Kapitel 4
Kapitel 4
Während Quinn erzählte und aß, streichelte Rei sie die ganze Zeit. Das schlechtes Gewissen war ihm deutlich anzumerken, denn er kaute auf seinen Lippen herum. „Es tut mit wahnsinnig leid", sagte er zerknirscht, als sie geendet hatte. „Ich wollte dich nicht den ganze Strapazen aussetzen", gab er zu und nahm Quinns Hand, um sie an seine Lippen zu führen. „Das wird nie wieder vorkommen. Ich verspreche es dir."
So ganz konnte sie es nicht glauben und die Angst, dass er sie wieder aussetzte, würde wohl noch eine Weile bleiben. Dennoch liebte sie ihn und wollte bei ihm sein. Er würde ihr niemals wehtun. Jetzt, wo er wusste, dass es ihr wehgetan hatte, würde er es nicht wiederholen. Hoffte sie.
Quinn strich sanft seine Lippen mit ihrem Finger nach. "Ich bin so froh, nicht mehr allein zu sein", sagte sie, denn das Erzählen hatte ihr sehr gutgetan.
Der Wächter ließ den Kopf und die Schultern hängen. „Ich wünschte, ich hätte die Entscheidung nicht getroffen. Oder dass ich nach einem Tag zurückgekommen und mit dir dort gelebt hätte", sagte Rei niedergeschlagen.
"Jetzt bin ich wieder hier", meinte sie leise. "Ich bin so froh, dass ich es hergeschafft habe", flüsterte sie. "Legt Ihr Euch mit zu mir? Ich möchte nicht allein sein."
Zärtlich küsste Rei ihren Handrücken und nickte. „Ja. Ich möchte, dass du schläfst und dich ausruhst", sagte er liebevoll, aber auch besorgt. Ihr Zustand war nicht gut, das sah man sofort.
Ob es daran lag, dass sie sich so sehr verausgabt hatte? Er konnte sich vorstellen, wie schwer es gewesen war, von einer Insel zur nächsten zu fliegen. Vor allem, da sie nicht so viel Übung darin hatte.
„Möchtest du noch etwas essen oder trinken, bevor ich mich zu dir lege?", fragte Rei niedergeschlagen und zeigte auf das Tablett.
Sie schüttelte den Kopf. "Ich bin satt", meinte sie, obwohl sie nicht so viel gegessen hatte, wie Rei es gern gehabt hätte. Ob er sie vielleicht einfach füttern sollte?
"Sicher?", hakte er nach. "Wenn du nicht selbst essen kannst, kann ich dir helfen, aber wenn du wirklich satt bist ...", meinte Rei zweifelnd.
Quinn wirkte unsicher. "Ich bin zu müde, um zu essen", meinte sie mit einem schiefen Lächeln. "Vielleicht das ein oder andere Stückchen noch", gab sie sich geschlagen. Aber eigentlich nur, weil sie Reis besorgten Ausdruck etwas auflockern wollte.
Dieser fischte nach einem Stück getrocknetem Fleisch und hielt es ihr an die Lippen. "Oder möchtest du etwas trinken? Ich kann Liron auch bitten, dir eine kräftige Suppe zu machen", schlug Rei vor. Bisher hatte Quinn ihn noch nie so schuldbewusst gesehen. Ihm war klar, dass er falsch, aber trotzdem mit den besten Absichten gehandelt hatte.
Sie nahm das Stückchen vorsichtig mit ihrem Mund und kaute es genüsslich. "Ich kann Euer Handeln nachvollziehen", sagte sie sanft. "Ich bin Euch nicht böse. Ihr wolltet nur das Beste für mich und ich habe es wirklich versucht", gestand sie. Hätte sie gewusst, dass er vielleicht zu ihr zurückgekommen wäre, hätte es möglicherweise sogar länger funktioniert.
Fast schon hilflos zuckte Rei mit den Schultern. Langsam dämmerte es ihm, dass er in seinem Leben bisher eigentlich nur falsche Entscheidungen getroffen hatte. Er hielt Quinn noch ein Stück hin, nachdem sie hinuntergeschluckt hatte. "Oder magst du Brot? Der Kuchen ist ungenießbar. Liron hat Salz mit Zucker verwechselt."
Ein erheitertes Lachen entrang sich ihr. "So schlimm?", fragte sie und für einen Moment funkelten ihre Augen, bevor sie selbst nach einem Stück Fleisch griff. "Ich vermisse das Backen richtig."
„Probier den Kuchen und du wirst dich fragen, ob er nicht lesen kann", bemerkte Rei trocken und verzog angewidert sein Gesicht. Er hatte es gekostet und auch sofort bereut. Seitdem nahm er nichts mehr dergleichen in die Hand.
"Kann ich ein Stückchen bekommen?", fragte sie und wirkte wirklich, als würde sie es versuchen wollen.
Zögerlich machte Rei ein winziges Stück vom Kuchen ab. Es war gerade mal eine Ecke und nicht sonderlich viel, doch das würde reichen, um die Katastrophe zu schmecken. Rei hielt es ihr hin und meinte, dass es nicht seine Verantwortung war, wenn ihr danach schlecht wurde.
Quinn lachte leise und nahm das Stückchen in den Mund, bevor sie nachdenklich kaute. "Es schmeckt wie zu stark eingelegter Schinken", bemerkte sie und verzog etwas die Lippen.
„Es ist ungenießbar", behauptete Rei angewidert. Trotzdem konnte er nicht böse sein. Liron hatte sein Bestes versucht. Wahrscheinlich lag ihm das Backen einfach nicht oder er war abgelenkt gewesen.
Erneut lachte Quinn. "Ja, da habt Ihr Recht", bemerkte sie und sah sich nach etwas zum Trinken um.
Das hatte Rei schon geahnt, weshalb er ihr einen Tee hinhielt.
Diesen nahm Quinn dankbar. Er war mit Honig gesüßt, was ihr sehr gut gefiel.
Während sie trank, machte sie sich Gedanken um Rei. Er wirkte sehr betroffen.
So zerknirscht, wie er aussah, schien es wirklich eine Kurzschlusshandlung gewesen sein. Wahrscheinlich hatte er nicht mit den Folgen gerechnet. „Sobald du dich gestärkt hast, schlafen wir. In den nächsten Tagen werden wir zum Heiler fliegen. Ich muss sichergehen, dass es dir gut geht", sagte der Wächter ernst und fuhr sich müde übers Gesicht. Erst jetzt fiel Quinn auf, dass er nicht mehr derselbe war. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen und er wirkte sehr besorgt. Sicherlich hatte er sich auch Sorgen um sie gemacht, obwohl er sie einfach allein gelassen hatte.
Quinn hob die Hand und streichelte seine Wange. "Wie ist es Euch ergangen?"
„Nicht gut", gestand Rei und sah ihr in die Augen. Auch wenn er sie ausgesetzt hatte, Rei hatte sich so viele Sorgen um sie gemacht. Tagtäglich hatte er gehofft, dass es ihr gut ging. Die Ungewissheit hatte an ihm genagt. „Dein Teppich ist sehr schön geworden", bemerkte er mit dem Blick auf den Wandteppich.
Quinn lächelte sanft. "Ihr braucht ebenfalls etwas Ruhe", bemerkte sie.
Er nickte zustimmend, nahm ihr die leere Tasse aus der Hand und kroch dann zu ihr unter die Decke.
Sofort kuschelte Quinn an ihn und war kurz darauf eingeschlafen.
.
Drei Tage später entschied sich Rei, sie zum Heiler zu bringen. In der Zeit hatte Quinn sich ein wenig erholen können und genügend gegessen und getrunken. Er würde sie in seiner menschlichen Form tragen, da sie zu schwach war, den weiten Weg allein zu bewältigen. Das wollte Rei ihr auch nicht zumuten.
Allerdings schien sie zum Diskutieren aufgelegt, denn sie wollte, dass er als Drache startete. Als Mensch würde er sich nur verletzen und das wollte sie nicht.
In dem Punkt gab Rei jedoch nicht nach. Quinn war zu schwach, um sich festzuhalten und er würde es nicht riskieren, dass sie herunterfiel. Dafür zog er sich extra mehrere Schichten Kleidung an, um besser unter dem Mantel geschützt zu sein. Anschließend hob er sie einfach hoch und trat hinaus.
Quinn hielt sich an ihm fest und sagte nichts mehr. Sie wollte nicht, dass er sich verletzte, daher war es wichtig, dass sie Barafu schnell verließen.
Schon bald flogen sie über den Wolken und sie erkannte, dass er trotz der ganzen Kleidung leichte Verletzungen davon getragen hatte. Lag es an dem Stress und den Sorgen, die seine Verletzlichkeit noch schlimmer werden ließ? Es war unklar, aber möglich.
Quinn schmiegte sich vertrauensvoll an ihn und schloss die Augen, um sich auszuruhen. Er würde sie nicht fallen lassen und auf sie aufpassen.
So verging der Flug schweigsam, bis Rei sanft landete. Quinn schlug die Augen auf und erkannte, dass sie auf der Heilerinsel angekommen waren. Die Luft war anders und es war wärmer als zuvor. Rei war ununterbrochen geflogen, weil er so schnell wie möglich wissen wollte, ob Quinn in Ordnung war. „Möchtest du laufen oder soll ich dich tragen?", fragte der Drache vorsichtshalber.
Sie war die letzten Tage wenig gelaufen und man konnte ihr dabei auch ansehen, dass es sie erschöpfte und wohl auch Schmerzen bereitete. "Ich würde versuchen zu laufen", sagte sie und wartete darauf, dass Rei sie absetzte.
Das tat er auch behutsam, hielt sie aber trotzdem fest, damit sie nicht umfiel. Er ging davon aus, dass ihr gerade die Treppen zusetzen würden.
Quinn stand und gemeinsam liefen sie langsam auf das Gebäude zu. Wie Rei erwartet hatte, machte die Treppe ihr zu schaffen und trotzdem gab sie sich Mühe und hielt durch. Als würde sie beweisen wollen, dass sie stark war.
Der Wächter schien sogar stolz darauf zu sein. Sie brauchten lange bis zum Zimmer des Heilers, doch endlich hatten sie es geschafft und Rei klopfte an.
Er wartete, bis sie hereingebeten wurden und öffnete dann die Tür.
Der Pflanzendrache sah ihnen erstaunt entgegen und kam sofort auf Quinn zu. „Du meine Güte, was ist denn mit dir passiert?", fragte er besorgt und half Rei, sie zu der Liege zu bringen, auf die sie sich setzen sollte.
"Ich habe mich wohl zu sehr angestrengt", murmelte Quinn und als der Heiler sie bat, sich auszuziehen, fragte sie Rei, ob er rausgehen würde. Ihre Gestalt war ihr peinlich.
Ohne zu diskutieren, ließ der Wächter die beiden allein.
„Was ist wirklich passiert?", fragte der Heiler genauer nach. Sie waren über einen Monat nicht mehr bei ihm gewesen, was ihn verwundert hatte. In erster Linie, weil Rei nichts geschrieben hatte.
"Ich möchte nicht darüber reden", gestand sie leise. "Es würde Rei nur Ärger machen."
Der Heiler zog die Augenbrauen nach oben. „Du weißt, dass es wichtig ist. Und ich muss wissen, was passiert ist. Du siehst nicht gut aus und das kommt nicht ohne Grund", erklärte er und kam auf sie zu, um sie zu untersuchen. „Hat er dir etwas getan?"
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