Silber und Drache 31
Tatsächlich brachte mich eine Wache zu dem Ort, wo Ranja und Milanda gefangen gehalten wurden.
Herrscher hielten sich generell nur kurz mit Gefangenen niederen Ranges auf. Auch Vigour hatte Personal, das diese Aufgabe für ihn übernahm.
Deshalb war es seltsam gewesen, dass mich die Königin so bald nach meiner Festnahme aufgesucht hatte.
Noch mehr verwirrte mich ihr Versprechen mich bald wiederzusehen.
Ich rief ihr noch nach, dass sie sich die Besuche gerne sparen konnte, doch sie reagierte nicht mehr auf meine Worte. Obwohl ich mir sicher war, dass sie sie gehört hatte.
Langsam überkam mich das Gefühl, die Königin wusste nicht recht wie sie sich mir gegenüber Verhalten sollte, nachdem ihr Spiel ein Ende gefunden hatte.
Warum strengte sie sich überhaupt an noch nett zu mir sein? Wir wusste doch beide, wie wir zueinander standen.
Wir waren nichts anderes als Feinde.
Es überraschte mich, wie ausgesprochen hübsch und prachtvoll der Teil des Palastes aussah, in dem sich der Raum befand, in dem ich eingesperrt worden war
Die vorherrschenden Farben waren das Weiß des Marmors, mit goldene Schmuckelemente, und ein zartes Rosa, das dem Ganzen einen verspielten Eindruck verlieh. Dazu mischte sich eine Vielzahl Pflanzen, die durch Säulengänge hineinwuchsen und sich an den Wänden nach oben rankten.
Ein angenehmer Geruch von Blumen und Sonnenschein hing in der Luft.
Umso weiter ich der Wache folgte, umso mehr Einfachheit zeigte sich in der Ausstattung der Flure, bis wir uns in einem schmalen, weißen Gang wiederfanden, dessen einziges Dekor große ockerfarbene Tontöpfe bepflanzt mit Farnen darstellten.
„Wir sind da. Gefängnistrakt," sagte die Wache knapp, dann schlug der Elfenhalbling die Füße aneinander und positionierte sich an die Wand, die Arme starr an seine Seiten gepresst.
Ich hatte mir ein paar Mal überlegt ihn einfach niederzureißen und wegzulaufen, während er mich führte, doch ich sah ein, dass der Plan ein sinnloses Unterfangen darstellte.
Wie mir die Königin bereits gesagt hatte, ließ mich der Sucher nicht aus dem Palast hinaus. Obwohl ich vor hatte diesen Umstand auf seinen Wahrheitsgehalt zu überprüfen, brachte mich eine Flucht nicht näher zu meinen Begleitern. Da ich nicht einmal wusste, wo sie sich im Moment befanden.
„Und nun?" fragte ich die Wache, denn in diesem Gefängnistrakt gab es weder offene Zellen, noch Türen. Alles was ich sah war der weiße Gang.
Plötzlich leuchtete seine Hand blau auf und er klatschte einmal mit der flachen Hand gegen die Wand neben sich. Sofort tat sich ein Loch auf, das an den Rändern bläulich schimmerte.
Dahinter lag ein einfacher heller Raum, mit einem großen Fenster. Die hölzernen Möbel machten einen rustikalen Eindruck und die obligatorischen Blumen schmückten in einer länglichen Schale die Fensterbank.
Für eine Zelle machte das Zimmer einen ausgesprochen hübschen Eindruck. Ganz im Gegensatz zum Höllenloch, dem Ort im Winterstein, wo wir unsere Gefangenen einsperrten.
Obwohl es ein Drache dort ganz gemütlich finden konnte. Die Höhlen waren warm, trocken und dunkel.
Ich entdeckte Ranja und Milanda, die sich auf zwei Betten gegenüber saßen und sich unterhielten.
Beide hatten sich eindeutig waschen können und trugen lockere, weiße Leinengewänder.
Milanda sprang sofort auf und stürzte zum Ausgang. Etwas blitzte rötlich und sie wurde zurück geschleudert. Mit einem lautem Ächzen landete sie auf dem Hosenboden.
„Die Dinger funktionieren also", stellte Ranja ganz sachlich fest.
Dann lächelte sie mich an und sagte: „Wie schön dich zu sehen. Du siehst absolut furchtbar aus."
An Milandas Handgelenk befand sich ebenfalls ein Sucher. Eine weniger prachtvolle Variante aus Kupfer.
„Vermaldeites widerwärtiges Elfenpack. Verreckt doch alle ihr schmierigen Feiglinge", brüllte Milanda laut genug, dass es in dem langen Flur, in dem ich noch stand, nachhallte.
Dann stand sie auf und rieb sich den Po.
„Hast dir ja Zeit gelassen. Gehts dir denn soweit gut?", fragte sie mich eindeutig noch sehr missmutig.
Meine Erleichterung die Beiden gesund und wohlbehalten anzutreffen, machte mich schwach in den Beiden. Ich trat zu ihnen in den Raum und ließ mich neben Ranja aufs Bett sinken. Das Loch in der Wand schloss sich direkt hinter mir und ich fragte mich für einen kurzen Moment, wie ich wieder aus der Zelle hinauskommen sollte.
Vielleicht hatte ich auch genau hier stranden sollen. Mir fiel kein Grund ein, warum die Elfen mich überhaupt in ein anderes Zimmer gesperrt hatten.
„Mir geht es soweit gut. Wie steht es euch um? Ihr wurdet nicht misshandelt, oder?"
Erst wenn diese wichtigen Fragen geklärt waren, konnte ich mich aufs Pläne schmieden und unser weiteres Vorgehen konzentriere.
„Oh. Wir können uns eigentlich nicht beschweren. Dafür das wir Gefangene der Elfen sind, werden wir ausgesprochen großzügig behandelt. Da durch den Durchgang hinter dir geht es in einen kleinen Badebereich. Sie haben uns frische Kleidung gegeben und zu Essen und zu Trinken. Das Essen war allerdings nur das Trockenfleisch, das wir noch als Reiseproviant dabei hatten. Sie haben uns auch so seltsam gelbliche Früchte hingestellt. Aber die haben wir nicht angerührt."
Ranja wirkte recht ausgeglichen, als sie mich über ihren Zustand aufklärte. Ich vermutete nicht, dass sie mir etwaige brutale Vorkommnisse verschwieg.
„Diese gelben Dinger waren widerlich matschig. Ich hab eins angefasst und hatte den ganzen Finger voller Schmodder. Den Dreck sollen sie selber fressen."
Milanda beschwerte sich lautstark, während sie sich neben mich aufs Bett setzte. Sie nahm meine Hand und hielt sie fest. Ein sehr untypisches Verhalten für sie, aber ich schätzte es lag an der ungewöhnlichen Situation.
Das größte Leid, das Milanda erfahren hatte, schien tatsächlich aus dem seltsamen Obst zu bestehen.
„Ganz ehrlich. Iris. Im Gegensatz zu uns, siehst du eher misshandelt aus. Was haben sie mit dir gemacht? Haben sie dich verhört, oder geschlagen? Sie haben dir nicht einmal erlaubt dich zu waschen. Was für ein mieses Stück Dreck ist diese Königin. Du hast ihr keinen Grund geliefert, dich so zu behandeln. Du warst so nett zu ihr."
Ranja sah mich stirnrunzelnd an. Sie legte den Finger unter mein Kinn und drehte mein Gesicht von einer Seite zur Anderen. Ihr forschender Blick schien die Spuren der Misshandlungen, die an mir verübt worden waren, zu suchen.
„Nein ich wurde nicht geschlagen. Nur eingesperrt in einem ziemlich seltsamen Zimmer und allein gelassen. Aber jetzt wo dus erwähnst. Ich habe nichts zu Essen bekommen. Und was ich zum Trinken hatte, kam mir nicht sicher vor. Habt ihr noch was da?"
Wenn ich sah wie gut sich die Elfen um Milanda und Ranja gekümmert hatten, verwirrte es mich schon sehr, dass man mich einfach nur eingesperrt und vergessen hatte.
Hatte die Königin mich vergessen wollen?
„Hier. Fang", rief Milanda, die nach meinen Worten aufgesprungen war und nach einem unserer eigenen Wasserschläuche gegriffen hatte, der neben dem Bett auf dem Boden lag.
Ich fing den Schlauch, öffnete ihn und merkte erst wie durstig ich war, als ich daraus trank.
„Und ich kann dir quietschgelbe Matschfrüchte anbieten."
Milanda grinste über das ganze Gesicht und schwang ein seltsames, längliches Etwas vor ihrer Brust im Kreis.
Ich verschluckte mich beinah am Wasser vor Lachen.
„Wir haben auch noch Trockenfleisch da. Und dann kannst du dich waschen. Vielleicht kannst du, die Wache, die dich hergebracht hat, bitten, dass sie dir etwas anderes zum Anziehen bringt. Und dann sieht die Welt schon wieder ganz anders aus", sagte Ranja.
Sie strich mir das Haar hinters Ohr und lächelte mich aufmunternd an.
Ranja kannte mich gut genug um zu ahnen, dass ich mich wirklich miserabel fühlte.
Fest biss ich mir auf die Lippen, denn ich wollte nicht wieder anfangen zu weinen.
Was war nur mit mir geschehen?
Seit wann war ich so sensibel und weinerlich?
„Ja", flüsterte ich nur und senkte den Kopf. Ich befürchtete, dass meine Untergebenen die Traurigkeit in meinem Gesicht lesen konnten.
Doch Ranja zog mich in ihre Arme und drückte mich ganz fest.
Leise flüsterte sie mir ins Ohr:
„Wenn wir wieder zurück am Winterstein sind, dann musst du nie wieder daran denken. Ich helf dir schon dabei. Und sicher gibt es auch eine Reihe stattlicher Drachen, die dir viel besser gefallen werden als die Königin. Wir könnten eine Weile auf dem Winterstein bleiben und dann eine lange Reise zu den anderen Drachenhorsten machen. Was meinst du?"
„Das klingt absolut wundervoll", seufzte ich.
Dann löste ich mich von ihr und grinste.
„Wo ist jetzt das Trockenfleisch? Sagt mir nicht, ihr habt mir nur Matschfrüchte übrig gelassen."
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