Drache und Silber 42
Mein Besuch bei dem Liebespaar dauerte nicht lang. Nanili's Ehemann Ruda servierte uns einen nach Kirschen duftenden Tee in hauchzarten Porzellantassen. Dazu reichten er ein klebriges Gebäck, das zuckersüß auf meiner Zunge zerging.
Die Zeit verging rasch, gefüllt mit freundlichem Geplauder und Gelächter. Das Paar war Drachen gegenüber vollkommen unvoreingenommenen.
Ihr gemeinsames Glück strahlten Ihnen aus den Gesichtern. Doch es fiel mir schwer herauszufinden, woran ich die einzige Liebe erkennen konnte.
Nanili und Ruda krankten an schwerer Verliebtheit. Aber etwas einzigartiges bemerkte ich nicht.
Die Themen der Runde beschränkten sich auf die Schwangerschaft und die Freude auf die Geburt des Babys.
Kurz bevor ich mich verabschiedeten, wagte ich die entscheidende Frage zu stellen.
Jae und Ruda waren schon gegangen, weil wichtige Angelegenheiten des Elfenstaates anstanden. Details verrieten sie mir keine.
Ich stand mit Nanili vor dem Lebensbaum im Sonnenschein.
Die Elfe hatte mir erlaubt, meine Hand auf ihren Bauch zu legen, um die kräftigen Tritte des ungeborenes Kindes zu spüren.
„Nanili. Wie hast du bemerkt, dass Ruda deine einzige Liebe ist?"
Die Augen der Elfe begannen aufgeregt zu leuchten.
„Ich wusste es sofort. Das war keine bewusste Entscheidung. Ich sah ihn und wusste es. Wie als hätte ich mein ganzes Leben lang gewartet, um endlich erfüllt zu sein. Bevor ich Ruda getroffen habe, hatte ich keine Ahnung, wie sehr ich ihn vermisst habe. Schon mein ganzes Leben. Als wäre mein größter Traum in Erfüllung gegangen. Als wäre..."
Endlos schwärmte Nanili vor sich hin. Ihr verträumter Blick ruhte in der Vergangenheit.
Ihr zuzuhören hatte mir die Erkenntnis gebracht, die ich gesucht hatte. Ich kannte das Gefühl, das sie beschrieb.
Die einzige Liebe, der Elfen, war das Gegenstück zu den verloren gegangenen Drachenflügeln. Ein heißersehnter, unerreichbarer Wunsch.
Für die Elfen ging er manchmal in Erfüllung.
Wie furchtbar musste es sein, dieses Geschenk der Götter wieder zu verlieren.
Mein Herz durchzuckte ein schmerzhafter Stich.
Mitgefühl für die Königin wallte in mir auf.
Ich würde ihr niemals ersetzen können, was sie verloren hatte.
Nanili bestand darauf mich zum Abschied zu drücken. Ich versprach ihr einen erneuten Besuch in der nahen Zukunft.
Den Bauch einer Schwangeren zu berühren und die federleichten Bewegungen des Babys zu fühlen, schaffte es immer mich von allen Sorgen abzulenken.
Mit neuer Energie erfüllt, beschloss ich Ranja und Milanda besuchen zu gehen.
Ich kam nicht bei meinen Begleitern an.
Schon nach kürzester Zeit, hatte ich mich hoffnungslos im Garten verirrt.
Die Schönheit der Natur, die mich umgab, milderte meine Wut über das Missgeschick. Trotzdem steigerte sich meine Ungeduld, endlich bekanntes Terrain zu finden, mit jeder Lichtung, die ich überquerte.
Die Vögel zwitscherten spöttisch in den Bäumen. Ein Eichhörnchen schnatterte. Ich verlor die Nerven und schnatterte laut zurück.
Die Tierwelt schwieg einen Moment erschrocken. Durch die Stille drang angestrengtes Grunzen und Ächzen. Das Klirren wenn Metall aufeinander schlug.
Die Geräusche eines Schwertkampfes konnte ich überall erkennen.
Begeistert folgte ich dem Lärm, brach durch eine struppige Hecke und landete auf einem weiten Feld.
Meine Schritte federten auf dem dichten, kurzen Gras, als ich mich einer Gruppe Elfen näherte, die zu beschäftigt war, um mich zu bemerken.
Es war nicht die klügste Idee, Elfen beim Schwerttraining zu stören. Immerhin trat ich meinen Feinden vollkommen unbewaffnet entgegen.
Doch ich wollte die Gefahr. Ich wünschte mir einen Kampf. Um mich auszutoben, den Frust meiner Situation zu vergessen und die Gefühle, die mich durcheinander brachten, auf ein anderes Ziel zu lenken.
Meinen Körper anzustrengen, bis mir der Schweiß in die Augen rann, würde mich beruhigen,
ein metallischer Geschmack von Blut auf meiner Zunge, mich erden. Mit einem Schwert in der Hand fand ich meine Sicherheit.
Als Drachengeneral.
„Aufgepasst ein Drache!"
„Was?"
„Wo?"
Die Rufe erklangen, bevor ich die Elfen erreicht hatte.
Sie trugen Rüstungen, aus dem selben fremdartigen Material, aus dem meine Weste bestand. Ihre langen Klingen glänzten sauber in der Sonne.
Es ging keine Magie von ihnen aus. Scheinbar hatte ich meines Gleichen gefunden.
Einer der Schwertkämpfer sprang mir in den Weg. Seine dunklen Augen funkelten mich herausfordernd an.
„Was tust du hier? Drachenbastard!", spuckte er mir entgegen.
Wie angenehm, dass zumindest ein Soldat mich ernst nahm und nicht versuchte mich in hauchzarte Rüschenkleider zu stecken.
„Spazieren gehen. Ist das verboten?"
Meine Antwort war eine reine Provokation. Wir wussten es beide. Nichts anderes sollte sie sein.
Gereizt packte er den Griff seiner Waffe noch fester. Die Knöchel traten weiß hervor. Seine Anspannung verschaffte mir eine unglaubliche Genugtuung.
„Ihr wisst genau was ich meine. Warum wandert ein verfluchter Drache durch unseren Palast?"
Er spuckte vor mir auf den Boden, nur einen Zentimeter von meinem Schuh entfernt.
Die restlichen Kämpfer sammelten sich hinter ihm, die Schwerter kampfbereit erhoben.
Unbewaffnet hatte ich keine Chance gegen sie.
Rasch ließ ich meinen Blick über mein Umfeld schweifen und entdeckte rasch einen Ausweg.
Ein paar Schritte entfernt lag ein Schwert im Gras. Wie unachtsam.
Auch eine Übungswaffe sollte immer sorgfältig aufgeräumt werden.
„Ich wurde eingeladen."
Nicht wirklich. Doch ich wollte nicht zu viel preisgeben, aus Sorgen ihren Kampfeswillen zu dämpfen.
Fünf Elfen standen mir gegenüber. Vier von ihren wirkten jung und wenig trainiert.
Die Schwerter in ihren zierlichen Händen bebten im Angesicht einer echten Gefahr.
Eine Gruppe adeliger Jugendlicher.
Mein einziger ernstzunehmender Gegner war der Elf, der sich mir entgegen gestellt hatte.
Seine gezielten Bewegungen und der wache Blick, zeugte von einem erfahrenem Soldaten.
„Wer sollte eine Drachen in das Herzstück unseres Palastes einladen? Wir haben Zellen für euch Bastarde."
Langsam kam er auf mich zu. Vermutlich versuchte er mich von den Jugendlichen fernzuhalten.
„Jemand sehr leichtsinniges?", sagte ich.
Ich grinste ihn freundlich an. Auf keinen Fall würde ich die Königin erwähnen. Das konnte meinen wunderbaren Spaß verderben.
Immer weiter drängte er mich fort. Ich schwenkte nach rechts aus, um mich dem unbewachten Schwert zu nähern.
„Marion. Sollten wir nicht Hilfe holen?", fragte eine der Jugendlichen. Ein hübsches Mädchen mit dunkelrotem Pferdeschwanz.
Mein Gegner lachte laut auf und fauchte gehässig:
„Als ob ich für einen windige Drachen Hilfe benötige. Ich hab tausend niedergemetzelt im Rubinkrieg."
Erregt leckte er sich über die Lippen. Ihm war langweilig mit diesen unerfahrenen Kindern. Ich spürte es ganz deutlich. Er wollte diesen Kampf genauso sehr wie ich.
„Aber wir sollten im heiligen Garten kein Blut vergießen."
Die Stimme des Mädchens zitterte.
Für einen Moment lenkten ihn die Worte ab. Marion entgleisten die Gesichtszüge, als hätte er vollkommen vergessen, wo wir uns befanden.
Geschickt wagte ich eine Rolle zur Seite, ergriff das Schwert und kam wieder auf die Beine.
Von wegen kein Blut vergießen. Wir lechzten danach uns zu verletzen.
Es war lange her, dass ich den silbernen Lebenssaft der Elfen in der Sonne hatte schimmern sehen.
„Also was nun. Ein Duell? Oder hast du Angst? Willst du lieber deine Namen tanzen? Elfchen."
Meine Worte trafen ins Mark. Mit einem Wutschrei stürmte er auf mich zu.
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