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"Verdammt, April, jetzt geh schon ran!" Ich stehe im Licht einer Laterne und starre stur auf meine Schuhe, während ich darauf warte, dass meine beste Freundin endlich ans Handy geht. Ich bin nur ihretwegen zu dieser bescheuerten Party gekommen und jetzt stehe ich hier im Dunkeln, ohne die leistete Ahnung, wie ich wieder zurück zu dem Haus dieses Tobys (oder war es Tony?) gelange. Warum hat sie mich überhaupt mit geschleift, wenn sie am Ende sowieso nur an Jake Millers Lippen hängt? Ich stöhne frustriert auf, als sie einfach nicht ans Handy geht und lasse es daraufhin in meiner Tasche verschwinden. Das hat sowieso keinen Sinn, auf dieser Party wird sie das öde Ding ja eh nicht hören.

"Okay", murmle ich und atme tief durch, während ich mich ängstlich umsehe. Ich meine, wenn ich einfach zurückgehe, muss ich doch irgendwann wieder zur Party gelangen oder? Sonst gehts nur geradeaus weiter und ich bezweifle, dass ich da irgendwie weiterkomme. Deshalb drehe ich mich einfach um und beginne fröstelnd zurückzulaufen. Und während ich da so durch die Nacht laufe, verfluche ich mich selbst dafür, dass ich April den Gefallen überhaupt getan haben, denn wenn ich einfach nein gesagt hätte, dann könnte ich jetzt in meinem kuschelig warmen Bett liegen, anstatt durch die eiskalte Dunkelheit laufen zu müssen. Und als wenn das alles nicht schon genug wäre, tauchen vor mir wie aus dem nichts zwei Typen auf. Sie schwanken stark und haben offensichtlich zu tief ins Glas geschaut. Mein Instinkt rät mir einen großen Bogen um die beiden zu machen, aber sie haben mich bereits entdeckt und auf der Straße zu laufen, würde sie wohl auch nicht abhalten, wenn sie irgendeinen Unsinn im Kopf haben. Also bleibe ich auf dem Gehweg, versuche allerdings, so selbstbewusst wie möglich aufzutreten. Die sollen nicht mal auf die Idee kommen, mich anzufassen. Leider scheint meine Methode allerdings nicht aufzugehen, denn die Beiden bleiben einige Schritt vor mir einfach stehen und stellen sich mit verschränkten Armen so hin, dass ich gar nicht an ihnen vorbei kann. Ich mache einen Schritt Richtung Straße, aber der Größere der Beiden folgt mir einfach. Verdammt, und jetzt?

"Ich muss dringend zu meiner Freundin, sie hängt betrunken über der Kloschüssel",presse ich hervor, nachdem die beiden mich einige Augenblick einfach nur grinsend angestarrt haben.

"Na dann sollten wir dich wohl begleiten." Am liebsten würde ich mich gleich hier auf den Boden übergeben, so sehr ekeln mich die Blicke an, die sie mir zuwerfen. Wie kann man bloß so sein?

"Nein, ich denke-"

"Babe, da bist du ja! Ich dachte, du wolltest auf mich warten." Plötzlich legt sich ein Arm um meine Taille und zieht mich an einen warmen Körper. Ich hebe vorsichtig den Blick, nur um in das Gesicht eines verdammt attraktiven jungen Mannes zu sehen. Seine eisblauen Augen liegen auf mir und irgendetwas ist da in seinem Blick, das mir sagt, dass ich jetzt in Sicherheit bin. Benommen wende ich mich wieder den beiden Typen vor mir zu. Die haben mittlerweile die Arme fallen lassen und starren den Blauäugigen neben mir an, als wäre dieser ein dreiköpfiges Monster. "Ist was?" Der Ton in seiner Stimme ist kalt und bedrohlich und das scheinen wohl auch die Beiden zu hören, denn nach einem kurzen Kopfschütteln und einem letzten Blick in unsere Richtung drehen sie sich einfach um und laufen davon. Kaum, dass sie ausser Sicht sind, zieht der Junge neben mir seinen Arm weg. "Was tust du hier um diese Uhrzeit? Und dann auch noch allein?", fragte er so vorwurfsvoll, als würden wir uns schon Jahre kennen.

Ich schlucke einmal und konzentriere mich dann auf meine nächsten Worte. "Ich.... Ich war auf einer Party und brauchte frische Luft. Aber dann habe ich mich wohl irgendwie verlaufen." Meine Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern, aber in der Stille der Nacht hallt sie laut und klar wider. Als er keine Anstalten macht, noch irgendetwas zu sagen, raune ich ihm ein leises "Danke" zu und wende mich ab. Hoffentlich sind die beiden Typen schon weit weg. Ich habe sicherlich keine Lust, ihnen noch einmal zu begegnen.

"Hey, warte mal, wo denkst du, gehst du hin?" Überrascht, dass er nochmal das Wort ergreift, drehe ich mich zu ihm um. Er steht noch immer an derselben Stelle wie gerade eben und blickt mich aus seinen klaren Augen an. "Du hast gesagt, dass du dich verlaufen hast. Willst du dich wirklich nochmal allein auf den Weg machen und riskieren, den Zweien erneut zu begegnen?"

"Ich-"

"Weißt du, ich bin eigentlich auf dem Weg meine Schwester abzuholen. Sie steckt auf einer Party fest und vielleicht haben wir ja Glück und das ist die Party, von der du kommst." Er fragt nicht mal, ob ich einverstanden bin. Wie selbstverständlich greift er nach meiner Hand und läuft einfach los. Und überrumpelt, wie ich bin, lasse ich mich einfach mitziehen. Was hätte ich auch sonst tun sollen? Er ist meine einzige Möglichkeit vielleicht doch noch zurückzufinden und wenn ich mal ehrlich bin, fühlt sich seine warme Hand in meiner einfach verdammt richtig an.

Wir laufen eine Weile schweigend nebeneinander her, aber mit der Zeit wird es immer lauter, bis wir schließlich vor einem Haus zu stehen kommen. Tobys/ Tonys Haus. Am liebsten wäre ich vor Freude in Tränen ausgebrochen, aber das wäre mir dann doch irgendwie peinlich gewesen, deswegen sehe ich einfach zu ihm rüber und lächle ihn freudestrahlend an. "Hier wollte ich hin. Danke."

Er sagt nichts, lächelt auch nicht zurück, stattdessen steht er einfach da vor mir und sieht zu mir herab. Einige Sekunden blicken wir uns in die Augen. Ich weiß nicht, was es ist, aber da ist irgendetwas in seinem Blick, das mich gefangen hält. Und-

"Raine Juliette Samuels! Wo zur Hölle hast du gesteckt?" Als die Stimme meiner besten Freundin hinter mir ertönt, zucke ich erschrocken zusammen und drehe mich zu ihr um. Sie steht da, die Hände in die Hüften gestützt und funkelt mich wütend an. "Ich habe dich gesucht." April greift nach meinem Arm und zieht mich Richtung Haus, während sie sich aufregt, aber ich schalte einfach auf Durchzug. In meinen Gedanken ist nur dieses blaue Augenpaar. Als ich mich nach meinem Retter umdrehe, macht sich Enttäuschung in mir breit.

Er ist weg.

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