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"Ty, schau was ich im Keller gefunden habe!"
Ich sah von meinen Unterlagen auf und grinste bei dem Anblick meiner vollkommen verstaubten Mutter. Sie hielt ein dickes Buch in der einen und ein einzelnes Foto in der anderen Hand.
"Was hast du da?"
"Ein Fotoalbum mit genügend Fotos aus deiner Kindheit, um dich zu blamieren", meinte sie grinsend, während sie es aufschlug und auf ein Foto zeigte, dass mich in einem Prinzessinnen Kleid zeigte. Ich trug eine Krone auf dem Kopf und grinste breit in die Kamera. Ehrlich gesagt, konnte ich mich sogar noch an diesen Tag erinnern, aber genau das schmerzte in diesem Moment. Ich wollte nicht an sie denken. "Das war an Malias siebten Geburtstag, erinnerst du dich? Sie wollte unbedingt eine Prinzessin auf ihrer Party haben und du hast dich verkleidet, um sie glücklich zu machen." Mum lächelte sanft, aber ich bemerkte den verspannten Zug um ihren Mund, der mir deutlich vor Augen führte, dass ich nicht der Einzige war, der dieses Mädchen geliebt hatte. Nein... noch immer liebte.
"Ich erinnere mich", flüsterte ich, während ich in Gedanken alles tat, um genau diese Erinnerungen zu verdrängen. Ich wollte nicht an das Lächeln denken, das sie mir geschenkt hatte, als ich so auf ihrer Party aufgetaucht war. Oder an das Funkeln in ihren Augen, das nur für mich bestimmt gewesen war und das für eine lange Zeit. "Was ist mit diesem Foto?" Meine Stimme war belegt, doch Mum tat, als hätte sie es nicht bemerkt und dafür war ich ihr unglaublich dankbar.
Sie sah das Foto einen Moment an, bevor sie es mir zeigte. "Euer Abschlussball." Und was für ein Ball das gewesen war. Wir hatten die ganze Nacht getanzt und... Nein, ich schüttelte den Kopf, um den aufkommenden Erinnerung zu entkommen.
"Sie hat mich verlassen. Nicht ich sie." Das war das Einzige, was ich sagte, und Mum war schlau genug, um es dabei zu belassen. Sie wusste, wie schlecht es mir in der Zeit nach der Trennung gegangen war und sie wollte ganz bestimmt keine alten Wunden aufreißen. Dabei gab es keine alten Wunden, es fühlte sich an, als wäre es erst gestern passiert.
"Ich werde das Album wieder in den Keller bringen." Mum stand schon an der Tür, als sie sich wieder umdrehte. "Außer du willst-"
"Nein, Mum, im Keller sind sie gut aufgehoben." Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir die Fotos alle verbrennen können, nur damit ich nicht immer wieder an sie erinnert werden musste. Ich konnte nicht einmal ihren Namen denken, ohne dass sich mein Herz zusammen krampfte. Und dann wurde ich einfach nur wütend. Weil sie mich einfach verlassen hatte, ohne etwas zu sagen, und weil mir das noch immer so viel ausmachte.
Eine ganze Weile starrte ich auf die Unterlagen, die vor mir auf dem Tisch ausgebreitet lagen. Und so sehr ich auch versuchte, mich darauf zu konzentrieren, es funktionierte einfach nicht. Sie hatte sich in meinen Kopf geschlichen und jetzt wollte sie nicht mehr gehen.
Ich musste an die frische Luft.
Draußen war es windig, doch obwohl ich keine Jacke trug, spürte ich die Kälte nicht. Meine Gedanken waren viel zu weit weg.
Ich musste an sie denken, ständig. An all die schönen Momente, die wir gemeinsam verbracht hatten. Die Nächte, die wir durch getanzt, die kalten Wintertage, die wir eng zusammen gekuschelt auf dem Sofa verbracht und die Zärtlichkeiten, die wir ausgetauscht hatten. Gott, ich hatte sie so vergöttert. Und ich wusste, dass sie es genossen hatte, so sehr geliebt zu werden.
Und dennoch hatte sie mich einfach verlassen, ohne mir irgendetwas zu erklären. Wie oft hatte ich sie angerufen, wie oft an ihrer Tür gestanden, nur um auf Ausreden und Lügen zu stoßen? Es hatte sich angefühlt, als hätte ich ihr nie etwas bedeutet und jeden Tag, den sie weiter schwieg, hatte mich innerlich immer mehr zerbrochen.
Als ich stehen blieb, befand ich mich vor einem Pub. Ich starrte auf das große Schild, das über der Tür hang, und schluckte schwer. Hier hatte ich ihr das erste Mal gesagt, dass ich sie liebte. Mein Blick wanderte wie von selbst zu dem kleinen Fenster, das den Blick auf das Innere des Pubs freigab. Ich wusste nicht, warum ich nach ihr Ausschau hielt, ich tat es einfach. Suchte mit den Augen nach ihrem dunklen Haarschopf und ihren smaragdgrünen Augen.
Und dann sah ich sie.
Mein Herz sank in sich zusammen und mir wurde schlecht. Ich hatte das Gefühl, alles drehte sich, und stützte mich schwer atmend an der Mauer ab. Meine Hände zitterten, während sich das Bild vor meinen Augen erneut abspielte.
Sie saß in unserem Pub und küsste einen anderen.
Ich schloss die Augen und versuchte das Bild zu verdrängen, aber es hatte sich bereits in meine Netzhaut gebrannt und lief auf Dauerschleife vor meinem inneren Auge ab.
Sie war weiter gezogen, während ich noch immer an ihr festhielt.
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