"Habt ihr schon gehört?"
Die untergehende Sonne hüllte den Schulhof der Cross-Akademie in das angenehme Orange Licht, in welches auch die Wolken gehüllt waren. Nachdem Unterricht hatte mich der sonst so grimmige Guardian zu dieser Wiese gebracht, Zero hatte im Laufe des Mathematikunterrichts gemerkt, dass mich irgendwas bedrückte und meinte darauf hin, dass er einen Ort kennen würde an dem es ruhig sei. Über diesem Teil des Schulhofes herrschte wahrlich eine schöne und angenehme Stille, nur vereinzelt hörte man Schüler, welche sich auf dem Weg ins Wohnheim befanden und über die Hausaufgaben redeten. Eine riesige Hecke, bestehend aus Hortensien in sämtliche Farbe, trennte den Steinweg von der großen Weide- so war es den vorbeigehenden Schülern nicht möglich mich zusehen, auch wenn ich direkt hinter den Pflanzen lag. Nach einer Weile erklang das Geräusch von Hackenschuhen auf den Steinen, dicht gefolgt von lautem Geschwätz, was man noch nicht verstehen konnte, da die Personen anscheinend noch etwas weiter weg waren. Nach ein paar Augenblicken jedoch, befanden sich die Mädchen fast einen Meter vor mir.
„Habt ihr gehört, dass die große Schwester von Rebecca jetzt auf diese Schule geht?"
„Ja, aber wahrscheinlich nicht lange. Die werden sie doch bestimmt auch bald von ihrer Zimmerdecke angeln."
„Ach Quatsch, die soll total anders als dieses Nervenbündel drauf sein. Anscheinend ist sie total ruhig und hat eine erdrückende Aura."
„Erdrückende Aura?"
„Naja du weißt schon, die kommt in einen Raum und alle fühlen sich unwohl."
Ein genervtes Seufzen entwich meiner Kehle, solche Mädchen würde es immer geben. Sie redeten und redeten, haben aber nie irgendwas selbst gehört oder gesehen. Jedoch öffnete ich überrascht meine Augen, als eine kleinlaute Stimme leise sprach: „Sollten wir ihr es nicht sagen? Naja, das mit Becci und Kara damals...Sie würde bestimmt gerne mit der Person reden, die ihre kleine Schwester so runter gemacht hat." Doch dieser Einwand wurde anscheinend unterschlagen, denn die anderen drei Mädchen redeten schon fröhlich über ein anderes Thema. Nämlich über den bevorstehenden Gebäudewechsel und die Schüler der Night-Class. Irgendwie konnte ich sie ja verstehen, die Schüler waren schön, umwerfend und elegant, aber deswegen gleich den ganzen Stolz, den man als Frau hatte abzulegen um einem Mann den man kaum kannte hinterher zu rufen, dass er der beste sei- das musste nun echt nicht sein. Mein Gehirn verwarf die Gedanken schnell wieder und ich schloss meine Augen, jedoch glitt meine Wenigkeit dadurch unbemerkt in die Traumwelt...
...Stockend drückte meine Hand die Klinke zu meinem Zimmer herunter. Das Metall übertrug eine angenehme Kälte auf meine blasse Haut. Müde trugen mich meine Beine in das Zimmer, dort wurde ich von einer eisigen Kälte empfangen und starke Luftzüge strömten an meinem zierlichen Körper vorbei. Das Fenster schlug immer wieder gegen die Zimmerwand, während die weißen Vorhänge in den Raum gewirbelt wurden. Ängstlich schritt meine Wenigkeit in den dunklen, fast schon schwarzen Raum. Mir lief ein Schauer über den Rücken und meine Nackenhaare stellten sich langsam auf. Das gleichmäßige Knallen des auf die Wand treffenden Fensterrahmens löste zusammen mit der Kälte und der Schwärze eine unangenehme Stimmung aus. Meine Knie fingen an zu zittern und mich überkam das Gefühl, dass mir jemand eine drückende Last auf die Schultern legte. Meine Kraft schien auf einmal wie weggeblasen und langsam gaben meine Knie nach. Nervös lief ich rückwärts und tastete nach der Türklinke, jedoch griff meine Hand jedes mal wieder an ihr vorbei. Also drehte sich meine Wenigkeit so schnell wie möglich um, bereit dafür die Tür aufzureißen und zu rennen. Doch so sollte es nicht kommen. Geschockt starrten meine eisblauen Augen auf eine Wand. Die Tür war weg, nur ein rotes: Mörder!, nahm ihr Platz ein. Wie von selbst taumelten meine Beine nach hinten, wobei sich neben der Tür langsam ein großer Schatten bildete. Zu erst konnte man nur eine quaderähnliche Silhouette erkennen, doch langsam setzten sich Gliedmaßen zusammen und das Endergebnis entlockte mir einen erstickenden Schrei. Langsam erstarrte mein Körper, angefangen bei den Füßen bis hoch zu meinem Kopf, sanft drückte etwas gegen meine Schulterblätter. Ich fing an unkontrolliert zu zittern und schielte ängstlich über meine Schulter. Beine. Dünne Beine stießen leicht gegen meinen Rücken...
Schreiend schreckte ich auf und musste erleichternd feststellen, dass ich mich immer noch auf der Wiese befand. Das Gras wiegte sich in dem leichten Wind, welcher zwar nicht annähernd so kühl wie in dem Alptraum war, aber trotzdem dafür sorgte, dass eine ungeschützte Person die stundenlang im Freien lag vor Kälte zitterte. Unbewusst winkelten sich meine Beine an und meine Arme schlangen sich um jene. Dieser Traum hatte bestimmt eine Bedeutung, er sollte mir irgendetwas sagen, vielleicht das was meine Wenigkeit auch im Ethik-Kurs so verzweifelt gesucht hatte. Schleppend erschien das Gespräch mit Nathen vor meinem inneren Auge. Plötzlich fiel der Groschen...es war so einfach:
...Nach den Herbstferien jedoch, wehrte sie sich gar nicht mehr, sie redete auch nicht mehr so viel und wirkte sehr bedrückt...
Das Familienessen in den Ferien! Dort trafen wir das letzte Mal aufeinander und damals trennten sich auch unsere Meinungen. Wir zerstritten uns und haben es nicht geschafft es vor ihrer Abreise zu klären. Deswegen war Becci auch so niedergeschlagen und schweigsam, wenn ihre große Schwester ihr größtes Idol darstellte und sie so enttäuscht hatte- klar wäre da jeder eine Zeit lang am Boden. „Mist!" ein lauter Schrei entfuhr meiner trockenen Kehle, während der Wind meine braunen, zersausten Haare aufwirbelte. Langsam begriff mein träges Gehirn es, ich trug mit Schuld an ihrem Tod. Hätte ich damals einfach meinen Stolz hinuntergeschluckt und hätte ihr zugestimmt, dann wäre das alles nie passiert. Meine Sicht verschwamm langsam.
Völlig in Gedanken versunken liefen Takuma und ich über das Gelände der Akademie. Der Wind trug hinab gefallene Blätter mit sich und lies sie vor uns auf den Weg fallen. „Hast du schon irgendwelche Fortschritte machen können? Wir können die Untersuchungen an dem Suizid der kleinen Rosecliff unmöglich beenden, bevor nicht hundertprozentig bewiesen ist, dass Nathen nicht Schuld daran trägt." Enttäuschte schaute mich der Blondhaarige an: „Verzeih, wir tappen zur Zeit noch im Dunkeln und die Tatsache, das sich Nathen nicht von ihr ferngehalten hat, belastet ihn leider."
Die Night-Class und einige Lehrer wie Yagari und Frau Tachibana glaubten fest daran, dass dieser Vampir mit Schuld an ihrem Selbstmord trägt und auch meiner Meinung nach, war es sehr unwahrscheinlich, dass der Rothaarige frei von jeder Schuld sei. Trotz dem, von mir ausgesprochenem Verbot sich Rebecca zu nähern, tat er es jeden Tag aufs Neue und dachte dies würde unbemerkt bleiben. Einmal tötete er sie fast, da der Adlige seinen Blutdurst nicht beherrschen konnte und sie kurzer Hand in einer kleinen Seitengasse biss. Langsam nahm ich den süßen Duft von Hortensien wahr, Takuma liebte den Weg an diesen Blumen vorbei und lief ihn deshalb regelmäßig in der Pause ab. „Du hoffst es oder?" wissend lächelte mich der Edelblüter neben mir an. Ob ich Hoffnungen hatte das dieser Van Hellsing darin verwickelt war. Ja. Denn wenn nicht zerstörte die Tragödie mein Bild von dieser Familie komplett. Ich kannte sie besser als jeder Andere, den Großvater Allen, die Mutter Lizzy, den Butler Sebastian, die zweitgeboren Tochter Rebecca, von dem erstgeborenen Kind jedoch, war mir am meisten bekannt. „Ich hoffe es und ich weiß es." Unbewusst baute sich ein altbekanntes Gefühl in mir auf. Verwirrt wanderte mein Blick umher, auf der Suche nach ihr. Dieses Empfinden ihrer Nähe und die Wärme die sie mit sich brachte wurde mir lange Zeit verweigert. „Kaname, riechst du das?" der leichte Duft von Rosen lag in der Luft, vermischt mit etwas salzigem. Unbewusst beschleunigten sich meine Schritte, bis meine Wenigkeit durch eine Lücke in der Hecke huschte und sich suchend umschaute. Der Vize-Präsident der Night-Class folgte mir und deutete wenige Sekunden später mit einem Nicken etwas weiter nach rechts auf den Boden. Ein sanftes Lächeln umspielte meine Lippen als ich sie da sitzen sah, versunken in ihren Gedanken.
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