Drache und Silber 144
Ein Raunen drang durch die Reihen der anwesenden Elfen. Blicke voller Abscheu und Wut richteten sich auf mich. Aber mir schlug im gleichen Maße Verständnis entgegen. Scheinbar hegte nicht nur ich eine Abneigung gegen Armin.
Im Gesicht meiner Liebsten zeigte sich keine Regung. Sie krampfte die Hände noch fester um meine Finger.
„Iris von Winterstein seid ihr bereit eure Strafe zu empfangen, oder hegt ihr Einwände gegen das Urteil des Rates?", dröhnte die dunkle Stimme des Gartens.
Die Wahrheit ließ sich nicht leugnen. Die Mitglieder des weisen Rates hatten sie selbst in meinem Kopf gesehen. Ich hatte Armin geschlagen, ihm die Nasenknochen zerschmettert und er hatte es mehr als verdient.
Also rappelte ich mich vom Boden hoch. Juna versuchte mich festzuhalten, doch ich schüttelte ihre Hände ab.
„Ich habe keine Einwände. Aber ich habe gehandelt, wie ein Drache es tut, wenn er beleidigt wird. Es gibt Worte, die nur mit einer Faust zu beantworten sind."
Entsetztes Keuchen in der Menge. Deswegen sollte kein Drache von einem Rat der Elfen verurteilt werden. Vor einem Publikum, das nur aus zarten Elfchen in filigranen Roben bestand. Sie hatten keine Ahnung vom Stolz eines Drachen.
„Wir wissen, dass die Kultur der Drachen sich von der der Elfen unterscheidet. Doch ihr, Iris von Winterstein, lebt bei den Elfen und werdet eine hochrangige Elfe heiraten, deshalb gilt für euch dasselbe Recht, wie für alle anderen Elfen. Wir werden euch nicht zurück ins Drachenreich schicken, damit dort über euch gerichtet werden kann. Auch mit Hinblick darauf, dass eure Hochzeit in zwei Tagen stattfindet."
Der weise Rat rügte mich, als wäre ich ein kleines Kind. Und tatsächlich war ich in ihren Augen wohl nicht viel mehr, mit meinen knapp 600 Lebensjahren.
Ein Rat der Drachen hätte mich für einen einfachen Faustschlag kaum verurteilt. Beinah wollte ich verlangen, dass sie mich zum Winterstein schickten und man mich dort richten sollte. Damit ich ein wirklich faires Urteil erfahren würde. Juna zupfte am Ärmel meines Hemdes und richtete ihren klaren Blick auf mich. Mit ihren Augen bat sie mich zu Schweigen. Also biss ich die Zähne aufeinander und schluckte alle Widerworte herunter.
Ich sah zu Armin hinüber und der starrte mit seiner widerlich siegessicheren Fratze zurück. Sollte der Rat ihn nicht verurteilen, würde ich ihn mit Alvira niederstrecken. Egal, welche Strafe darauf folgte.
„Ich verstehe, was ihr mir sagen wollt. Also nennt mir meine Strafe."
In der Menge ertönte erleichtertes Ausatmen. Ich bot den Zuschauern wohl ein aufregendes Schauspiel.
„Iris von Winterstein. Höret euer Urteil!", donnerte die Stimme. Wieder ertönte ein Gong. Er schreckte einen Vogel auf, der empört zwitscherte.
Übertrieben dramatisch, doch ich wartete geduldig zu erfahren, welchen Unsinn sich die Elfen für mich ausgedacht hatten. Dann würde ich entscheiden, ob ich die Strafe tatsächlich annehmen wollte.
„Im Hinblick auf das hohe Amt, das ihr allein durch eure Ehe bekleiden werdet, erscheint es dem weisen Rat als von größter Wichtigkeit, euch die Etikette und Gebräuche der Elfen in ausführlicher Art und Weise nahe zu bringen. Ihr hab den Frieden des inneren Palastes gestört und zu unnötiger Gewalt gegriffen. Dies zeigt uns, dass ihr die Wege der Elfen erst noch lernen und verstehen müsst. Deshalb werden wir euch Lehrer zur Seite stellen, die euch im Laufe der nächsten Jahre alles beibringen, was ihr über das Leben bei den Elfen Wissen solltet. Das ist kein Vorschlag. Es ist eine Pflicht und eure Strafe, die ihr zu erfüllen habt. Wir werden uns über euren Fortschritt regelmäßig informieren."
Armin lachte hämisch. Laut genug, dass sich ein großer Teil der Anwesenden in seine Richtung wandten. Er stieß eine der Mitläufer neben sich an und zeigte auf mich.
„Wie Lehrstunden für ein Kleinkind. Solch eine Peinlichkeit. Ich würde mich nicht mehr in die Öffentlichkeit wagen. Von wegen, mich vor der Königin zeigen."
Obwohl Armin vorgab in das Ohr des Ministers neben ihm zu flüstern, konnte allen seine Worte ohne Probleme hören. Und er wollte eindeutig, dass ich ihn hörte. Sein herausfordernder Blick krachte wie ein Schwert gegen meinen.
Ich ballte die Hände zu Fäusten. Alvira bebte so heftig an meinem Bein, als wollte sie selbst aus ihrer Hülle springen und die Kehle des Ministers durchbohren. Meine Hand rutschte auf den glatten Griff der Waffe.
Juna stand plötzlich neben mir. Sie schlang beide Arme um mich und drückte ihr Bein gegen meine Hand.
„Armin. Es gibt viele Dinge, die einem peinlich sein können. Herzlosigkeit, Hass, Missgunst, Hinterhältigkeit und übertriebener Stolz sind nur ein paar davon. Etwas Neues zu lernen und den Mut zu besitzen, seine sichere Heimat zu verlassen um unter Fremden und ehemaligen Feinden zu leben, dem kann ich nur Bewunderung entgegenbringen. Ihr tätet gut daran, nicht mit Worten um euch zu werfen, die zeigen, wie wenig ihr in eurem Leben bisher gelernt habt. Sonst könnte man meinen, ihr hättet diese Strafe sehr viel notwendiger als ein Drache aus fernen Ländern."
Armin öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Dann schoss ihm Röte ins Gesicht. Die Worte seiner Königin wogen so viel schwerer, als meine es jemals konnten. Es ärgerte mich, dass Juna die Notwendigkeit sah, mich zu verteidigen. Ich besaß die Fähigkeit mich zu wehren. Hatte sie immer besessen und würde vor den Elfen nicht zurückstecken. Selbst wenn ich bei den Elfen lebte, brauchte ich kein Schutzschild.
Ohne sie anzusehen, drückte ich Junas Arme von mir. Dann setzte ich mich rasch, weil ich den Anwesenden meine aufwallenden Gefühle nicht zeigen wollte.
Juna setzte sich zu mir und versuchte meine Hand zu greifen, doch ich entzog sie ihr. Dabei starrte ich stur nach vorne, gegen den schmalen Rücken des Ministers, der direkt vor mir saß.
Meine Liebste beugte sich zu mir und flüsterte:
„Warum darf ich dir nicht helfen, wo nur ich dir helfen kann? Du kannst hier mit Armin keinen Kampf beginnen. Du kannst nicht mir ihm streiten, wenn über euch beide ein Urteil gefällt wird. Aber ich kann ihn zum Schweigen bringen."
Natürlich hatte sie Recht. Dennoch brodelte ein unerträglicher Ärger in mir. Darüber, dass ich hier im Elfenreich immer wieder in Situationen kam, aus denen ich mir nicht selbst heraushelfen konnte. Als wäre ich ein unfähiges Kind. Und nun sollte ich auch noch Unterricht erhalten, wie ein frischgeschlüpftes Elfenbaby.
„Du musst dich nicht vor mich stellen. Ich bin nicht schwach.", zischte ich leise.
„Natürlich nicht. Mein starker Drache. Du bist so stark. So stark, dass du niemals schwach sein darfst. Niemals Hilfe brauchst. Aber ich bin auch stark. Lass mich für dich stark sein, wie du es für mich bist."
Ihre Finger neckten meine. Sie strichen über meinen Knöchel, hinunter, bis zu den Fingernägeln. Ich öffnete die Faust und ihre Hand stahl sich in meine. Meine Wut galt nur zu einem klitzekleinen Anteil meiner Liebsten. Eher hasste ich die Rolle, in die mich das Elfenreich drängte und in der ich Junas Schutz so dringend benötigte. Zuvor hatte ich beinah jedes Problem mit meinem Schwert lösen können. Das funktionierte hier nicht mehr.
Bevor ich meiner Liebsten antworten konnte, ertönte ein weiterer Gong.
„Joahn Maximus Liam Armin von Schimmerose zu Samtwasser, ihr habt im inneren Palast einen Anschlag gegen Iris von Winterstein verübt. Dieser Angriff wurde ausgeführt gegen eine wehrlose Gegnerin, die bereits durch vier Wachen in einem magischen Kreis gebannt worden war. Nur ein magisches Schmuckstück bewahrte Iris von Winterstein vor dem sicheren Tod und da ihr nicht wusstet, dass sich dieses in ihrem Besitz befand, ist der weise Rat zu dem Schluss gekommen, dem Angriff eine eindeutige Tötungsabsicht zuzuschreiben. Des Weiteren hat uns die Einsicht in eure Gedanken verraten, dass ihr diese Absicht zu töten immer noch hegt und sie keineswegs bereut. Erfahrt nun eure Strafe."
Im Garten wurde es vollkommen ruhig. Selbst die Gewänder der Elfen raschelten nicht mehr, als sich alle Köpfe zu Armin hinwandten.
Armin schnaubte empört, während die Röte seines Gesichtes, seinem Haar Konkurrenz machte.
„Ihr Elfen solltet froh sein. Ich habe gewagt, wozu ihr alle zu feige seid. Seht ihr nicht wie diese Drachenschlampe unsere Königin verhext. Die Königin ist wie eine Fremde. Klarheit und Vernunft sind nicht mehr in ihren Augen. Stattdessen sehe ich die Verwirrung eines bösen Zaubers in ihr. Ich war mir sicher, dass der weise Rat diese schlampige Hexerei durchschauen kann. Wenn doch jeder sie so deutlich sehen kann."
Mit ausgestrecktem Arm zeigte er anklagend auf mich. Der Hass in seinen Augen brannte wie die Feuer im Winterstein. Schon wieder juckte mir die Faust. Ein Wunder, dass der weise Rat die Mordlust, die in mir brannte, ignoriert hatte, wenn sie Armin so deutlich dafür anklagten.
„Dieser Zauber nennt sich Liebe. Armin von Schimmerrose. Ihr solltet den Unterschied zwischen ihr und einer bösen Hexerei erkennen können. Außer ihr kennt selbst nur die dunkle Art der Liebe, in die man das Objekt seiner Begierde hineinzwängen muss. Der weise Rat ist allerdings nicht dazu bereit, euch diesen Unterschied zu lehren. Ihr werdet die nächsten Jahre Zeit dazu haben, darüber nachzudenken. Werdet ihr also euer Urteil annehmen?"
Zumindest schreckten die Waschweiber nicht davor zurück, auch Elfen in ihre Schranken zu weisen. Es machte sie mir deutlich sympathischer.
Armin stürzte nach vorne. Vorbei am Rat, der weiterhin bewegungslos verharrte, als rannte nicht gerade ein verrückter Elfenmann mit Mordlust in den Augen an ihnen vorbei.
„Ihr seid alle so blind. Wenn ich die Hexe töte, werdet ihr erwachen.", knurrte er.
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