesen. Teuer war es immer noch. „Aber für das Abendessen sollten Sie sich beeilen. Die Küche macht bald zu." Sie schob mir den Schlüssel zu. „Der Speiseraum, befindet sich hier unten, gleich neben der Treppe und ihr Zimmer ist in der ersten Etage. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt." Damit verschwand sie wieder im Hinterzimmer, bevor ich noch ein weiteres Wort sagen konnte.

Ich nahm den Zimmerschlüssel und ging schnell die Treppe hinauf, um meine wenigen Habseligkeiten abzulegen. Ich sah mir kurz in dem winzigen Raum um. Für das Geld hätte er tatsächlich größer sein können, aber das Bett schien weich und alles in allem war es sauber. Mein Magen erinnerte mich daran, dass es längst Essenzeit war und ich lief hektisch die Treppe wieder herunter und direkt den kleinen Speisesaal.

Er war beinahe leer. Schnell ging ich zur Ausgabe und traf dort einen genervten Angestellten, der die Küche wahrscheinlich gerade schließen wollte. Dennoch händigte er mir einen großen Teller Suppe mit Brot aus, den ich dankend annahm. Ich suchte mir einen Tisch in der Ecke, von dem aus ich den ganzen Raum überblicken konnte. Ich war nun einmal ein Verfolgter und wollte lieber alles im Blick haben.

Dann bemerkte ich die zweite Person, die im Raum saß. Es war ein junger Mann in meinem Alter, vielleicht auch wenig älter, mit aschblonden Haaren, die ihm wild vom Kopf standen. Er hatte sich genauso wie ich eine Ecke des Raumes ausgesucht, und saß dadurch quasi gegenüber von mir. Er hatte seine Suppe nur halb aufgegessen und an den Rand geschoben. Stattdessen brütete er über einem ausgebreiteten Stück Pergament.

Neugierig versuchte ich auf den Tisch zu spähen. Es war eine Karte. War er ein Reisender? Ich widmete mich meinem Essen und begann die noch heiße Suppe löffeln. Auch wenn es eigentlich nichts weiter als ein einfacher Eintopf war, tat das warme Essen unglaublich gut nach der langen Wanderung. Dennoch glitt mein Blick immer wieder zu dem Blondschopf. Er hatte in Konzentration seine Augenbrauen ein wenig zusammengezogen, sodass sich über seiner Nase eine kleine Falte gebildet hatte. Er kaute ein wenig auf seiner Unterlippe, was verdammt süß aussah. Warte was? Aber ja, er sah tatsächlich ziemlich gut aus.

Als ich fertig mit dem Essen war, saß er immer noch wie angewurzelt auf seinem Platz und studierte die Karte vor sich. Wie lange tat er das wohl schon? Dann sah er plötzlich auf. Seine roten Augen durchbohrten mich geradezu, als er mich beim Starren erwischte. Er hob fragend eine Augenbraue.

Ich schaute verlegen weg und errötete ein wenig. Warum musste ich jetzt rot werden? Ich griff nach meinem Teller und wollte ihn zurück zur Ausgabe bringen, beschloss dann aber etwas zu wagen. Ich ging auf den Blonden zu und lächelte ihn schüchtern an, natürlich wie immer in dem Bemühen keine Zähen zu zeigen.

„Dürfte ich vielleicht einen Blick auf die Karte werfen?", fragte ich höflich und deutete auf die Karte, die vor ihm auf den Tisch ausgebreitet war.

Er beobachtete mich, als ich näherkam und runzelte die Stirn. Wie konnte man nur so gut aussehen? Sein Blick wanderte über meinen Körper und ich musste den Drang unterdrücken, die Weste ein wenig herunter zu ziehen. Sein Blick haftete kurz an meinen roten Haaren, dann zuckte er mit den Schultern und drehte mir die Karte zu.

Mein Blick wanderte über das Pergament. Noch nie hatte ich eine Karte gesehen, auf der das gesamte Königreich verzeichnet war. Zwar war sie dadurch nicht sonderlich detailliert und zeigte nur wenige Dörfer neben den drei großen Städten des Landes, aber sie verschaffte einen guten Überblick. Nun ja, zumindest wenn man wusste, wo man war.

„Ähm, wo sind wir denn gerade?", fragte ich verlegen lächelnd.

Der Blonde schnaubte. „Bist du zu beschränkt, um eine Karte zu lesen?", fragte er und deutet mit dem Finger auf den Punkt, der in schwer leserlicher Schrift mit dem Namen Tamio bezeichnet war.

Ich zuckte zusammen. Aber nicht wegen der Beleidigung. Es war die Stimme. Die Stimme des Drachentöters.

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