Drache und Silber 30


Tatsächlich war ich wieder eingeschlafen. Nachdem ich wieder erwachte, fühlte ich mich wie erschlagen. Doch zumindest war mein Kopf viel klarer als zuvor.

Zwar quälte mich der pochender Schmerz, die Art von Traurigkeit, die ich nicht kannte, immer noch, doch ich konnte ihn ertragen und die Emotion in den Hintergrund meiner Gedanken verbannen.

Die Zeit zum Weinen war vorüber. Ich musste mich wieder zusammenreißen und nachdenken.

Denn nicht nur ich steckte in diesem Schlamassel. Ranja und Milanda wurden auch irgendwo in diesem verdammten Palast gefangen gehalten.

Zunächst sollte ich zumindest versuchen einen Ausweg aus diesem Raum zu finden. Auch wenn ich zuvor keine Tür entdeckt hatte, es musste einen Zugang geben. Wie hatte die Elfen mich sonst hergebracht?

Der blaue Vögel hatte sich aus den Baumkronen wieder hervorgetraut. Er saß auf den kläglichen Überresten eines Sessels, der meinen Wutanfall nicht überlebt hatte und musterte mich skeptisch.

Zumindest hatte ich das Gefühl, er hatte eine gewisse Skepsis gegenüber mir entwickelt.

„Na. Weißt du wo der Ausgang ist? Dann stör ich dich auch nicht mehr."

Das Tier zwitscherte nur ein paar Mal leise, als ich zu ihm sprach und schlug unruhig mit den Flügeln.

Die nächste Stunde verbrachte ich damit, die Wände nach einem Fluchtweg abzusuchen, und gab schließlich frustriert auf.

Es gab keinen Weg nach draußen. Ich hatte sogar unter dem Bett nachgesehen.

Das Einzige was ich gefunden hatte, war eine kleine Quelle, die aus einem Felsen in der Wand entsprang und sich in einem Becken aus Stein sammelte. Ich hatte Durst, doch wollte nicht von ihr trinken, denn ich traute dem Wasser nicht. Es schien magischem Ursprungs zu sein.

Meine Suche war erfolglos verlaufen.

Umso erstaunter war ich, als sich plötzlich gegenüber dem Bett ein großes Loch zwischen zwei Baumstämmen auftat und die Königin ins Zimmer trat. Hinter ihr schloss sich das Portal sofort wieder. Noch bevor ich einen Schritt darauf zu machen konnte.

Das letzte Wesen auf dieser Welt, dass ich sehen wollte, kam mich besuchen. Sie hatte nicht einmal genug Anstand mich nie wieder zu sehen.

Vielleicht wollte sie ihren Triumph zur Vollendung auskosten.

Ich wollte mich nur auf sie stürzen und sie erwürgen.

Doch irgendetwas tief in mir hielt mich zurück. Diesmal lähmte mich keine fremde Macht. Nur meine eigene Entschlossenheit verpuffte ins Nichts, als ich sie ansah.

Sie lächelte mich ein wenig verlegen an. Die starre Maske war gefallen, in ihren Augen las ich nur Traurigkeit. Doch seit gestern hatte ich viel dazu gelernt. Sie spielte mir nur etwas vor.

Die mächtige Königin kam, um mit mir die Regeln dieser Gefangenschaft festzulegen. Ich hatte keinen Zweifel daran.

Der Unterschied zwischen uns hätte krasser nicht sein können.

Sie hatte gebadet. Ihr Haar umrahmte sie wie eine Wolke aus Sonnenlicht und ihre Haut strahlte. Ein blaues Kleid, aus den für die Elfen so typischen feinen Stoffen mit Blütenmuster, zierte ihren Körper. Ihr Rock war kurz, viele Lagen Tüll umspielten ihre Schenkel.

Mir fiel auf, dass sie wieder keine Schuhe trug. Die Erinnerung an das letzte Mal, als mir ihre nackten Füße ins Auge gestochen waren, schien eine Ewigkeit her zu sein.

Auf dem Kopf der Königin thronte ihre Krone, wie als Beweisstück ihrer Macht.

Ich dagegen wusste, dass ich zerrupft und dreckig aussah. Das Musterbeispiel eines Verlierers.

„Wie geht es euch?" fragte sie.

Ihre Stimme klang kleinlaut. Es passte kein bisschen zu ihr.

Wahrscheinlich blickte ich sie böse an. Der Wirbel an Gefühlen, den sie in mir auslöste, ließ mich nicht einmal mehr wissen, welche Emotionen ich nach außen projizierte.

Meine Wut fühlte sich so grenzenlos an. Dennoch brannte mein Nacken wie Feuer, seitdem sie eingetreten war.

Mein Körper erwies sich als hervorragender Verräter.

Ich sah keinen Sinn darin, ihre Frage zu beantworten.

Wieso verschwendete sie unsere Zeit damit, dass sie ihr Spiel weiter spielte.

„Meine Begleiter. Wo sind sie und wie geht es ihnen?"

Meine Gegenfrage war das Einzige, was für mich im Moment wichtig war.

Den ganzen Rest wollte ich nicht hören.

„Ihr seid sehr wütend auf mich. Nicht wahr? Ich sagte euch doch, ihr würdet mit mir schimpfen."

Der Gedanken an die Gespräche, die wir geführt hatten, wo ich mich so beschämend benommen hatte, war widerlich. Diese ganzen Erinnerungen. Ich wollte sie nur vernichten.

„Warum sollte ich meine Zeit damit verschwenden, mit euch zu schimpfen? Das ist eine dreckige Elfe nicht wert. Sagt mir wo meine Begleiter sind und wie es ihnen geht. Und wann können wir nach Hause zurückkehren? Ihr wollt doch keinen Krieg mit den Drache provozieren? Oder ist das der Grund warum ihr uns festhaltet?"

Obwohl ich mich nicht dazu bringen konnte sie anzugreifen, war es geradezu eine Erleichterung sie zu beleidigen.

Ich wollte sie ebenso verletzten, wie sie es mit mir getan hatte.

Ihr Gesicht verriet mir nicht, ob ich sie mit meinen Worten getroffen hatte, doch ihr merkte wie sie eine Moment die Fäuste ballte und sie dann wieder lockerte.

Vielleicht musste ich mich ihr gegenüber genau so bösartig verhalten, wie ich es gerade tat. So wie es verräterische Elfen verdient hatten.

„Ihr könnt eure Begleiter sehen. Wenn ihr das anlegt."

Klare Worte. So etwas schätzte ich. Die Spielereien zwischen uns hatten ein Ende.

Die Königin hielt mir einen starren Goldreif hin, in den ein durchsichtiger Kristall eingefasst war.

„Wozu ist das?"

Das Schmuckstück strahlte Magie ab. Eigentlich wollte ich es nur packen und fortwerfen.

Meine Begegnung mit magischer Energie reichte mir für die nächsten Jahrzehnte.

Doch wenn es nötig war den Armreif zu tragen, um Ranja und Milanda zu sehen, würde ich ihn anlegen.

„Es nennt sich Sucher. Es wird euch ermöglichen, euch in meinem Palast frei zu bewegen. Doch es lässt euch gewisse Grenzen nicht überschreiten. Es wird euch nicht aus dem Palast hinaus lassen. Ihr braucht es gar nicht erst zu versuchen. Ohne dieses Armband, lasse ich euch nicht aus diesem Raum heraus."

Eine so bedeutsame Gabe abzulehnen wäre reine Dummheit. Auch wenn ich nichts tragen wollte, dass von der Königin stammte.

Doch wenn ich das Schmuckstück anlegte, konnte ich nicht nur meine Gefängniszelle verlassen, es würde mir auch möglich sein, nach einer Fluchtmöglichkeit zu suchen.

Außerdem blieb mir keine andere Wahl. Die Königin wirkte sehr entschlossen darin, mich hier versauern zu lassen, wenn ich nicht nach ihren Regeln spielte.

Wahrscheinlich hatte der Sucher noch andere Fähigkeiten, die ich nicht einmal ahnen konnte. Denn ich war mir ziemlich sicher, dass mir die Königin nicht einfach ohne Grund eine so große Freiheit anbot.

Keine Elfe würde einen Drachen freiwillig durch ihren Palast streifen lassen. Insbesondere keinen, der ihr Schaden wollte.

Ich riss ihr das Armband aus der Hand und stockte, als ich etwas anderes an meinen Handgelenk entdeckte, dass ich einfach vergessen hatte. Wie ein Relikt aus der Vergangenheit, glänzte das Geschenk der Königin, das sie mir zum Schutz vor dem Schattenportalzauber gegeben hatte, im schummrig grünen Licht des Zimmers.

Ohne zu Zögern klemmte ich meinen Finger unter das filigrane Kettchen und zog mit einem heftigen Ruck daran.

Mit leisem Klimpern fiel es zu Boden. Ich kickte es mit dem Fuß weit fort von mir. Das Schmückstück verschwand in den Trümmern der Möbel, die überall im Zimmer verstreut herum lagen.

Dann schob ich mir den Sucher über die Hand. Er schien zu vibrieren, dann begann er zu schmelzen, bis mein Handgelenk eng von einem goldenen Geflecht aus winzigen Schnörkeln, Blättchen und Blüten umwachsen war. Der blasse Stein legte sich direkt über die Adern an der Unterseite meines Armes. Ich spürte eine Art Stich, dann färbte sich der Kristall dunkelrot.

Wie ein kleines Herz begann er deutlich zu pulsieren.

Kein angenehmer Anblick, doch ich wusste, nun konnte ich den Sucher nicht mehr ablegen.

„So zufrieden? Ich möchte jetzt meine Begleiter sehen," sagte ich und hoffte dabei, die Königin würde mich einer Wache überlassen, die mich dorthin bringen sollte, wo meine Untergebenen gefangen gehalten wurde.

Es verwunderte mich große Betroffenheit im Gesicht der Elfe zu entdecken. Sogar ihre Lippen zitterten ein wenig.

Doch es freute mich auch. Durch irgendetwas hatte ich sie tief getroffen. Ich tippte auf meinen groben Umgang mit ihrem Geschenk.

Vielleicht hatte sie mir das Armkettchen damals tatsächlich aus gutem Willen heraus gegeben, dann konnte ich ihre Enttäuschung sogar ein wenig verstehen.

Wenn ich sie damit verletzten konnte, würde ich noch tausende ihrer Gaben auseinander reißen.


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