Silber und Drache 11
Durch meine mit Matsch beschmierte Hose und meine durchnässte Unterwäsche hatte ich Frieden mit Milanda geschlossen, obwohl ich es eher einen Waffenstillstand nennen musste; ein Hinauszögern der Schlacht, die folgen musste.
Doch für den Moment fühlte ich ausgesprochene Erleichterung. Durch das Aufschieben eines meiner Probleme in die Zukunft, blieb mir mehr Zeit an einer Lösung für die Elfenkönigin zu arbeiten.
„So. Sie will unseren gutaussehenden, reichen und mächtigen Herrn partout nicht haben?" fragte Ranja, nachdem ich meinen Begleitern alles über mein Gespräch mit der Königin erzählt hatte. Alles was ich davon preisgeben wollte.
Dabei hatten sie mich brav ausreden lassen, obwohl Milanda mehr als nur einmal die Lippen fest aufeinander presste, wahrscheinlich um sich davon abzuhalten verbotene Fragen zu stellen. Ganz klar brannte sie darauf alle schmutzigen Details zu erfahren.
„Du meinst unseren nervig kindischen Herrn, der denkt er könnte eine Königin mit einer Entführung rumkriegen?"
Ziemlich trocken verbesserte Milanda ihre Freundin, die daraufhin deutlich frustriert die Stirn runzelte. Wie ich selbst, fiel auch Vigour in die Kategorie der Drachen, die Ranja mit großem Einsatz verteidigte.
Bevor sich die Meinungsverschiedenheit zu einem Streit auswachsen konnte, warf ich schnell ein: „was auch immer wir von unserem Herrn halten spielt jetzt keine Rolle. Wichtig ist, dass wir die Königin zurück bringen und Wiedergutmachung leisten müssen um einen Konflikt zwischen Elfen und Drachen zu verhindern. Dafür müssen wir mit Vigour sprechen. Ich brauche also eure Hilfe ein Schattenportal zu errichten, damit ich alles notwendige mit ihm klären kann. Ich denke ich brauche es nicht länger als eine Stunde."
Lautes Seufzen und Schnauben antwortete meinen Worten. Der Protest wunderte mich nicht. Eher hatte ich die Frustration, die mit der Vorstellung des Errichtens eines magischen Portals für magisch sehr unbegabte Drachen verbunden war, erwartet. Leider blieb uns keine andere Wahl. Selbst wenn der Zaubertrick bedeutete unsere vollen Kräfte aufzubrauchen und dadurch im Falle eines Angriffs absolut wehrlos zu sein.
Doch sollten tatsächlich die Soldaten der Elfenkönigin über uns herfallen, machte es keinen Unterschied, ob wir halb bewusstlos oder bei vollen Kräften waren.
Zwar traute ich mir schon zu eine Reihe dieser Schwächlinge mühelos zu Boden zu ringen, doch mit Sicherheit sollte eine Truppe, die losgeschickt worden war eine Königin zu retten, nicht im geringsten zu unterschätzen sein.
Sobald unsere Feinde auch nur annähernd beachtliche Magiefähigkeiten wie die der Königin besaßen, mussten wir uns geschlagen geben. Darauf konnten wir uns in so kurzer Zeit nicht vorbereiten.
„Na dann. Auf. Es hilft ja nichts. Was getan werden muss, sollte nicht hinausgezögert werden. Ich öffne ohnehin lieber ein Portal, als mit Vigour über seine Anflimmerstrategien zu streiten," sagte Milanda.
Energiegeladen sprang sie auf, wahrscheinlich war sie erpicht darauf die Königin schnell loszuwerden, damit sie mich endlich mit ihr aufziehen konnte.
„Also was gibts zu tun. Haben wir noch alles für ein Portal vorrätig oder soll ich noch irgendwelches Hexenzeugs sammeln."
Wenn die Magie in einer Gruppe nur spärlich vorkam, aber doch ein Zauber benötigt wurde, musste das nicht vorhandenen Talent durch verschiedene magisch geladene Kräuter und Gegenstände ausgeglichen werden. Davon wurde so viel in einem geringen Umkreis benötigt, bis die Luft mit ausreichend Energie aufgeladen war, dass ein Zauber gewirkt werden konnte.
Wir brauchten dazu jede Menge Hexenzeugs wie Milanda es nannte. Ein mit Magie beschenktes Wesen konnte Zauber gänzlich ohne Hilfsmittel weben, solange seine Kräfte ausreichten.
Ich vermutete die Königin besaß eine solche Begabung, ein weiterer Grund ihr zu Misstrauen. Sie blieb eindeutig aus ihrem eigenen Vorteil heraus unserer Gefangene.
Warum musste sie mir nur solch einen Ärger machen?
Beim Gedanken an die Königin überfiel mich ein kurzer Schauer, den ich nicht richtig einordnen konnte. Er existierte irgendwo zwischen Erregung und Grauen.
Doch noch ein anderes wichtiges Detail fiel mir auf, als ich Ranja beobachtete, die die Fische, die fertig gegart hatten, vom Feuer weg nahm.
Ich hatte ein paar Befehle auszusprechen und einer davon betraf eine deutliches Versäumnis auf meiner Seite. Obwohl ich meiner Gefangenen mit ihrem Haar geholfen und ihr meinen Mantel gegeben hatte um ihre Blöße zu bedecken, hatte ich ihre grundlegendsten Bedürfnisse einfach ignoriert.
Mein Gewissen rügte mich nachdrücklich als mir dieser Umstand wie Schuppen vor die Augen fiel. Ich konnte meine Gefangene nicht nachlässig behandeln, nur weil sie mich nervös machte.
„Birnbaumzweige, Drachenflicker, Feuerblumen, Johanniskraut und so weiter, du kennst es ja. Bring so viel du tragen kannst. Ich war nicht auf Komplikationen vorbereitet, deswegen hab ich nur unsere Basisausrüstung mitgenommen. Zum Glück hab ich daran gedacht einen von Vigours Blutsteinen mitzunehmen, sonst könnten wir die Verbindung zu ihm ohnehin nicht herstellen."
Nach meinen Worten eilte Milanda mit einem spielerischen, „zu Befehl. General," zu ihrem Pferd um einen großen Leinensack aus ihrem Gepäck hervorzukramen. So ausgerüstete wanderte sie in Richtung Wald davon, ich rief ihr noch nach bis zum Sonnenuntergang zurück zu sein, woraufhin sie mir mit beiden Händen zum Abschied zu winkte.
Dann wandte ich mich Ranja zu, die laut ihren Tee schlürfte und auf meine Befehle wartete.
„Ranja. Du musst dich um die Königin kümmern. Sie hat weder zu trinken, noch etwas zu essen von uns bekommen. Vielleicht muss sie sich e-erleichtern..."
Ich stockte kurz. Meine Erschütterung darüber, dass ich zu stottern begann nur weil ich das private Geschäft der Königin erwähnte, raubte mir die Worte.
Wie viel dümmer konnte ich mich noch Verhalten? Hatte ich den Boden der Peinlichkeit bereits erreicht, oder konnte ich noch viel tiefer fallen?
Laut räusperte ich mich und empfand große Dankbarkeit gegenüber Ranja, die mich verständnisvoll anlächelte und sagte:
„Ich werde ihr eine Schale Tee bringen und das alle mit ihr klären. Ihr Nahrung zu besorgen könnte jedoch etwas Zeit aufwendiger werden. Ich glaube mich erinnern zu können, dass Elfen weder Fisch noch Fleisch essen. Sie sind ganz anders als Drachen, so schwach und fragil. Kein Wunder wenn sie sich allein von Blättern ernähren."
Belustigt schüttelte Ranja den Kopf. Wie alle Drachen, die im Krieg gekämpft hatten, beschäftigte sie immer wieder die Frage, warum wir nicht hatten gewinnen können, wenn wir uns die dürren, hauchzart herum hüpfenden Püppchen genauer betrachteten.
Letztendlich wussten wir es genau, denn die Magier der Elfen beschworen damals eine Hölle über uns herauf, auf die niemand die Drachen hatte vorbereiten können.
Noch heute, über dreihundert Jahre später, schreckte ich Nachts manchmal schweißgebadet aus Alpträumen hoch, weil ich mich dort wieder auf dem Schlachtfeld befand.
In Dunkelheit, schwarz wie Tinte, krochen fremde Mächte in meinen Körper hinein, schmolzen mir das Fleisch von den Knochen, wüteten als stinkendes Übel durch meine Eingeweide und legten sich wie Fesseln um meine Kehle. Ich konnte nicht schreien, das schlimmste Gefühl von allen, ich konnte meinen Schmerz nicht hinausschreien.
Auch nach den Alpträumen blieb ich meist stumm und starrte in die Nacht hinaus, deren Dunkelheit sich so sehr von der in meiner Erinnerung unterschied, dennoch suchte ich Lichter, die der Sterne am Himmel und der Häuser am Fuß des Wintersteins. Sie vermittelten mir eine Gefühl des Friedens und von Sicherheit.
Wenn mein Körper nicht mehr zitterte vor Panik und Schmerz, kehrte ich zu meinem Bett zurück, in der Hoffnung diesmal traumlosen Schlaf zu finden.
Erleichtert atmete ich auf, als ich Ranja dabei beobachtete wie sie mit der gefüllten Teeschale zum Holzkarren ging um sich der grundlegendsten Bedürfnisse der Königin anzunehmen.
Dadurch das ich dazu befugt war, die zu erledigenden Aufgaben an andere zu delegieren, konnte ich den Kontakt zwischen mir und der Königin auf ein Minimum reduzieren.
Nur die Diplomatie fiel letztendlich wirklich mir zu, doch sie bedeutete nur, dass ich noch ein zwei Mal mit der Königin sprechen und mich vermutlich 3000 Mal entschuldigen musste, bei ihr, ihren Untergebenen, vielleicht dem gesamten Elfenvolk.
Eine mehr oder weniger erträgliche Vorstellung.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top