xi. acht
Es war viertel vor zwölf, als Julie die Bettdecke zurückschlug und versuchte, möglichst leise Richtung Tür zu schleichen. Sie hatte in weiser Voraussicht extra ihre dicken, flauschigen Wollsocken angezogen, um das Geräusch ihrer Schritte abzudämpfen.
Sie nahm ihre Stiefel aus dem Schränkchen neben der Tür und lies sich ihren Mantel mit einem Zauberstabschnippen entgegen schweben. Der Vollidiot, der die Schlafsäle entworfen und eingerichtet hatte, hätte die Kleiderhaken gerne etwa eine halbe Armlänge tiefer anbringen können.
Langsam und vorsichtig öffnete Julie die Tür zum Gemeinschaftsraum und betete, dass kein Gryffindor auf die Idee gekommen war zu später Stund' mit einem Buch vor dem Kaminfeuer zu entspannen. So wie es aussah hatte sie Glück - keine möglichen Hindernisse auf dem Weg.
Trotzdem ging sie auf Nummer sicher und übersprang die zweite Stufe. Sie hatte heute Abend, als sie mit der Ausrede Kopfschmerzen zu haben früher ins Bett gegangen war, um wenigstens ein ganz kleines bisschen Schlaf abzukriegen, extra überprüft, welche Stufen verdächtige Geräusche von sich gaben - Stufe 2 war als einzige durch den Test gefallen.
Julie setzte sich auf die letzte Stufe um in Windeseile in ihre Schuhe zu schlüpfen, sie hatte die Zeit ja sowieso schon sehr knapp bemessen, als ihr auffiel, dass sie ihre Mütze im Schlafsaal vergessen hatte. Kurz überlegte sie, den Trip zurück zu riskieren, doch sie kam relativ schnell zu dem Entschluss, dass warme Ohren das Risiko erwischt zu werden nicht Wert waren.
Sie hatte schon die Hand nach dem Porträt, das den Gryffindor Aufenthaltsraum von der Außenwelt trennte, ausgestreckte, als sich eine Stimme hinter ihr zu Wort meldete.
"Wohin denn so eilig, Rosenhayn? Zu einem geheimen Rendezvous mit deinem Slytherinlover? Oder bist du doch auf dem Weg ins nächste Tattoostudio, um dir endlich eins von diesen coolen Todessertattoos zu holen?" Sirius Stimme triefte nur so vor angeekeltem Sarkasmus. Julie drehte sich seufzend zu ihm um. Wäre ja zu schön gewesen, wenn sie unbemerkt davon gekommen wäre.
"Ob du es glaubst oder nicht, ich hatte eigentlich nur vor, Kräuter zu ernten. Aber wenn ich so drüber nachdenke, ist das mit dem Tattoo auch eine super Idee, vielleicht entscheid ich mich ja noch um." Julie hatte beim Reden ein Lächeln aufgesetzt, dessen Echtheit ungefähr Lilys pinker Klapperschlange Herbert gleichkam.
Sirius hatte die Arme vor der Brust verschränkt, in der linken Hand ein Mugglebuch. Julie hätte schwören können, dass es ihr gehörte. "Und deshalb schleichst du hier so geheimnisvoll rum? Ich dachte du könntest besser lügen."
"Manche Menschen besitzen so etwas wie Mitgefühl, Sirius. Mir liegt eben was dran, nicht die ganze Schule aufzuwecken. Könntest du übrigens auch mal versuchen."
Er lachte laut auf. Spätestens jetzt war sicherlich der ganze Turm wach. "Du und Mitgefühl, Rosenhayn? Ich kenne dich seit noch nicht einmal einer Woche und du hast schon oft genug bewiesen, dass du keinen Funken Mitgefühl besitzt - wieso schaust du eigentlich die ganze Zeit auf die Uhr? Laufen dir deine Kräuter weg?"
Julie wollte gerade zu einer Antwort ansetzten, als sich die Schlafsaaltür auf der Jungsseite öffnete und ein verschlafener Remus den Kopf herausstreckte. "Könnt ihr euch vielleicht ein bisschen leiser streiten? Und wolltest du nicht sowieso schon längst Kräuter pflücken sein?"
Sowohl Sirius als auch Julie drehten sich vollkommen verblüfft zu ihm um. Sirius verblüfft darüber, dass sein Freund ihm in den Rücken fiel, Julie verblüfft darüber, dass Remus ihre Lüge nicht auffliegen lies.
Julie wollte sich liebend gern rechtfertigen und erklären, dass der Streit allein Sirius' Schuld war, doch sie besann sich. Der Klügere gibt nach oder so. "Du hast Recht Remus, tut uns Leid. Ich bin schon weg."
Mit diesen Worten lies sie die beiden Jungs allein zurück. Das Portät schwang hinter ihr zu.
Sie hatte gerade mal eine Abzweigung genommen, als Julie ernüchtert feststellen musste, dass sie im Dunkeln noch orientierungsloser war, als normalerweise. Regulus würde wohl bis ins Morgengrauen warten müssen, wenn sie nicht zufälligerweise irgendwie den Weg in die Große Halle fand. Dort begann nämlich Marlenes gekritzelte Wegbeschreibung, sie war offenbar davon ausgegangen, dass Julie noch in der Lage war, sich wenigstens dorthin zu bewegen - was offen gesagt ziemlich optimistisch gewesen war.
Julie hatte so viele wahllose Treppen genommen, dass sie sich nicht einmal mehr sicher war in welchem Stockwerk sie sich befand, als sie schwere Schritte aus einem Seitengang hallen hörte. Wieso musste heute denn auch alles schief gehen, was schief gehen konnte? Sie schlich vorsichtig weiter.
Gerade wollte Julie einen Blick um die Ecke werfen, als sich eine Hand auf ihren Mund presste und sie ruckartig in eine dunkle Nische, die in der Mauer ausgespart war, gezogen wurde. Ein einzelner Mondstrahl kroch durch die dicken Vorhänge, die die Erkerfenster verhüllten, doch er genügte Julie um die sturmgrauen Augen zu erkennen, die direkt in ihre starrten.
Die Verwirrung stand ihr wohl sehr offensichtlich ins Gesicht geschrieben, denn Sirius drückte ihr mahnend den Zeigefinger auf die Lippe, um ihr zu vermitteln, dass sie jetzt bloß die Klappe halten sollte - oder er würde ihr gleich selbst den Hals umdrehen.
Er warf immer wieder nervöse Blicke auf einen Punkt, der sich auf der Karte in seinen Händen bewegte. Julie kniff die Augen zusammen, um etwas erkennen zu können, die Tatsache, dass sie alles auf dem Kopf sah, machte es aber auch nicht leichter, irgendetwas zu entziffern.
Sie sah ihren eigenen Namen, der neben Sirius' Punkt schwebte und die Person, die sich aus dem Seitengang auf sie zubewegte. Finch? Oder vielleicht doch Filch? Sie hatte keine Ahnung, wer Finch-Filch war, aber anhand von Sirius Reaktion kombinierte sie, dass man ihm wohl besser nicht über den Weg lief.
Die Schritte näherten sich unaufhörlich und mit ihnen ein murmelnd summendes Selbstgespräch, das Finch-Filch zu führen schien. Sirius zog sie hinter den Vorhang - durch den überraschenden Stoß stolperte Julie und taumelte mit einem dumpfen Schlag gegen die Fensterscheibe. Kein lautes Geräusch, aber anscheinend laut genug, um Finch-Filch auf sie aufmerksam zumachen. Der Schlüsselbund klimperte immer näher.
Er musste fast genau vor ihnen stehen, als die Schritte abrupt stoppten. "Na Miss Norris, wenn hast du da für mich gefunden?" Seine Stimme klang genauso, wie man sich die eines Filmbösewichts vorstellte. Kratzig, hämisch, schadenfroh. So als würde es ihm Spaß machen, Kinder zu quälen.
Anscheinend vertraute er aber seiner Katze mehr als seinen eigenen Ohren, denn er wandte sich ohne zu Zögern wieder von ihnen ab und folgte dem Miauen zurück in den Gang, aus dem er gekommen war. Julie atmete erleichtert aus. Sie hatte nicht einmal bemerkt, dass sie die Luft angehalten hatte. Außerdem hatte sie beinahe vergessen, in was für einer außerordentlich seltsamen Situation sie sich gerade befand.
"Hast du dich von mir inspirieren lassen und gehst jetzt auch Kräuter suchen, oder wieso verfolgst du mich?"
Sirius seufzte schwer. "Ach komm schon Dornröschen, wir wissen doch beide, dass du keine Kräuter suchst - ich bin hier in edler Mission, den Slytherins Kratzpulver in den Kürbissaft zu mischen." Er deutete den Gang hinunter. "Da drüben ist die Küche, wenn man lieb und nett fragt, tun die Hauselfen fast alles für einen. Aber genug von meinen Plänen, ich habe gesehen wie du hier rumirrst und wenn du mir verrätst was du vorhast, wäre ich vielleicht so gnädig, dir den Weg zu weisen."
Julies Gedanken rasten. Sie wollte weder Sirius verraten, dass sie sich gleich mit seinem Bruder treffen würde, noch wollte sie vor ihm eingestehen, dass sie absolut hilflos und verloren war. Andererseits würde sie ohne seine Hilfe wahrscheinlich nie am Bootshaus ankommen.
Sich helfen zu lassen, war eindeutig die klügere Option. "Ich bin auf dem Weg zum Bootshaus. Deine schlaue Karte verrät dir bestimmt, mit wem ich mich da treff."
Sirius warf einen schnellen Blick auf die Karte. Julie sah, wie seine Augen kurz weich wurden, bevor sie wieder zu stürmen begannen.
"Also doch ein Rendezvous mit deinem Slytherinlover. Ich kann nicht behaupten, dass ich überrascht wäre." meinte er, die Frostigkeit, die Julie sonst von ihm gewohnt war, war so schnell zurückgekehrt als wäre sie nie weg gewesen.
"Kein Rendezvous. Ich weiß nicht, wieso er sich mit mir treffen will. Ich weiß nur, dass er mich seit meiner Einteilung ignoriert und ich ihm diesen Wunsch jetzt absolut nicht abschlagen kann, mir liegt nämlich ziemlich viel an unsere Freundschaft, wenn ich ehrlich bin."
Sirius nickte nur. "Dann lass uns mal aufbrechen."
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I know, das Kapitel ist kurz und bisschen unnötig aber Gapfiller müssen auch mal sein haha I'm sorry
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