Silber und Drache 3
„Lasst uns von hier verschwinden! So schnell wie möglich," zischte ich meinen Begleitern zu, als wir den Thronsaal mit schnellen Schritten hinter uns ließen.
Mit jedem weiteren Schritt kochte die Wut, aber auch die Verwundung über das was geschehen war, weiter hoch, bis sie mir aus den Mund schäumte im Form eines frustrierten Aufschreis.
Alle Wesen die sich in der Wartehalle aufhielten, Elfen, Halblinge und Menschen drehte sich zu mir um. Von Schreck bis Empörung konnte ich ein breites Spektrum an Emotionen erkennen, die mir eine mehr als deutliche Antwort auf meinen überraschenden Ausbruch gaben.
Natürlich brachten mir die Elfen besondere Verachtung dafür entgegen, nicht nur weil sich ein Feind in ihren Hallen so aufspielte, Elfen galten außerdem als ruhige und ausgeglichene Wesen und würden sich nie dazu herablassen aus Wut zu brüllen.
Das sie kräftig schreien konnten hatte ich des öfteren auf dem Schlachtfeld gehört, in Friedenszeiten schätzten sie derartiges Verhalten scheinbar nicht.
„Ein äußerst erfrischende Begegnung, nicht wahr?" fragte Milanda und kicherte, sie fand es meistens äußerst vergnüglich wenn ich die Beherrschung verlor.
In ihren klaren, grauen Augen stand deutliche Schadenfreude darüber, dass diese Mission so kläglich gescheitert war, den ihrer Meinung nach erledigte ich die mir gestellte Aufgaben zu perfekt nach den Regeln, ohne Fehler, doch ohne Herz oder Leidenschaft.
Sie bestätigte mir immer wieder, dass es insbesondere für mich eine gute Erfahrung darstellte, wenn mir die Kontrolle entglitt und alles aus dem Ruder lief.
Meine Leidenschaft hatte ich aber irgendwo auf dem Schlachtfeld liegen lassen vor hundert Jahren, umso schlimmer das sie mich so plötzlich Ansprang
„Unangenehm und befremdlich, würde ich eher sagen. Was will man von einer Elfenkönigin anderes erwarten."
Ich ballte die Fäuste und spürte ein leichtes Schaudern über meinen Rücken laufen. Beängstigend wäre vielleicht die bessere Wortwahl gewesen.
Ein weiteres Mal beschleunigte ich meine Schritte, ich brauchte den weiten Himmel über meinem Kopf um klarer zu denken, ein weites Feld aus Steinen mit einem mächtigen schwarzen Berg in der Ferne, der dunkle Wolken um seine Spitze sammelte. Der Gedanke an meine Heimat ließ meine Wut verrauchen, wie der Dampf der aus der tiefen Glut des Wintersteins, meines Drachenhorstes aufstieg und vom Wind davon getragen wurde.
„Meinst du nicht eher es war ein wenig vergnüglich? Man wird nicht alle Tage von einer Elfenkönigin angeflimmert."
„Wie angeflimmert?!" fuhr ich Milanda zornig an, diese zog nur wissend die Augenbrauen hoch und strich sich verspielt durch das hellblonde, glatte Haare.
Als ob ich ihr ernsthaft glauben sollte, dass ich für die Brautwerbung meines Königs gekommen war um dann selbst Ziel romantischer Spielereien zu werden.
„Sehr gezielt angeflimmert sogar. Wirklich schlimm. Ich dachte schon sie wollte dir vorschlagen mit ihr das Bett zu teilen, als sie uns die Gastfreundschaft angeboten hat."
Auf diese Worte hin konnte ich nur laut schnauben. Wie sollte ich so einen Unsinn schon beantworten.
Milanda lachte laut und Ranja runzelte die Stirn, sie hatte sich bisher nicht in unser Gespräch eingemischt und hatte mich nur ein wenig besorgt mit ihren großen, dunklen Augen gemustert.
Jetzt murmelte sie beinah so leise, dass ich sie nicht verstehen konnte:
"Sie hat dich wirklich angeflimmert."
Daraufhin wurde Milandas Lachen beinah hysterisch.
„Oh, wie sollen wir das nur unserem Herrn erklären. Wo er doch sooo verliebt ist. Du Herzensbrecher, du," sagte Milanda.
Schwer atmend gluckste sie immer noch vor sich hin und ich wünschte mir beinah sie würde an ihrem Lachen ersticken.
Ranja legte mir tröstend die Hand auf die Schulter.
„Denk nicht mehr dran, Iris. Elfen sind nun mal Schwächlinge, die brauchen miese Tricks um ans Ziel zu kommen."
„Ja, danke," antwortete ich ihr knapp.
Ich hatte genug von dem Thema.
Mit fliegenden Schritten rannte ich beinah zum Ausgang, ich musste diesen Palast so schnell wie möglich verlassen.
Tatsächlich hatte ich mich heute wie erwartet zum Gespött gemacht, aber aus gänzlich anderen Gründen als ich gedacht hatte.
Nach einer Stunde hatten wir unsere Pferde gesattelt, unsere Vorräte überprüft und festgestellt das sie für die Rückreise ausreichten und waren bereit zum Aufbruch.
Milanda hatte es sich nicht nehmen lassen mich weiterhin aufzuziehen und Ranja, die sich zwar Fremden gegenüber meist mürrisch gab, aber ihren Freunden treu ergeben diente, hatte ihr Bestes gegeben mich zu beschützen.
Da ich mich aus der ganzen Szene bereits mental zurückgezogen und sie zur schlechten Erinnerung erklärt hatte, beteiligte ich mich nicht mehr am Gespräch und hörte deshalb den Beiden einfach nur beim Streiten zu.
Eine derartige Situation fühlte sich altbekannt, beinah normal an, denn Ranja und Milanda liebte es sich zu zanken. Diesmal das Thema dieser Uneinigkeit zu sein, erfreute mich nicht wirklich, doch wie immer würde der Streit vorüber ziehen wie ein Unwetter und einem neuen Sturm Platz machen.
Das dachte ich noch als ich mich auf mein Pferd schwang und mit lauten Geklapper der Hufe über die weißen Steinfliesen durch das riesige Eingangstor hinausritt.
Rosen rankte sich an den weißen Säulen nach oben, das golden polierte Tor glitzerte rötlich im Licht der untergehenden Zwillingssonnen, die den Himmel für einen kurzen Moment in ein Meer aus Blut tauchten.
Mit leeren Augen starrten mir die vier mächtigen Marmorstatuen zu beiden Seiten des gepflasterten Weges der vom Palast wegführte nach, sie stellten wohl wichtige Helden des Elfenvolkes dar. Ich kannte ihre Namen nicht und interessierte mich auch nicht dafür. Es bestand nicht die Notwendigkeit sich mit der Geschichte der Elfen genauer zu befassen.
Vor mir lag der Eingang des Waldes wie ein Portal in die Dunkelheit, der sich direkt an die Lichtung auf der der Elfenpalast erbaut worden war anschloss.
Ich hoffte nur keine einzige Elfe für mindestens die nächsten zweihundert Jahre mehr zu Gesicht zu bekommen.
Noch schwirrte das liebliche Gesicht der Königin durch meinen Kopf, doch es verschwand unter dem dichten Blätterdach der Bäume, als die Nacht mich und meine Begleiter verschluckte, die sich immer noch angifteten.
Mein Pferd scheute nach ein paar Metern, als eine Gestalt aus dem Schatten der Bäume trat. Die Dunkelheit lag über uns, wie eine Decke, ich konnte den Störenfried nicht erkennen, er stand zu weit entfernt von uns.
Zögernd fasste ich die Zügel meines Pferdes enger, um für alle weiteren Überraschungen gewappnet zu sein.
Ein Angreifer hätte sich sicherlich nicht so zur Schau gestellt, denn diese wollte nur selten sofort entdeckt werden.
Waffenstillstand oder nicht, wir befanden uns im Land unserer Feinde, Gründe einen Hinterhalt zu erwarten gab es also genug. Auch wenn eine so direkte Attacke auf königliche Botschafter des Drachenreiches direkt vor den Tore des Elfenpalastes einer Kriegserklärung gleichkam.
Langsam näherte sie die Gestalt, ich erkannte einen federleichten Gang fast als schwebte sie über den Weg und einen weiten Umhang, der die Umrisse ihres Körpers vor uns verbarg.
Die Hand auf meinen Schwertknauf gelegt, warf ich einen raschen Blick hinter mich auf meine Begleiter, die inzwischen verstummt waren.
Angespannt schloss auch Milanda ihre Hand um ihr Schwert, bereit es zu ziehen. Mit eiserner Miene ruhte ihr Blick auf unserer nächtlichen Begegnung.
Ranja wirkte ruhiger, die Finger locker um die Zügel ihres Pferdes gelegt, lächelte sie in die Dunkelheit hinein. Ich kannte sie gut genug um zu wissen, dass sie ebenfalls kampfbereit war.
Kaum hatte ich meine Aufmerksamkeit zurück auf die Gestalt gelenkt, die nach wie vor auf uns zukam, bemerkte ich wie ein Gefühl über meinen Nacken in mich hineinkroch.
Hitze entzündete sich auf meinen Schuppen und floss von dort träge über meine Haut nach unten.
Das konnte doch nicht wahr sein.
Bedeutet diese Reaktion eine unaufhaltsame Abwärtsspirale in ein Chaos an Emotionen, die sich mit jeder kleinen Aufregung unnachgiebig über mich ergießen würden, oder konnte ich davon ausgehen das meine Lage noch um ein vielfaches schlimmer war?
Denn vielleicht traf mich in diesem Augenblick die Nähe einer verfluchten Elfenkönigin so gewaltig, dass mein Körper einfach so vom praktischen Werkzeug zum gefühlsduseligen Idioten mutierte.
Mein Körper warnte mich frühzeitig und so wusste ich genau wer dort auf mich zukam.
Während meine Begleiter noch starr und kampfbereit verharrten, ließ ich mit einem lauten Seufzen meine Deckung fallen und sprang von meinem Pferd hinunter auf den Waldboden.
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