she's gone


Ich zog meinen Beanie vom Kopf und warf ihn rücksichtslos auf die Couch, genauso wie den neuen Wintermantel. Meine Schuhe lagen bereits in der nächsten Ecke und ich ließ mich hundemüde auf mein Bett fallen. Der Tag heute war -wie soll ich sagen- abwechslungsreich gewesen. Einerseits war es ein total cooles Erlebnis gewesen, auf einem Konzert zu sein, aber andererseits... Anderseits machte mir die Ähnlichkeit mit Eleanor Calder wirklich zu schaffen. Doch dadurch hatte ich auch ein nettes Mädchen kennengelernt, Gemma. Heute würde ich sie allerdings nicht mehr anrufen. Denn es war 23:56 und alles was ich heute noch tun wollte war - schlafen.

Ich wachte am nächsten morgen in meinen Alltagsklamotten auf, ich hatte gestern einfach keine Lust mehr gehabt, mich umzuziehen. Verschlafen fuhr ich mir durch die Haare, diese dünnen, diese undankbaren Haare, denen ich aber trotzdem zu danken hatte, weil sie der Ähnlichkeit mit Eleanor widersprachen. In diesem Moment kam Kate ins Zimmer gelaufen, die Tür stand weit offen, als ich mich zu ihr umdrehte. "Kate", raunte ich, "Ich steh ja schon auf..." Kate kam normalerweise fast täglich, um mich zu wecken, wie die Mutter ihr Kind, weil ich eine ziemliche Langschläferin war. Doch schon wieder irrte ich mich. "Grace! Warum lässt du mich nie aussprechen?" "Ähhh...weil du immer dasselbe sagst?", murmelte ich und richtete mich auf. "Was ist denn?", fragte ich trotzdem, um jeglichen Streit zu vermeiden. "Du hast mehrere Anrufe in Abwesenheit", erklärte mir Kate. "Von wo hast du mein Handy?!" "Es war in deiner Manteltasche." "Ach ja, stimmt...", beruhigte ich mich wieder und Kate reichte mir mein Samsung Galaxy S3.

"7 Anrufe!", sagte ich erstaunt. "Jap, und alle von derselben Nummer", erklärte mir meine Schwester. Und es stimmte - Alle Anrufe waren dieselbe unbekannte Nummer. In diesem Moment rutschte ein kleiner, gelber Post-It aus meiner Handyhülle, die die Form eines Pinguins hatte. Fragend nahm ich ihn hoch und las die Zeilen. Darauf stand exakt dieselbe Nummer! Und darunter >Gemma<. Also war Gemma die anonyme Anruferin!

"Ich ruf sie mal zurück", murmelte ich. "Wen?" "Gemma." "Achso, sie war das. Dann muss es ja was dringendes sein, wenn sie jemanden, mit dem sie 10 Minuten gesprochen hat, so oft anruft." Ich nickte und wählte die Nummer. Piep, piep, piep, doch sie hob nicht ab. "Naja, egal", dachte ich mir und machte mich daran, mich umzuziehen.

Frisch geduscht, die Zähne geputzt und in einem coolen Neon-Look kam ich in die Küche gelaufen, zu der mich ein verlockender Duft führte. Ich sah auf die Uhr. 12:06. Essenszeit. Aber es war Samstag. Da kochten wir normalerweise immer zusammen. Normalerweise. Ich gesellte mich zu Kate um ihr zu helfen, obwohl sie eigentlich schon fertig sein musste. "Was gibts? Wie kann ich dir helfen?", erkundigte ich mich, doch ich bekam nur ein "Das essen steht schon auf dem Küchentisch, du blindes Huhn", zur Antwort. Solche >Beleidigungen< war ich mittlerweile schon gewohnt.

Am Tisch stand regelrecht ein Büffet. Vor jedem Stuhl stand ein Teller, eine Schüssel, Messer, Gabel und Löffel in der richtigen Reihenfolge im perfekten Abstand aufgelegt und in der Mitte mehrere Schalen mit Salat, Reis , Kartoffeln und anderen Köstlichkeiten. Heute musste irgendetwas besonderes sein. Als sich Kate gegenüber von mir setzte, sprach ich sie darauf an. "Ähhmmm... Warum hast du so aufgedeckt? Ist irgendwas... Von dem ich wissen sollte?", fragte ich zögernd und holte mir einen Löffel voll Reis."Du weißt das nicht?!', entgegnete mir Kate mit weit aufgerissenen Augen. "Ähhh....nein?!" "Schau einfach mal aufs Datum!" Ich hob den Kopf an, um auf den Wandkalender gegenüber sehen zu können. Doch das Datum brachte mich auch nicht weiter. "Hat heute irgendjemand Geburtstag?", riet ich. Kate schwankte den Kopf von links nach rechts. "Miley Cyrus hat heute Geburtstag....." Yeah! Jackpot. Aber.... "Aber seit wann magst DU denn Miley Cyrus?!" "Ist es eh nicht der Grund!" Hä? Was sollte sonst so wichtig sein, dass wir hier wie zu Weihnachten speisten?

"Heute....", hob sie an und beugte sich zu mir hinüber. "Ja?", hakte ich neugierig nach. "Heute ist 1DDay!" "Was?!" Dieser Begriff half mir keineswegs. Es musste irgendetwas mit One Direction zu tun haben, aber was war wegen denen so wichtig, dass man hier wie Kaiser aß? Ich ging nicht näher darauf ein.

Ich schob mir gerade genüsslich eine Gabel, an der ich ordentlich Nudeln aufgerollt hatte, in den Mund, als mein Handy klingelte. Seufzend ließ ich die Portion sinken, wischte mir mit einer Serviette schnell den Mund ab und hob ab. "Grace Parker?" "Hey, hier ist Gemma", kam es aus dem Telefon. Ich bemerkte Kates fragenden Blick und formte mit den Lippen den Namen von Gemma, und dann nickte sie, obwohl ich nicht wusste, ob sie Lippen lesen konnte.

"Warum hast du mich so oft angerufen?" "Etwas Schreckliches ist passiert!" "Ist es? So schrecklich, dass du MICH anrufst?" Ich war ein kleines bisschen verwirrt. Meine Finger tasteten zum roten Telefonzeichen, denn es konnte ja kein so großes Drama sein, wenn es mich betraf. Doch Gemma zu Liebe hielt ich mich davon zurück. "Ja ist es, lass mich ausreden", kam es von ihr und ich musste aufpassen nicht loszulachen, weil mir dieser Satz sehr bekannt vorkam.

"Ja, sag schon", sagte ich trotz ihrer Mahnung. "Eleanor ist verschwunden!", stieß Gemma hervor und ich merkte die Verzweiflung in ihrer Stimme. "A-ha", entgegnete ich kurz, was sollte ich denn so großartiges dazu sagen? Doch als sie nicht antwortete, fügte ich noch hinzu: "Wie lang schon? Und wieso rufst du ausgerechnet mich an? Nur weil ich ihr ähnlich sehe?"

"Wenn du es weißt, ist heute 1DDay..." Was sollte dieser 1DDay schon wieder bedeuten? Warum hing das mit ihrem "Verschwinden" zusammen? Dennoch ließ ich sie ausreden. "... Und schon seit mehreren Tagen sind die Vorbereitungen, und Eleanor war immer mit dabei. Doch seit vorgestern wurde sie dort nicht mehr gesehen, von niemanden! Wir haben ihre ganzen Verwandten und bekannten angerufen, aber sie war nirgends. Wir haben uns alle eingeredet, dass sie sich bald wieder melden und zurückkommen würde, denn es ist ja bei fast jedem Mädchen so, dass sie ohne ein Wort geht und wieder kommt, ohne jegliche Erklärung." Desinteresse baute sich in mir auf. Ich war auch schon oft nächtelang weg gewesen, mit Kollegen, die in der Schulcafetaria, wo ich jobbte arbeiteten. Jetzt machte ich das allerdings nicht mehr.

"... auf jeden Fall, hatte ich heute bei den Jungs am Set übernachtet, weil ich heute live dabei sein wollte und durfte Eleanors Zimmer beziehen, solang sie weg war. Doch als ich den Kleiderschrank einräumen wollte, fiel mir auf, dass etwas ganz oben, am höchsten Fach stand. Ich kletterte auf einen Stuhl und - es waren Eleanors Reise- und Handtasche! Samt Handy und Geldbörse, ohne die sie nie das Haus verlassen würde! Ich denke nicht mehr, dass sie einfach so abgehauen ist, ehrlich gesagt hab ich Angst um sie. Ich hab's der Polizei schon gemeldet, den Jungs allerdings noch nicht erzählt. "

"Mhm....", sagte ich, nur um zu zeigen, noch am Hörer zu sein. "Und jetzt brauche ich eben dich!" Diese Worte ließen mich wieder voll zuhören doch... "Warum? Ich? Wofür?", stammelte ich. Ich hörte ein seufzen. "Ich weiß, du magst One Direction nicht, aber sie sind gerade in der besten Phase ihres Lebens. Die Polizei geht von Entführung aus! Und ewig könnte ich es ihnen nicht vorenthalten. Das würde sie dann alles aus der Sache bringen, vor allem Louis. Sie würden auf ihre Karriere verzichten, das schwöre ich dir! Und das will ich nicht." "Von wo kennst du diese Band eigentlich so gut, dass du bei ihnen übernachtest? Und vor allem..... Was hat das mit mir zu tun?!" Schon wieder ein seufzen. "Ich bin Harrys Schwester..... Und- du musst Eleanor sein!"

Die erste Antwort konnte ich nicht verstehen, ich würde einfach später Kate fragen, die würde das bestimmt wissen, aber die zweite Frage?! "Wie soll ich denn Eleanor sein? Meinst du etwa, ich soll mich verkleiden und vorgeben sie zu sein, bis sie wieder gefunden wird oder was?", fragte ich, mit etwas sarkastischem Unterton, weil dies wäre ja wohl nicht gemeint oder? "Doch genauso." Was?! Ehe ich etwas sagte konnte, fuhr Gemma fort: "Komm sobald wie möglich - nur das Problem ist, dass sie in Amerika sind. Ich könnte ihnen derweil sagen, dass du bei mir bist.... Also Eleanor. Bitte Machs. Es wird One Direction retten, ansonsten...." Den letzten Satz brachte sie nicht zu Ende und ich fühlte wie sehr die mich brauchte. Doch wollte ich ihr eigentlich helfen? Wollte ich ein Mädchen an der Seite eines Sängers sein, den ich zum ersten nicht kannte, und zweitens voller Lügen leben, bis man mich erwischen würde? Sollte ich ein Mädchen sein, dass ständig eine Boygroup begleitete, mit der ich nichts anfangen konnte? Ich wusste doch überhaupt nichts über die. Sollte ich Gemma einfach so hängen lassen? Ich wollte es nicht, wollte auch nicht, dass die Band, zu der sie anscheinend eine sehr enge Verbindung pflegte, wegen mir abstürzte.

"Lass mich darüber nachdenken", antwortete ich nur.


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