Kapitel 12: Einsamkeit
Bakugous PoV
Es war erst wenige Stunden her, dass Red und ich uns verabschiedet hatten und trotzdem fühlte ich mich jetzt schon hohl und hatte das Gefühl, dass irgendetwas fehlte. In den letzten drei Jahren hatten wir viel Zeit miteinander verbracht, zusammengewohnt und den Alltag geteilt. Aber wie sehr ich ihn wirklich brauchte merkte ich erst jetzt, wo ich auf die karge Ebene vor mir blickte.
Ich zog die Augenbrauen zusammen und fasste die Zügel fester, während ich in einem ruhigen Galopp die Bergausläufer entlang ritt. Wie sehr er mich doch verändert hatte. Bevor ich ihm begegnet bin, hatte ich nie jemanden an mich herangelassen. Es gab einige wenige Personen, denen ich vertraute wie zum Beispiel Mina oder Aizawa. Aber wirklich Freundschaft geschlossen hatte ich zuvor mit niemanden. Und es hatte mich nie gestört. Ich war der Prototyp des einsamen Wolfes, der niemanden brauchte. Doch jetzt war ich nur wenige Stunden von Red getrennt und die Einsamkeit nagte an mir.
Es war nicht die Anzahl der Stunden, seitdem wir in unterschiedliche Richtungen aufgebrochen waren. Nein, während der letzten Jahre war Red hin- und wieder für den Orden für ganze Tage unterwegs gewesen. Aber diesmal war es etwas anderes. Diesmal wusste ich nicht, wann wir uns wiedersehen würden. Es war kaum abzusehen wie lange meine Mission dauern und wie viel Zeit Red im Reich der Drachen verbringen würde.
Ich trieb mein Pferd ein wenig mehr an. Vielleicht war es unvernünftig schon zu Beginn des langen Weges das Tier so zu triezen, aber ich konnte nicht anders. Jede Minute, die ich früher in der Hauptstadt ankommen würde, würde ich früher zurückkehren und somit früher bei Red sein. Theoretisch zumindest, denn wenn Red länger als ich brauchen würde, machte es keinen Unterschied.
Ich seufzte geschlagen und betrachtete die Landschaft vor mir. Öde. Es war keine Menschenseele zu sehen. Ich ritt noch immer die Bergausläufer entlang, immer weiter Richtung Osten. Der Weg quer über die Ebene direkt zu Hauptstadt wäre kürzer, aber ich hatte nicht genug Proviant für so eine solche Reise dabei und musste daher so schnell wie möglich zu einer Wasserquelle. Daher hatte ich vor, solange in den Osten zu reiten, bis ich den Fluss Kirano erreichte, um ihm dann in Richtung Süden bis zur Hauptstadt Shiyama zu folgen.
Aber es gab noch einen anderen Grund warum ich diese Route wählte. Ich würde auf diese Weise an meinem Heimatdorf Tsumari vorbeikommen. Seit der Zerstörung meiner Heimat war ich nicht mehr dort gewesen. Das war nun viele Jahre her und ich hatte mich seitdem in vielerlei Hinsicht verändert. Ich wusste nicht, ob das Dorf wiederaufgebaut wurde und es somit neu begonnen hatte zu existieren oder ob es komplett aufgegeben wurde. Warum ich so gerne noch einmal den Ort meiner Kindheit sehen wollte, dem Ort wo für mich alles endete und ich als Drachentöter des Königs neu geboren wurde, wusste ich nicht genau.
Während ich den ganzen Tag ohne Rast der Gebirgskette folgte bemerkte ich hin- und wieder Anzeichen von Zivilisation. Einzelne Häuser und kleine Dörfer versteckten sich in den Bergausläufern. Einzelne Orte kamen mir bekannt vor. Ich ritt das Gebiet entlang, das ich direkt nach meiner Ausbildung öfter besucht hatte. Zu dieser Zeit gab es noch regelmäßig Drachenangriffe und mein Schwert hatte viele von ihnen niedergestreckt. Seltsamerweise lief mir bei der Erinnerung ein Schauer über den Rücken.
Früher hatte ich mich den Drachen furchtlos entgegengestellt und auch jetzt würde ich keine Sekunde zögern mich zu verteidigen, wenn mich einer angriff. Aber es hatte sich so viel verändert. Es war nicht so, dass ich den Drachen verziehen hatte, was sie mir und vielen anderen Menschen angetan hatten. Nein, das würde ich wahrscheinlich nie. Aber durch Red, und ja ich gebe es zu, auch durch den Orden hatte sich meine Sichtweise vollkommen verändert. Red hatte mir erzählt, was der grüne Drache, den wir angetroffen hatten, ihm gesagt hatte. Seine Eltern wurden auf brutale Weise von Menschen ermordet. Er hatte den gleichen Antrieb wie ich gehabt. Wie könnte ich ihm seine Taten verübeln, wo ich doch selbst nicht anders gehandelt hatte? Ich hatte ein seltsames Verständnis für seine Taten, auch wenn ich sie in keiner Weise verteidigen wollte. Es war dennoch grausam, was geschehen ist.
Es war seltsam so hin- und hergerissen zu sein. Schon immer war ich mir meiner Taten bewusst gewesen. Selbstsicher. Stark. Hitzköpfig. So könnte man mich beschreiben. Doch dieser Funken Unsicherheit nagte an mir. Denn wenn ich kein starker unbeugsamer Drachentöter war ... wer war ich dann? Solange ich an Reds Seite war, hatte ich mir diese Frage nie gestellt. Es hatte mir vorläufig genügt in seiner Nähe zu sein.
Ich seufzte und nahm die Zügel ein wenig auf und setzte mich schwer in den Sattel, wodurch das Pferd in einen ruhigen Schritt überging. Die Sonne stand bereits tief und es würde nicht lange dauern, bis die Dämmerung einbrechen würde. Mein Körper war steif und mein Hintern tat mir weh von dem langen Ritt und ... nun ja vielleicht auch ein wenig von Red.
Als ich eine kleine Einhöhlung in einer der Hügel fand, beschloss ich, dass es Zeit wurde für heute Rast zu machen. Ich stieg von meinem Pferd, sattelte es ab und löste das Bündel mit den Decken und den Proviant. Ich zog den Umhang fester um meine Schultern. Am Himmel stand keine Wolke. Wahrscheinlich würde es eine kalte, sternenklare Nacht werden. Ich suchte den Boden nach etwas Brennbarem ab, fand aber nur vereinzelte Zweige. Notdürftig schichtete ich sie übereinander, bevor ich nach der Zunderbüchse suchte. Lange kramte ich in den Taschen, bis ich das kleine Schächtelchen fand und ein kleines Feuer entfachte. Mit Red an meiner Seite und seinem Feueratem hatte ich es schon lange nicht mehr gebraucht.
Ich wickelte mich in eine der Decken und lehnte mich an die Felswand, während ich die tänzelnden Flammen betrachtete. Dann schloss ich müde die Augen und tastete nach Reds Markierung an meinem Hals.
Lass die Zeit bis zu unserem Wiedersehen schnell vergehen.
Kirishimas PoV
Den ganzen Tag war ich weiter Richtung Norden geflogen. Die Berge unter mir wurden immer höher, bis ich bemerkte, dass die Spitzen schneebedeckt wurden. Es war ein seltsames Gefühl so vollkommen ins Ungewisse zu fliegen. Weder der Orden noch Katsuki noch sonst ein Mensch, der heutzutage lebte, war jemals jenseits der Berge gewesen. Zumindest soweit ich wusste. Jedenfalls gab es keinerlei Aufzeichnungen über das Herrschaftsgebiet der Drachen und mir blieb nichts anderes übrig, als mich durchzufragen.
Ich vermisste Katsuki jetzt schon. All die Unsicherheiten, die mich hin- und wieder plagten, hatte ich in seiner Nähe stets überwunden. Dieser starrköpfige unbeugsame Mann gab mir immer Kraft und Selbstsicherheit, und ich wusste nicht wie ich eine solche Mission ohne ihn bewältigen sollte.
Die Unsicherheit überflutete mich. Wie würde die Mission ablaufen? Wie würden die Drachen auf einen Mischling wie mich reagieren? Wie waren die Drachen allgemein? Und wann würde ich Katsuki wiedersehen?
Ich kniff kurz die Augen zusammen und schüttelte den Kopf, um all die Gedanken loszuwerden. Es half alles nichts: Ich musste einfach mein Bestes geben, denn wer außer mir konnte diese Mission erledigen? Ich sollte mir ein Beispiel an Kat nehmen, der immer instinktiv wusste, wo seine Aufgaben lagen und was er tun musste. Genauso wie er sofort begriffen hatte, wie er am hilfreichsten an dieser Mission teilhaben konnte.
Ich atmete stoßweise die Luft aus, die ich unbewusst eingehalten hatte. Rauch stieß aus meinen Nüstern. Langsam wurden meine Flügel schwer. Es war lange her, dass ich so lange am Stück geflogen war. Die Landschaft unter mir hatte sich nur geringfügig verändert, aber ich hatte das Gefühl, dass ich den Zenit des Gebirges überflogen hatte und die Berge allmählich wieder kleiner wurden. Dennoch wirkte die Umgebung unter mir karg und öde und ich suchte lange, bis ich einen geeigneten Platz zum Landen fand.
Ich steuerte den kleinen Felsvorsprung an und schlug bei der Landung heftig mit den Flügeln, bis meine Klauen den sicheren Boden erreichten. Erschöpft blickte ich mich um. Die Sonne stand bereits tief über den Bergen und tauchte sie in rotes Licht. Etwas wehmütig dachte ich an Katsukis und mein Haus, von dem wir einen ähnlichen Blick bei Sonnenuntergang hatten.
Ich rollte mich zusammen und bette den Kopf auf meinen Vorderbeinen. Dann schloss ich die Augen und dachte an meinen Gefährten. Eine Welle der Einsamkeit überkam mich. So einsam hatte ich mich das letzte Mal in jener Nacht gefühlt, als ich aus Nirakawa geflohen war.
Ich beeile mich Kat. Wir werden uns bald wiedersehen.
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