Silber und Drache 63
„Du hast versprochen, du verlässt mich nicht. Vorhin im Bad."
Die Königin streckte ihre Hand zu mir und zog mich an den Haare. Es ziepte ein wenig.
„Du Lügner. Als ob ich dich gehen lassen."
Wütend funkelte sie mich an und verschränkte die Arme vor der Brust.
Meine Worte bedurften ganz klar einer weiteren Erklärung.
„Ich will ja nicht für immer gehen. Ich hab nicht gelogen. Nur wenn ich zu dir ziehen, muss ich meine Sachen aus dem Winterstein holen. Mich von meiner Familie verabschieden. Und ich muss mit meinem König sprechen. Ich stehe in seinen Diensten und möchte ihn nicht hintergehen."
Ich hatte auf ihr Verständnis gehofft, stattdessen schnaubte sie nur.
Doch sie nahm sanft meinen Unterarm und begann über meine Haut zu kraulen. Die Berührung äußerte sich als angenehmes Kribbeln.
Also war sie mir nicht böse?
„Iris. Wenn ich dir dennoch sage, du darfst nicht gehen. Was wirst du dann machen?"
Mit Nachdruck entzog ich ihr meinen Arm. Streicheleinheiten funktionierten nicht, um mir ihren Willen aufzuzwingen.
Nach meinen Worten, sollte klar sein, dass sie nichts befürchten musste. Nach ein paar Tagen würde ich wiederkommen. Je nachdem wie gut es mir gelang, Vigours Wut zu besänftigen.
„Ich gehe, weil ich muss. Und nach ein paar Tagen komme ich zurück. Ich verstehe dein Problem nicht."
Für mich war das Thema beendet. Beinah aus Protest wandte ich mich meiner Suppe zu und füllte meinen Essschale bis zum Rand.
Als ob ich mir verbieten ließ, meine Familie zu besuchen. In dem Fall, musste ich meine Entscheidung neu überdenken.
„Ich bin doch nicht deine Gefangene.", murmelte ich wütend.
Mit lautem Klirren, tauchte ich meinen Löffel in die Schale.
Besänftigend legte mir die Königin ihren Hand auf die Schulter.
„Nein. Das bist du nicht. Du sollst dich auch niemals so fühlen. Aber hör dir meine Bedenken an. In Ordnung?"
Mürrisch schlürfte ich die Suppe und nahm ihren Geschmack nicht einmal richtig wahr.
Mit einem knappen Nicken gab ich ihr mein Einverständnis. Trotzig sein, brachte mich nicht weiter.
„Natürlich musst du dich von Familien und Freunden verabschieden und deine Sachen hierher bringen. Und du kannst sie so oft besuchen, wie du willst. Und sie hierher einladen. Ich öffne dir jederzeit ein Schattenportal. Ich mache mir nur Sorgen über das Zusammentreffen mit deinem König. Du hast ihm seine Braut gestohlen. Welche Reaktion erwartest du also von ihm? Sag mir bitte die volle Wahrheit. Iris."
Die Klugheit der Königin zu unterschätzen war ein großer Fehler. Mein Versuch meine Sorgen vor ihr zu verbergen, funktionierte überhaupt nicht. Meine Beichte an Vigour würde gefährlich sein. Ein Liebesduell ließ sich nicht immer ohne Verletzungen beenden. Manchmal gingen sie tödlich aus.
„Nun. Das kann sehr unterschiedlich ausfallen."
Ich druckste herum. Sie bemerkte es.
Hastig schob ich mir einen weiteren Löffel Suppe in den Mund. Eine Zurechtweisung meinerseits, dass sie sich nicht einmischen sollte, blieb mir nicht als Lösung. Wir waren in Liebe verbunden, also durfte ich ihr nichts wichtiges verschweigen.
Mit festen Griff packte mich die Königin um die Schultern und drehte mich zu sich. Fast fegte ich dabei die Suppenschale vom Tisch. Den Löffel noch in der Hand, wand ich mich unter ihrem forschendem Blick.
„Du kennst doch deinen Herrn ziemlich gut. Iris. Also sag mir einfach, was im schlimmstenfalls passieren kann."
Mit einem lauten Seufzen gab ich auf.
Ich gab ihr die gewünschten Antworten. Sie änderten nichts daran, dass ich mich Vigour stellen würde.
„Er wird mich vermutlich zum Liebesduell fordern. Und das kann sehr unterschiedlich enden."
Meinen Versuch sie zu küssen lehnte sie ab. Zum ersten Mal. Ein weiterer Möglichkeit sie abzulenken, die scheiterte.
Die Königin runzelte besorgt die Stirn. Ihre Finger bohrten sich in meine Schultern.
„Wie kann es enden?"
Sie ließ nicht locker.
„Nun wir werden uns vermutlich tüchtig verprügeln. Es kann sein, dass wir uns gegenseitig verletzen werden. Mit Sicherheit wird Blut fließen. Aber ich denke nicht, dass er oder ich bleibende Schäden davontragen werden."
Die volle Wahrheit, klang nicht sehr beruhigend. Mit diesem Ausgang rechnete ich. Meine Befürchtungen, brauchte sie nicht zu erfahren.
Um sie zu trösten, streichelte ich ihr sanft über den Oberschenkel. Ihre Muskeln fühlte sich an wie aus Stein, vor Anspannung.
Ihre Finger lösten sich von meiner Schultern. Sie drückte sie unter mein Kinn, um meinen Kopf nach vorne zu zwingen. Ihre Augen verdunkelten sich, während sie meinen Blick fest hielt.
„Was ist der schlimmste Ausgang eines Liebesduelles gewesen, den du miterlebt hast?"
In meinem 602 Lebensjahren hatte ich unzählige Duelle beobachtet. Vor allem deshalb, weil sich Drachen gerne prügelten. Ein paar davon, brachte einem der Teilnehmer den Tod. Dennoch war es nicht die Regel.
Scharf überlegte ich, wie ich der Königin klar machen sollte, dass sie nicht mit meinem baldigen Ableben rechnen musste. Vigour kannte mich seit seiner Kindheit und mochte mich sehr gern. Sein Groll konnte niemals tief genug sein, um mich zu töten. Auch er musste dieses Ende nicht fürchten. Deshalb stieg die Wahrscheinlichkeit, dass mir uns tatsächlich duellieren würden.
„Du brauchst zu lang.", zischte die Königin. Sie legte ihre Stirn an Meine.
„Ich will einfach nichts riskieren. Verstehst du es denn nicht?"
Doch, ich verstand sie. Sie hatte solange mit meinem Tod gelebt, dass sie nun übermäßig besorgt reagierte.
„Es gab Liebesduelle, die tödlich ausgegangen sind. Aber das musst du in meinem Fall nicht befürchten. Vigour wird mich nicht töten. Er kann ein roher und närrischer Kerl sein, aber er hat sein Herz am rechten Fleck."
Liebevoll streichelte ich über ihr Haar. Es gefiel mir nicht, wenn sie sich sorgte.
Fest nahm sie mich in den Arm und presste ihre Lippen an meinen Scheitel.
„Du kannst es nicht verstehen. Wie es ist, das Wichtigste in seinem Leben zu verlieren. Wenn du einen Klumpen toter Kohle in deiner Brust mit dir herumträgst, anstatt eines Herzens. Deshalb verstehst du auch nicht, welche entsetzliche Angst mich überkommt, wenn du auch nur erwähnst, verletzt zu werden."
Sie küsste meinen Scheitel entlang, über meine Schläfen zu meinen Wangen. Ihre Hände spannte sich hart um meinen Hinterkopf. Schlimmer konnte mich Vigour auch nicht im Würgegriff halten.
„Am Ende der Woche werde ich dich ohne Widerworte gehen lassen. Doch ich werde mit dir kommen. Und du wirst kein Liebesduell mit deinem König austragen. Nicht weil ich es dir verbiete. Ich bitte dich darum."
Die Königin drückte mir einen groben Kuss auf die Lippen. Dann machte sie sich ohne Zurückhaltung über die Platte mit dem Konfekt her.
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