Kapitel 1

Kapitel 1

Eisiger Wind zog über die Eisinsel Barafu hinweg und ließen den losen Pulverschnee herumwirbeln. Durch die dichten Wolken, die mehr Schnee brachten, versuchte sich die Sonne zu kämpfen, um das Land zumindest etwas zu erwärmen. Tatsächlich schaffte sie es auch und das seichte Licht brachte die Schneekristalle zum Glitzern, sodass es aussah, als würden Diamanten über die karge Geröllinsel fliegen.

Die Berge und Hügeln waren unter einer dichten Schnee- und Eisdecke vergraben und ließen nicht erahnen, wie die Landschaft ohne den weißen Mantel aussehen würde. Es gab so gut wie keinen, der sie jemals ohne die weiße Pracht gesehen hatte.

Riesige Gletscher bahnten sich einen Weg zwischen einigen Bergen, die selbst im Sommer gefroren waren und ihr strahlendes Blau zeigten, wenn sie von den goldenen Strahlen der Sonne erwärmt wurden. Einige Teile der Insel bestanden aus reinem Eis, auf dem man ausrutschen und sich verletzten konnte.

Ungeduldig rieb ein hochgewachsener Mann sich die Hände und wippte auf seinen Füßen hin und her, während er darauf wartete, dass sein Besuch eintraf. Der schlanke Körper wurde von einem dicken Pelzmantel umhüllt und seine Füße steckten in warmen, gefütterten Stiefeln. Damit es auch seinen Hände nicht zu kalt wurde, hatte er diese in den Manteltaschen versteckt.

Trotzdem kam er nicht umhin, die wenigen Sonnenstrahlen mit dem Gesicht aufzufangen. Obwohl sie sehr leicht waren, konnte er dir Wärme spüren, die sie mitbrachten. Diese Momente waren selten und er sollte sie genießen, solange er konnte, auch wenn das Licht durch das Spiegeln im Eis sehr in den Augen brannte.

Rei Zeki hatte gehört, wie die neue Frau, die in wenigen Minuten ankommen sollte, war. Zumindest, wenn er den Worten des Steindrachens glauben konnte. Allerdings wollte Rei sich davon überzeugen und konnte es kaum erwarten zu sehen, wie die Frau aussah.

Es war das erste Mal, dass eine Frau auf seiner Insel sein würde. Bisher hatte er nur Gerüchte darüber gehört und als Kind einmal eine gesehen. Doch dann war er zum Wächter geworden und hatte eine ehrenvolle Aufgabe, die es ihm eigentlich verbot Ablenkung durch Frauen zu erfahren.

Dieses Mal hatte man ihn jedoch ausgewählt, um diese eine zu bändigen. Als Wächter konnte er sehr hart durchgreifen und das schien sie zu brauchen. Die Vorstellung, dass sie den anderen auf der Nase herumtanzte war irgendwie lustig.

Mit ihr würde es sicherlich nicht langweilig werden. Rei konnte nicht darüber klagen, nicht genügen Abwechslung mit den anderen Männern und ihren Eigenheiten, die manchmal zu Problemen führten, zu haben, aber so eine Frau war sicherlich auch etwas anderes.

Wie sie sich wohl einfügte, wenn sie verstand, dass er sich nicht an der Nase herumführen lassen würde? Das konnte er sich nicht leisten, da man ihm wohl den Posten entziehen würde, wenn er sich ablenken ließ. Wahrscheinlich musste er ihr die Leviten lesen, damit sie sich benahm, doch auch das würde kein Problem sein.

Gedankenverloren starrte der Mann umher und ließ seine blauen Augen über den wolkenverhangenen Himmel gleiten. Die Sonne hatte sich bereits wieder dahinter versteckt, da sie nicht gegen die dunklen Wolken ankam.

Wo blieb sie nur?

Langsam verlor er die Geduld und schnaubte. Sofort bildeten sich weiße Wölkchen vor seiner Nase und stiegen empor, bevor sie von dem Wind fortgerissen wurden.

Dann tauchte endlich der erwartete und auch ersehnte Schatten in der Luft auf.

Ein großer, grauer Drache schob sich durch die Wolken und hielt auf sie zu. An seinen Krallen hing ein großer Korb, den der Steindrache einfach so vor Rei in den Schnee fallen ließ. Dieser staubte sofort auf und als er sich wieder gelegt hatte, erwartete Rei, dass die Person darin ausstieg, jedoch es geschah nichts.

Als er stirnrunzelnd näher herantrat, bis er sehen konnte, was los war, fand er eine junge Frau vor, die in dicke Kleidung gehüllt war. Man konnte auch sehen, dass ihre Arme und Beine gefesselt waren und sie einen Knebel trug. Dabei zeugten ihre grauen, abgebrochenen Haare nicht gerade von Stärke. Tatsächlich wirkte sie eher krank auf ihn.

Das sollte die unzähmbare Frau sein? Es war lächerlich, dass man mit ihr nicht zurechtkam.

Mit hochgezogenen Augenbrauen, sich den feinen Schnee aus den blauen Haaren wischend, beugte er sich hinunter und griff nach der Frau, um sie aus dem Korb zu ziehen. Das gelang ihm mit Leichtigkeit.

Rei wollte, dass sie stand und selber lief. Deshalb löste er mit flinken Fingern die Fußfesseln und richtete sich auf.

Erst dann musterte er die Frau etwas genauer. Allerdings war nicht sehr viel zu erkennen, weil die dicke Kleidung sie einhüllten.

Lediglich ihr gräuliches Gesicht und die braunen, aber irgendwie doch grauen Augen waren zu erkennen.

Rei musterte sie eindringlicher und stellte erneut fest, dass sie sehr ungesund aussah. War sie gerade mitten in der Wandlung? Er hatte gedacht, dass Frauen während der Wandlung recht schwach waren und meistens dabei starben. Wie kam es dann, dass sie noch gar nicht durch die Wandlung durch war und bereits als gefährlich angesehen wurde? Wieso war sie hier? Er hatte noch nie eine Frau durch die Wandlung gebracht und keine praktischen Erfahrungen. Man würde sicherlich auch nicht erfreut sein, wenn sie es nicht schaffte.

Er schüttelte leicht den Kopf. Das war im Grunde auch egal. Er sollte die Wandlung scheinbar beenden und sie erziehen. Gut, dass er theoretisch wusste, was er tun musste. Bisher hatte er noch keine Frau gewandelt, doch er würde es schon schaffen. Obwohl ihr Körper schwach wirkte, war ihr Blick direkt auf ihn gerichtet und zeigte, wie stur sie war.

Nicht gerade sanft nahm er ihr den Knebel aus dem Mund und die Frau konnte den eiskalten Wind spüren, der ihre Lungen füllten und drohten, diese von innen heraus zu gefrieren. Lange würde sie das ohne Schutz nicht durchhalten können.

„Dein Name?", fragte er harsch und kalt. Ihre Hände ließ er gefesselt, da er ihr nicht trauen konnte. Auf dieser Insel gab es nur einen einzigen, der frei war und das war er.

"Wer will das wissen?", fragte sie zurück und spürte, wie ihr Hals vor Kälte schmerzte. Das war wirklich kein schöner Ort. Wieso brachte man sie hierher? Reichte es nicht, dass sie sowieso nicht von einer fliegenden Insel entkommen konnte?

Reis Augen verengten sich zu Schlitzen und prüfend sah er sie an. „Ich. Antworte gefälligst oder ich bestrafe dich", sprach er mit arroganter Stimme. Dabei bildeten sich weiße Wölkchen zwischen ihnen.

Diese bekam sie ins Gesicht geweht und sie legten sich dprt als feine Eisschicht auf ihre Haut.

Obwohl es ihr wehtat, versuchte sie sich das nicht anmerken zu lassen. Stattdessen blickte sie ihn weiterhin stur an. "Quinn", sagte sie schließlich. Es schien, als hätte sie für sich entschlossen, dass eine solche Unterhaltung ihr nichts bringen würde. Zudem war ihr kalt und sie hoffte ins Warme zu kommen.

„Geht doch", erwiderte er mit zufriedenem Gesichtsausdruck, bevor seine Hand hart nach ihr griff und er sie in Richtung Burg brachte.

Graue Gemäuer, die sich von dem weißen, blendendem Schnee abhoben, wirkten wie ein Schandfleck auf der Insel. Vereiste Treppenstufen führten zum großen Tor nach oben. Nichts wirkte hier gemütlich oder einladend.

Obwohl die Aussicht ins Warme zu kommen, Quinn freuen sollte, machte die Umgebung ihr doch Sorgen. Es war so kalt, dass man es hier draußen kaum überleben würde. Wie sollte sie so wegrennen?

Gerade die Kälte war unerträglich und Quinn konnte erkennen, dass sogar das blaue Haar des Mannes gefroren war. Dennoch schien er hier zu leben. Damit hatte er definitiv bessere Karten als sie.

Sie spürte die Kraft, die er aufbrachte und weil sie noch immer gefesselt war, entschied sie sich zu einer anderen Taktik. "Ihr tut mir weh", sagte sie höflich, aber auch gespielt weinerlich. Im Grunde waren die Schmerzen gar nicht so schlimm, doch zusammen mit der Kälte nervig.

Unbarmherzig schob er sie vor sich her, achtete aber darauf, dass sie die Treppenstufen nicht nach oben fiel. Er wollte sie nicht unnötig verletzen, wenn es nicht nötig war. Es gab andere Wege ungehorsame Leute zu zähmen.

Auf ihre Taktik ging er garantiert nicht ein. Viele Neuankömmlinge versuchten, sein Mitleid zu erregen.

Rei ignorierte ihre Worte und öffnete schließlich die schwere Eisentür, gegen die er drücken musste. Leicht sah es aus, doch Quinn konnte nicht ahnen, wie viel Kraft er dazu benötigte.

Sofort schlug ihnen Wärme entgegen, während der Wind sie mit voller Macht einfach in das Gemäuer schob.

Quinn stolperte überrascht nach vorn und somit auch an Rei vorbei, da sie damit nicht gerechnet hatte. Dann blieb ihr Fuß an einem Teppich hängen und sie verlor das Gleichgewicht. Mit der Gewissheit gleich den Boden zu küssen, schloss sie die Augen.

Dank seinem festen Griff blieb sie auf halben Wege in der Luft hängen und fiel nicht. „Mach die Augen auf und passe auf, wohin du gehst", fuhr er die junge Frau an.

Mit dem Fuß schloss er die Eisentür und die Wärme umhüllte nun ihre Körper, sodass es richtig heiß unter den dicken Mänteln wurde.

Seine blauen Haare tauten bereits auf und ließen Wassertropfen auf seiner Haut hinunterlaufen.

Quinns Herz klopfte heftig und die plötzliche Hitze machte ihr fast noch mehr zu schaffen, als die Kälte. "Es ist so heiß", beklagte sie sich mit hechelnder Stimme. Sie spürte, wie ihr schwindlig wurde und der Schweiß über ihre Stirn lief.

In Ruhe zog sich Rei den Mantel aus und ein schlanker, muskulöser Körper kam zum Vorschein. Einer, der klar darauf hinwies, dass er stark war.

Seine blaue Uniform, die mit einem weißen Gürtel an der Hüfte verbunden war, passte sehr gut zu den blauen Haaren. Glänzend und samtig glitzerten sie im Licht der hell erleuchteten Halle.

„Ich kann dich auch wieder rausbringen", meinte er schulterzuckend und ließ ihr die Wahl. Wenn sie meinte, sie konnte mit ihm spielen, hatte sie sich getäuscht.

Allerdings hatte Quinn überhaupt nicht vor zu spielen. Das Schwindelgefühl wurde nicht weniger und es fiel ihr zunehmend schwerer Luft zu holen. Ihr Herzschlag beschleunigte sich immer mehr und ihr gelang es lediglich einen hilfesuchenden Blick zu Rei zu werfen, bevor ihr Schwarz vor Augen wurde und sie in sich zusammensackte.

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