Drache und Silber 22
Die Königin hatte leicht reden. Für sie schien diese ganze Geschichte ein riesiger Spaß zu sein.
Aber auch ich wollte den Wagen nicht verlassen, denn im Moment bot sich die letzte Möglichkeit ungestört miteinander zu reden.
So verwarf ich meinen Plan und kehrte zurück zur Königin, der die Freude darüber deutlich anzusehen war.
Ihre warmen Finger schlossen sich um meine Hände.
„Gut Iris. Lasst uns Freunde werden. Ich hege keinerlei schlechte Gefühle gegen euch. Also wäre es mir ein großer Wunsch."
Wenn die Königin diesen Wunsch hegte, würde ich ihr Spiel mitspielen. Zumindest bis ich sie zu Hause abgeliefert hatte. Selbst wenn mir das Streben eine Freundschaft mit ihr aufzubauen sehr sinnlos vorkam.
Was wollte sie, sobald sie zurück in ihrem Palast war?
Sollten wir uns regelmäßig Briefe schreiben?
Die Elfe ließ sich auf ihr Lager aus Decken und Mäntel nieder und klopfte dann neben sich, als sollte ich mich zu ihr setzen.
„Ist euch nicht kalt? Ihr sollten den Mantel weg nehmen bevor ich mich setze, und euch zudecken," sagte ich, nicht ohne ein Motiv zu verfolgen.
Nach wie vor zog ich es vor ihren Körper nicht allzu genau zu sehen, denn sie machte mich in den dicken Wollstoff meines Mantels gehüllt schon nervös genug.
Den Drang, den Körper einer Person vor meinen Augen zu verstecken, erlebte ich zum ersten Mal. Am liebsten hätte ich die Königin überhaupt nicht angesehen. Für meinen Seelenfrieden.
Eine kurzen Augenblick schien die Elfe zu zögern, dann grinste sie mich ein wenig verschmitzt an und zog meinen Mantel, der oben auf dem Deckenhaufen lag, über ihren Schoß. Sie stopfte den Stoff um ihre Hüfte herum fest und zog ihn vorne etwas höher, dass er ihren entblößten Bauch bedeckte.
Damit war sie fertig. Mehr würde sie mir eindeutig nicht geben.
„Setzt euch zu mir. Iris."
Ungeduldig klopfte sie ein zweites Mal neben sich.
Diesmal ließ ich mich brav neben sie plumpsen, doch ich machte es mir nicht zu gemütlich, um bereit zu sein jederzeit aufzuspringen.
Kurz zuckte ihre Augenbraue nach oben, als sie meinen Plan zu bemerken schien, doch sie sagte nichts. Stattdessen lächelte sie mich freundlich an.
„Nun. Ich nenne euch bei eurem Namen. Iris. Also solltet ihr mich bei Meinem nennen. Ihr seid ein Drache und damit bin ich nicht eure Königin. Übertriebene Höflichkeit haben wir doch nicht nötig."
Sie fing meine Hände und hielt sie fest, als wollte sie gerade einen geheimen Pakt mit mir schließen. Als wären wir zwei Kinder, die schworen ihr Leben lang Freunde zu bleiben.
„Euer Name ist sehr lang. Große Königin," warf ich ein, doch verschwieg ihr, dass ich mich sehr unwohl damit fühlte eine Königin des Elfenvolkes vertraulich beim Namen zu nennen.
Eine zu enge Bindung zwischen einem Drachen und einer Elfe konnten nur zu Problemen führen.
Die Elfe lachte laut.
„Ja. Da habt ihr recht. Aber das ist auch nur mein offizieller Name. Nennt mich Juna. So nennen mich meine Freunde."
Das war unser letztes, richtiges Gespräch, rief ich mir ins Gedächtnis. Alles was wir jetzt besprachen, hatte morgen um dieselbe Zeit schon keine Bedeutung mehr.
Ich zögerte dennoch und starrte nachdenklich auf meine Hände in den Ihren, ihre langen, schlanken Finger auf meiner Haut. Sie waren so angenehm warm.
Die Untergebenen der Königin hätten sicher einiges dagegen, wenn ein Drache des Weges kam und die Frechheit besaß, so zwanglos mit ihr zu reden. Außerdem fühlte ich, dass ich mit der Nennung ihres Namens eine Grenze einriss, die ich lieber aufrecht erhalten wollte.
Deshalb beschloss ich zu protestieren:
„Aber. Große Königin, ich..."
„Juna!" unterbrach sie mich scharf und setzte meinem Widerstand damit ein Ende.
„Tut mir Leid. Aber ich erlaube es euch doch. Ich nenne euch Iris. Ihr nennt mich Juna. Ganz einfach und vertraut," fügte sie dann sanft hinzu und begann mit ihren Daumen über meine Handrücken zu streicheln
Sie nannte eben meine Schwierigkeiten. Die Beziehung zu ihr zu vertiefen, führte mich zielsicher zu einem unklaren, bedrohlichem Ziel. Ich konnte nicht sagen wie dieses Ende aussaß, aber es fühlte sich gefährlich an. Von Anfang an hatte es das.
Doch als ich es wagte ihren Namen auszusprechen, denn wieder erinnerte ich mich daran, dass unsere gemeinsam Zeit ohnehin ablief und ich deshalb ruhig nachgeben konnte, fühlte es sich erschreckend wundervoll an.
„Juna," sagte ich leise und ein funkelndes Feuerwerk explodierte in den Augen der Königin.
„Noch einmal. Nur noch einmal. In Ordnung?"
Aufgeregt rutschte sie ein Stück näher. Der Druck ihrer Hände um meine verstärkte sich merklich.
Verlegen räusperte ich mich.
„Juna."
Meine Stimme klang seltsam, als ich den Namen zum zweiten Mal aussprach. Viel sanfter, als ich es gewohnt war.
Wie ein kleines Mädchen kichernd, schüttelte die Königin meine Hände auf und ab.
„Sehr gut. Wir kommen eindeutig voran. Findet ihr nicht? Und da wir uns nun schon beim Namen nennen, ist es doch auch nicht mehr nötig so höflich miteinander zu sprechen. Was meint ihr Iris? Als Freunde sollten wir doch auch reden wie Freunde es tun."
Ich merkte, die Königin wollte das Gegenteil von dem, was ich wollte. Alle unsere Grenzen sollten auf einen Schlag fallen und uns auf einem freien, offenen Feld zurücklassen.
Mit jedem Stück, das sie forderte, nahm sie mir einen Teil der Sicherheit, die ich so dringen brauchte.
Sie war so unfair. Merkte sie nicht, dass sie mich überforderte?
Wahrscheinlich war es ihr vollkommen egal. Die Königin hatte von Anfang an wenig Zurückhaltung gezeigt.
„Meint ihr nicht, dass das einen Schritt zu weit geht. Wir kennen uns seit ungefähr zwei Tagen. Ich denke es ist noch nicht genug Zeit vergangen. Ihr seit eine Elfenkönigin, dass ändert sich auch nicht nur weil ich euch Juna nennen. Ein wenig Höflichkeit ist schon noch angebracht."
Wenigstens diesen einen Wall wollte ich halten. Ich konnte der Königin nicht immer ihren Willen lassen.
Selbst wenn es eigentlich vollkommen egal war. Ein Teil von mir wollte ihr jeden Wunsch erfüllen, den sie hatte. Als Abschiedsgeschenk.
Wieder rutschte die Königin ein Stück näher, ihre nackten Füße lugten unter meinem Mantel hervor und berührten meine Unterschenkel.
Fragend blinzelte sie mich an, dabei lächelte sie. Sie wirkte ein wenig müder als zuvor.
Die Reise morgen würde anstrengend sein und ich raubte der Königin wichtige Zeit zum Ausruhen.
Ich sollte mich bald verabschieden. Obwohl es die Elfe gewesen war, die unbedingt eine Unterhaltung mit mir führen wollte.
Unsicher ob die Königin ahnte wie viel Kraft ein langer Ritt kosten konnte, war ich es, die die Verantwortung für ihre Gesundheit tragen musste, bis sie zu Hause war.
„Haben wir denn noch so viel Zeit? Wie lange braucht ein Drache um eine Freundschaft zu knüpfen? Sind 50 Jahre ausreichend? Oder 100?" fragte die Königin.
Sie zog die Beine an, ließ meine Hände los und verschränkte die Arme auf den Knien. Erschöpft legte sie ihren Kopf darauf.
Ihre Worte hatten ein wenig frustriert geklungen, doch ich war nicht bereit ihr den Frust zu nehmen und ihrem Willen nachzugeben.
„Ich weiß es nicht. Und große Königin...," ich stockte einen Moment, als ich sah wie die Königin die Stirn runzelte, besann mich und sprach weiter. Es war gar nicht so leicht daran zu denken, den Namen der Elfe zu benutzen.
„Und Juna. Es ist auch nicht wichtig. Wichtig ist, dass ihr euch nun ordentlich ausruht, und ich euch morgen sicher und gesund nach Hause bringe. Deshalb werde ich euch nun meine Schlafrolle bringen, und euch dann ruhen lassen."
Laut schnaubte die Königin, dann hob sie die Hand und schnippte mir gegen die Stirn. Es tat nicht weh, dennoch rieb ich überrascht über die Stelle.
„Ihr seid frustrierend. Wisst ihr das? Unheimlich frustrierend. Wenn ihr mir nicht...dann würde ich... Aarg!"
Sie ballte die Fäuste und kam geschwind und elegant auf die Beine. Mit einem leisen Rascheln fiel mein Mantel zu Boden.
Mit vor Zorn brennenden Augen sah die Königin mich an.
„Wenn ihr es wünscht, dann werde ich ruhen. Aber wagt es nicht mir eure Schlafrolle zu bringen. Sonst halte ich euch fest und lasse nicht mehr los. Dann müsst ihr hier im Wagen schlafen," presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Trotz ihrer Wut wählte sie eindeutig freundliche Worte. So eine nette Drohung hatte ich selten bekommen. Dennoch wollte ich auf keinen Fall mit ihr im Wagen übernachten.
Mit einer knappen Verbeugung verabschiedet ich mich. Die Königin sah sie nicht, denn sie hatte mir inzwischen den Rücken zugekehrt.
„Dann wünsche ich euch eine angenehme Nacht. Möge Nanui, die Dunkle, ihre schützenden Schwingen über euch bereiten."
Wahrscheinlich kannte die Königin diesen Nachtgruß der Drachen nicht, der eine ruhige und gut behütete Nacht wünschte, ohne dass der Schlafende von Alpträume, oder anderen Schwierigkeiten zu später Stunde heimgesucht wurde.
Nanui, die Hüterin der Nacht, mit ihren schwarzen Schuppen gab den größten Schutz, den sich ein Wesen für diese Stunden, in denen man so verletzlich war, wünschen könnten.
Ich hatte ihr das Netteste gesagt, das mir eingefallen war und dann verließ ich sie.
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