Drache und Silber 2
Um die Höflichkeit zu wahren und normalen höfischen Protokoll zu folgen, vollführte ich eine knappe Verbeugung, bevor ich meine Frage stellte.
Zwar hatte die Königin bereits alle Regeln missachtet, indem sie mich berührt hatte, aber an ihrem Hof konnte sie sich einem weit unter ihr stehenden Besucher gegenüber Verhalten wie sie wollte. Es sprach nicht unbedingt für ihren Charakter, dass sie ihre Machtposition derart ausnutzte, doch was sollte ich von einer Elfe anderes erwarten.
Hastig richtete ich mich nach der Vorbeugung wieder auf und begann ohne abzuwarten zu sprechen.
Mein Empfinden flüsterte mir zu, ich verweilte schon zu lange unter Feinden und musste meine Aufgabe nun rasch erledigen.
„Verehrteste Königin. Mein Herr, König Vigour von Winterstein, hat mich mit wichtigen Nachrichten zu euch geschickt. Es ist seine große Hoffnung, dass er in eurer Erinnerung als euch wohlgefälliger Tanzpartner auf dem Frühlingsball des Hochkaisers erhalten geblieben ist und ihr mit Freude an die Stunde, die ihr miteinander geteilt habt, zurückdenkt.
Mein König konnte euer liebliches Antlitz, die interessanten Gespräche und euer bewundernswertes Tanzgeschick nicht vergessen. Deshalb schickt er mich, mit einer von tiefsten Herzen kommenden Bitte, zu euch."
Für größeren Effekt meiner Worte machte ich eine kurze Pause. Ich gab mir eine Sekunde, um meinen Blick durch die Menge zu schicken und ihn dann zurück auf die Königin zu richten.
Viele der Elfen musterten mich immer noch mit bösartigen Blicken. Andere schienen nur verwirrt zu sein, und runzelten die Stirn.
Die Königin verzog keine Miene. Mit milden Lächeln lauschte sie meinen Worte, diesmal ohne Neugierde, doch auch nicht mit Verachtung. Sie musste doch ahnen, warum ich gekommen war. Wieso zeigte sie keine Gefühlsregung, doch barg nach wie vor diesen seltsamen Ausdruck in ihren Augen, wenn sie mich ansah.
Meine Anwesenheit an ihrem Hof war nicht wichtig. Nur die Worte, die ich brachte, hatten eine Bedeutung. Die Königin blickte mich an, als wäre es genau umgekehrt. Als hätte ich diese Reise auf mich genommen, um sie zu besuchen. Mein Herr hatte sich in eine ganz und gar seltsame Frau verliebt.
„Mein König bittet euch gnädigst darum, ihm zu erlauben, um euch zu werben."
Noch bevor sich ein Tumult in den Reihen der Anwesenden erhob, ob der Unverschämtheit der Bitte, hörte ich die klare Antwort der Königin. Sie beendete jegliche Empörung ihres Hofes, bevor sie entstehen konnte.
„Leider muss ich diese Bitte ablehnen. Es ist mir unmöglich euren Herrn zu heiraten. Selbst wenn er mir als durchaus sympathischer und gutaussehender Mann in Erinnerung geblieben ist."
Wieder hob sie ihre Hand, als wollte sie mich erneut berühren, ließ sie jedoch rasch wieder sinken. Sie musste den Missmut über diese Art von Kontakt in meinem Gesicht gelesen haben. Vielleicht pflegten Elfen sich oft anzufassen, doch wir Drachen schätzten Körperkontakt nur mit uns nahestehenden Wesen.
Dennoch trat sie näher an mich heran, viel zu nah für meinen Geschmack.
Ein süßer Duft stieg mir in die Nase, während ihre Präsenz mich umhüllte. Plötzlich schien mir der Atem schwerer in die Lungen zu kommen, als drückte mir etwas mit großer Macht gegen die Brust.
Die Schuppen an meinen Nacken stellten sich auf und begannen auf meiner Haut zu glühen. Als ich die Ausmaße dieses Gefühls erkannte, begann mein Herz schneller zu schlagen.
Diese Situation sollte überhaupt nicht möglich sein. Meine Emotionen konnten nicht so außer Kontrolle geraten, nur weil die Königin zu dicht an mich herantrat.
Langsam blickte ich zur Seite, wich dem Blick dieser unverschämten Elfe aus und brachte mich mit zwei tiefen Atemzügen wieder unter Kontrolle.
Hatte sie etwas bemerkt?
Ich musste mich davon abhalten in ihrem Gesicht nach Antworten zu forschen.
Nichts an diesem Augenblick hätte geschehen sollen. Also war es das Beste, diese kurze Entgleisung schnell wieder zu vergessen.
Doch dann flüsterte die Königin mir zu und wieder flog meine Ruhe davon, als hätte sie sie fort geblasen
„Ein Drachen kann es natürlich nicht Wissen, aber eine Elfe, egal ob Diener, Soldat oder Königin heiratet nur ihre einzige Liebe. Dein Herr ist nicht meine Liebe."
„Was ist eine einzige Liebe?" fragte ich und ärgerte mich das meine Stimme zu einem schwachen Hauchen verkommen war.
Wieso konnte mir diese Peinlichkeit in Gegenwart so vieler Elfen passieren?
Das ganze Gesicht der Königin erhellte sich, als sie meine Frage hörte und ihre Augen musterten mich liebevoll, doch ernsthaft.
„Etwas wundervolles."
Ihre Antwort verriet mir absolut gar nichts. Doch ich beschloss für mich, dass wir im Moment von einer Sache sprachen, die einzig und allein für Elfen wichtig war. Damit konnte ich das Thema abhaken und beendete diese seltsame Nähe der Königin zu mir, mit einem entschlossenem Schritt nach hinten.
Nicht jeder Drache trug Schuppen auf seiner Haut. Ich selbst besaß nur ein etwa Lindenblatt großes Feld in meinem Nacken und ein paar Reihen an meinen beiden Fußgelenken. Sie waren ein weißer, harter Panzer, der je nach Lichteinfall in allen möglichen Farben glänzte.
Obwohl die Schuppen nur einen geringen Teil meiner Haut bedeckten, reagierten sie am stärksten darauf, wenn mein Blut in Wallungen geriet. Sie arbeiteten als Ventil für meine Emotionen.
Im Kampf brannte mein Nacken wie glühendes Eisen.
Zum Glück versteckte mein Haar meinen Nacken. Deshalb hatte niemand bemerkt, wie sich diese seltsame Erregung in meinem Körper ihren Bann brach.
Ob die Königin meine Aufregung gespürt hatte, wusste ich nicht. Trotzdem wollte ich sie niemals wiedersehen.
„Leider müsst ihr eurem Herrn nun schlechte Nachrichten überbringen. Lasst es mich wieder gut machen, indem ich euch für die Tage vor eurer Abreise meine Gastfreundschaft anbiete.
Ich weiß es herrscht jahrhundertealter Groll zwischen Drachen und Elfen, doch ich verspreche euch und euren Begleitern Tage voller Annehmlichkeiten und Ruhe. Irgendwann sollten wir diesen Ärger schließlich begraben. Wenn euer Herr die Größe besitzt einer Elfe seine Liebe zu gestehen, dann sollte es mir und meinen Gefolge möglich sein, euch unsere volle Gastfreundschaft spüren zu lassen."
Als sie sprach wirkte die Königin vollkommen ruhig. Nichts an ihrem Verhalten gab preis, ob sie etwas von meiner Bedrängnis bemerkt hatte.
Auf die Gastfreundschaft einer Elfe konnte ich sehr gut verzichten. Ein Drache, der länger als nötig im Bauch seines Feindes verweilte, konnte nur naiv oder dumm sein. Beide Charakterzüge hatte ich niemals besessen.
„Habt vielen Dank. Doch wir können nicht lange von zu Hause fortbleiben, da mein König unsere Antwort mit Sehnsucht erwartet."
Mit einer knappen Verbeugung verabschiedete ich mich.
„Es war sehr gütig von euch uns anzuhören und uns eure Gastfreundschaft anzubieten. Große Königin. Starke Schwingen und sanfte Winde."
Ob die Elfen den Drachengruß, den ich benutzte, verstanden und der die Nachricht in sich barg sich niemals wiederzusehen, konnte ich mir nicht vorstellen. Doch ich würde mich nicht dazu herablassen, elfische Worte zum Abschied zu wählen.
Tatsächlich ging ich mit Erleichterung. Nicht nur weil ich die Nähe der Elfen, insbesondere ihrer Königin nicht mehr ertrug, ich konnte meinem Herrn auch die Nachricht überbringen, die ich mir erhofft hatte.
„Nun dann geht und lasst euren Herrn nicht warten. Solltet ihr etwas für eure Reise nach Hause benötigen, so teilt es meinen Dienern mit. Sie werden euch geben was ihr braucht. Mögen Sonne und Mond euch sicher geleiten."
Die Königin wirkte beinahe schelmisch, als sie sich verabschiedet und dabei einen Gruß ihres Volkes wählte, den ich und meine Begleiter nicht kannten.
Nachdem wir uns gegenseitig mit unseren Abschiedsgruß geärgert hatten, waren wir nun wohl quitt. So verließ ich den Thronsaal, ohne einmal zurück zu blicken.
Dabei quälte mich das Gefühl eines heißen Blickes in meinen Nacken, unter dem sich meine Schuppen erneut aufrichteten.
Ein Gefühl, das allein meiner Einbildung entsprungen sein musste.
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