Silber und Drache 23
Nach einer kurzen Nacht, in der ich mich zwischen langen Wach- und seltenen Schlafphasen unruhig in meiner Schlafrolle hin und her warf, gab ich die Hoffnung endgültig in Schlaf zu fallen auf, als der Morgen graute.
Ich hatte es nicht geschafft meine Gedanken soweit zu beruhigen, dass ich einschlafen konnte. Erst als ich mir Aufgaben suchte, konnte ich mich von der Königin ablenken.
Mit einem langen Stock fachte ich das Lagerfeuer wieder an, und warf ein paar handvoll Reisig und Äste hinein, damit es denn Morgen über brannte.
Dann holte ich Wasser vom nahegelegen Bach und begann Tee zu kochen. Ein Drache startete stets gut in den Morgen, wenn ihn eine dampfende Tasse Minz- oder Birnblatttee erwartete.
Aus meinem Reiseproviant kramte ich den Beutel mit Trockenfleisch hervor.
Das war nicht mein liebstes Frühstück, doch meine Nüsse und Trockenfrüchte hatte ich gestern an die Königin weiter gereicht.
Während ich auf meiner zähen Mahlzeit herumkaute, überlegte ich, was ich der Elfe zu Essen geben sollte. Es war eine einfache Möglichkeit sich mit der Königin unverfänglich zu beschäftigen, die aus meinen Gedanken ohnehin nicht verschwinden wollte.
Als das Teewasser kochte, ich es vom Feuer nahm und eine ordentliche Ladung Minzblätter hineinwarf, schliefen Milanda und Ranja immer noch.
Friedenszeiten waren etwas wunderbares, dadurch konnten wir auch auf Reisen meistens ruhig schlafen.
Ich hatte fertig gefrühstückt, als die große Sonne Lo sich träge über den Horizont schob, und brach dann auf um Nahrung für die Königin zu besorgen.
Im Wald gab es sicher wilde Beeren, die der Elfe schmecken würden.
Die morgendliche Glutstunde hatte bereits begonnen, als ich mit einem vollen Beutel aus dem Wald zurückkehrte. Ich wurde freundlich von Ranja, und etwas mürrisch von Milanda willkommen geheißen, die Beide noch am Lagerfeuer saßen und Tee tranken.
Dann schickte ich Ranja die Königin zu wecken, und ihr eine Schale Tee und die Heidelbeeren, die ich gefunden hatte, zu bringen.
In altbewährter Routine hatten wir das Lager rasch zusammen gepackt.
Doch unser Gepäck auf den Pferden zu verstauen, erwies sich als schwierig, weil ich mir nicht klar darüber wurde, mit wem die Königin reiten sollte.
Ein Pferd mit zwei Reitern, sollte nicht auch noch einen Teil unseres Reisegepäcks tragen müssen.
Schließlich befahl ich Ranja, die Königin aus dem Holzkarren zu holen, den wir so wie ihn meine beiden Begleiter vorgefunden hatten, auf der Wiese zurücklassen würden.
Natürlich konnte ich der Elfe einfach befehlen auf welchen Pferd sie reiten sollte, aber ich kämpfte mit der Befürchtung, sie würde mir einfach nicht gehorchen, wenn sie nicht zufrieden mit meiner Entscheidung war.
Beinah liebevoll begrüßten die Sonnenstrahlen die Königin zurück am Tageslicht.
Sie trat aus dem Wagen, und das Licht ließ ihr Haar erstrahlen wie Gold. Ein rosiger Glanz zeigte sich auf ihrer Haut.
Ihr eigener Mantel bedeckte ihre Schulter, Meinen trug sie zusammen gefaltet über dem Arm und hielt ihn vor ihren Körper.
Neugierig blinzelte die Elfe der Helligkeit entgegen, dann sah sie sich auf der Lichtung um. Als sie mich entdeckte, lächelte sie mir freundlich entgegen. Im Gegensatz zu gestern Abend, als ich sie wütend zurück gelassen hatte, wirkte sie jetzt ausgeschlafen und gut gelaunt.
Freundlich bedankte sie sich bei Ranja, als diese ihr vom Wagen hinunterhalf.
Die Freude darüber an der frischen Luft zu sein, war der Königin deutlich anzusehen. Ihre Brust hob und senkte sie deutlich, als sie ein paar tiefe Atemzüge nahm, dann streckte sie sich, elegant wie eine Katze.
Mit federleichten Schritten kam sie auf mich zu, ihre nackten Füße machten keine Geräusche auf dem Gras.
„Guten Morgen," hauchte sie mir entgegen.
„Habt ihr gut geschlafen? Ihr habt dunkle Schatten unter den Augen. Vielleicht sollten wir noch etwas länger rasten," sagte sie dann und hob die Hand, um mir spielerisch ein paar Haare aus der Stirn zu wischen.
Damit hatte ich nicht gerechnet. Unvorbereitet wie ich war, stolperte ich einen Schritt zurück und stieß mit dem Rücken gegen mein Pferd, dass sie mit einem lauten Schnauben beschwerte.
Ich hörte ein schadenfrohes Lachen und wusste sofort es musste von Milanda stammen. Die Königin blickte mich einfach nur besorgt an. Der Blick gefiel mir noch weniger, als Milandas Lachen
Kurz biss ich die Zähne fest aufeinander, versuchte nicht überzureagieren, und irgendeine Gemeinheit Richtung Milanda zu feuern. Jetzt musste ich mich noch zusammenreißen. Ich wollte der Königin nicht unbedingt meine schlechtesten Seiten zeigen.
„Wo sind eure Schuhe? Habt ihr sie im Wagen gelassen?" fragte ich die Königin, um von meinem kleinen Missgeschick abzulenken. Überrascht schaute sie hinunter auf ihre Füße.
Ihre weißen Zehen leuchteten deutlich auf dem grünen Grasteppich.
„Ich glaube die Königin hat keine Schuhe mehr. Haben wir wohl bei der Entführung verloren," warf Ranja ein, während sie an uns vorbei zu ihrem Pferd ging, das zufrieden graste.
„Nein. Nein. Ich hatte keine Schuhe an," gluckste die Königin.
„Ich trage nur Schuhe, wenn es unbedingt notwendig ist. Ich fühl mich sonst so abgeschnitten von der Natur um mich herum."
Ich musste wohl sehr skeptisch ausgesehen haben, als ich ihre Antwort hörte, denn die Königin versicherte mir noch einmal, dass sie von Anfang an keine Schuhe getragen hatte.
Immer barfuß zu laufen stellte ich mir sehr unpraktisch und gefährlich vor. Wenn mich nichts vor natürlichen Gefahren, wie kaltem Wetter, Stacheln oder spitzen Steinen und Angreifern, die mir die Füße mit ihren schweren Stiefeln zerquetschten, schützen konnte, kam mir die fehlende Verbindung zur Natur als ein wesentlich kleineres Übel vor.
Zum Glück würde die Königin den Weg mit uns zurück reiten, so bestand nicht die Notwendigkeit ihr Schuhe zu besorgen.
„Nun gut," seufzte ich laut.
Nach wie vor blieb mir die Denkweise der Elfen ein Rätsel.
„Bleibt hier stehen, und ich werde euch Tinte und Feder zum Unterschreiben des Vertrages bringen. Bewegt euch nicht mehr von der Stelle. Nicht dass ihr in etwas spitzes hineintretet und euch verletzt."
„Ach, das wird doch nicht passieren. Meine Füße sind gut geschützt. Passt ihr lieber auf, dass ihr vor lauter Müdigkeit nicht stolpert."
Die Königin neckte mich eindeutig.
Frech grinste sie mich an, langte nach meinen Handgelenk und drückte es sanft.
Ranja und Milanda konnten die Geste nicht sehen. Die Elfe hielt meinen Mantel neben sich, so dass er uns von der Taille abwärts vor Blicken verbarg, wie ein Vorhang.
Als wollte sie mich an die Momente erinnern, die nur wir beide geteilt hatten. Dieser Augenblick fühlte sich wie ein großes Geheimnis an.
Es kribbelte in meinem Bauch und Händen, und machte mich ganz aufgeregt und nervös. Doch so wollte ich mich direkt vor meinen Untergebenen nicht fühlen.
Um die Königin nicht zu grob abzuwehren, fasste ich ihre Hand ganz vorsichtig, und zog sie fort von meinem Handgelenk. Ich hoffte sie würde diesmal nicht stur sein, und mich umso fester packen. Doch sie ließ ihre Finger sofort locker, sie strichen über meine Haut, als ich ihre Hand bewegte.
„Nun Tinte und Feder," murmelte ich verlegen und trat von ihr fort.
Ich kehrte ihr ganz bewusst den Rücken zu, und blickte zu Ranja hin, die mich anstarrte, als wüsste sie ganz genau was passiert war.
Sie konnte es gar nicht, schwor ich zu mir. Meine Nervosität ließ mich einfach glauben ihr Blick war forschend, obwohl sie nur zufällig zu mir hinübersah.
Bewusst drückte ich den Rücken durch, um größer und breiter zu wirken und deshalb mehr der General der Drachen zu sein, als das junge, unschuldige Drachenbaby, das kaum wusste was mit ihm geschah.
Dann schritt ich hinüber zu Ranja, die Tinte und Feder in ihrem Gepäck verstaut hatte. Dabei spürte ich wieder einmal den brennenden Blick der Königin, unter dem sich meine Nackenschuppen freudig nach oben reckten.
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