Jimin

Vielleicht ist Liebe nicht immer der Schutz, der uns davor bewahrt Scheiße zu bauen. Auch wenn man jemanden liebt, kann man ihn oder sich selber verletzen. Liebe verursacht Schmerzen, die durch nichts gelindert werden können.

Aber Liebe hilft auch, Größe zu zeigen. Liebe bedeutet, dass man manchmal den anderen über sich selber stellt.
Das habe ich jetzt verstanden.

Gedankenverloren greife ich nach Jungkooks Hand, die ganz kalt ist. Wir sind beide fürchterlich nervös und wissen gar nicht, was wir sagen sollen.

Yoongi - oder sollte ich lieber Suga sagen? - hatte sich und seine ganzen Freunde ans Messer geliefert. Für mich.

"Das hat er aus Liebe getan, Jimin. Er ist ein Arschloch und hat Fehler gemacht, aber er ist voller Liebe," meint Jungkook neben mir rau, der scheinbar meine Gedanken gelesen hat.

"Was machen wir denn jetzt?," flüstere ich leise, obwohl uns sowieso niemand hören kann. Wir sitzen in meinem Zimmer, in zehn Minuten müssen wir los zur Gerichtsverhandlung.

Wir klagen gegen Jackson Wang und Henry Krimmer, wegen versuchten Mordes, Drogendealen und noch so ein paar Kleinigkeiten. Theoretisch hätten wir das nicht machen müssen, aber so besteht die Chance, dass die beiden noch eine höhere Strafe bekommen.

Gegen Yoongi klagen wir nicht.

Das fühlt sich einfach nicht richtig an, immerhin hat er sich selber ausgeliefert, um mir zu helfen. Da werde ich ihn bestimmt nicht auch noch schlechter machen.

"Vielleicht sollten wir ein gutes Wort für Yoongi einlegen," murmele ich gedankenverloren und Jungkook drückt meine Hand. "Warum?"

"Er hat Fehler gemacht, aber in dem wichtigen Augenblick hat er sich für uns entschieden. Ich rede ja nicht davon, ihm zu verzeihen, aber wir können ja etwas für ihn tun."
Meine Stimme wird am Ende leiser.

"Yoongi ist noch minderjährig und außerdem hat er sich sozusagen selber angezeigt. Und mal abgesehen von Prostitution und Drogendealen, kann man ihm nichts weiteres nachweisen. Die Scheiße kam immer von Henry und Jackson.
Seine Strafe wird nicht so schlimm wie die der anderen beiden."

Jungkook führt unsere miteinander verschlungenen Hände an seine Lippen und gibt mir einen Kuss auf den Handrücken.

"Er wird das schaffen, Jimin," versichert er mir und ich lehne meinen Kopf an seine Schulter.
"Du hast recht," murmele ich und schließe die Augen.
Es ist mir einfach alles zu viel.

Der Mord an Hoseok, der Verrat von Yoongi und am Ende das mit Jackson.
Seid Tagen habe ich Albträume und ich überlege, zu einem Psychologen zu gehen, der mir hilft, über meine Angstzustände hinweg zu kommen.

Zum Glück habe ich Jungkook an meiner Seite. Er hat vielleicht nicht ganz so viel durchmachen müssen wie ich, aber er kann sich in mich hineinversetzen und versteht, wie schlecht es mir geht.

Außerdem stützt er mich und ist immer für mich da. Oftmals telefonieren wir bis spät in die Nacht, weil ich so vor meinen Albträumen davon laufen kann und mir gleichzeitig alles von der Seele rede.

Das einzige was mir fehlt, ist Yoongi. Der Yoongi, den ich so gut kannte, der immer am schlafen war und der nicht im Traum daran dachte, sich zu prostituieren oder zu dealen. Leider gibt es diesen Yoongi nicht, er war lediglich eine Illusion.

Zwar bin ich jetzt glücklich mit Jungkook zusammen, aber trotzdem liebe ich Yoongi noch, und dieser verfluchte Herzschmerz will einfach nicht weggehen.
Da fehlt einfach jemand.

"Jungs? Kommt ihr?," ruft meine Mutter von unten und seufzend stehen Jungkook und ich auf. Hand in Hand schlendern wir die Treppe runter, keiner von uns beiden will sich großartig beeilen.

Unten angekommen sieht mich meine Mutter wieder mit diesem Blick an, der mich langsam nervt.
"Es wird alles gut," meint sie zuversichtlich, aber ich antworte gar nicht darauf. Denn es stimmt nicht.

Es wäre alles gut, wenn ich meinen alten Yoongi wiederhätte.