iii. prologue

1976

Luxemburg,Clervaux

Das düster wirkende Haus erhob sich beinahe schon majestätisch neben den kleinen Backsteinbauten.

Ein vorbei eilender Passant würde es für verlassen halten, bei genauerem Hinsehen entdeckte man jedoch die penibel polierten Fenster und die liebevoll gestutzten Büsche, welche die mächtige Eichentür an der Vorderseite des Hauses säumten.

Der soeben auf der anderen Seite der Straße angekommene Mann wirkte in der mystischen, jedoch auf eine seltsame Weise faszinierenden Idylle vollkommen fehl am Platz.
Er rückte seinen Hut zurecht und überquerte mit wehendem Umhang die menschenleere Allee.

Seine langen, weißen Haare kräuselten sich im Wind und wurden in die verschiedensten Richtungen gerissen. Die Anzugschnallen des Mannes reflektierten das spärliche Licht der Gaslaternen und der Schatten einer tiefschwarzen Katze huschte auf einer Mauer vorbei.
Der Mann atmete tief durch, taste noch einmal nach seinem Hut und zog mit seinen faltigen, mit Narben bedeckten Hände eine Zauberstab aus dem Mantelschaft. Es brauchte nur einen schnellen Schwung und ein paar gemurmelte Worte und das mannshohe Eisentor vor ihm, das aus fein geschweißten Stahlrosen bestand schwang auf.

Er warf einen kurzen Blick über die Schulter, ordnete seine Haare und betrat das weitläufige Grundstück.
Der Kies knirschte unter seinen harten Sohlen und die mit verdorrten Gewächsen übersäte Grasfläche zu seiner Rechten jagte ihm einen Schauer über den Rücken.

Er musterte den Garten eingehend und musste sich zwingen, nicht zusammenzuzucken, als ein hoch aufgeschossener Mann aus dem Schatten einer dicken Eiche, die den verschlungenen Kiesweg säumte, trat.
Der Hausherr hatte dunkle, blutunterlaufene Augen und lange, schwarze Haare, welche er sich mit einer Schleife im Nacken zusammen gebunden hatte. Seine Haut war bleich und schien im fahlen Licht beinahe blutleer. Seine hohen Wangenknochen betonten die scharfen Gesichtszüge und seine Augenbrauen zuckten,als er mit einer tiefen, aber kratziger Stimme zu sprechen begann.

»Es ist mir eine Ehre-«, er unterbrach sich, um seinen Gegenüber scharf zu mustern, »Mr. Hughes.«

Der Angesprochene nickte, er konnte nicht leugnen das seine Stimme ein wenig höher war als gewöhnlich als er den Hausherren begrüßte.

»Ebenfalls, Mr.Rosenhayn.«

Er neigte ergiebig den Kopf und als Joseph Hughes seinen Blick wieder hob, entdeckte er eine feine Narbe über Rosenhayns linkem Auge.
Dieser drehte sich vollkommen unberührt von den prüfenden Blicken Hughes' um und steuerte auf die schwere Eingangstür zu.

Mit einem Schnippen seines Zauberstabs schwang diese lautlos auf und offenbarte eine geflieste Eingangshalle. 

Mr. Hughes musste sich eine Hand vor die Augen halten um das gleißende Licht abzuschirmen und er blinzelte einige Male, bevor sich seine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten. Im Gegensatz zum verkommenen Äußeren des Landsitzes erstrahlte der Interieur der Villa in geradezu palastartigem Glanz. Leuchtend helle Marmorfliesen bildeten einen harten Kontrast zu dicken, blutroten Vorhängen, die Außenstehenden jeden Blick ins Innere verwährten und einem breitem Läufer der die Besucher zu einer weitschweifenden Treppe die in den ersten Stock zu führen schien dirigierte. Die hohen Wände waren mit Blattgold verkleidet und mit unzähligen Ornamenten geschmückt, die sich weiß vom Gesamtbild abhoben. Einzelne, durch schmale, verschnörkelte Säulen abgetrennte Wandsegmente waren mit aufwändigen, handgearbeiteten Fresken verziert und erzählten die Entstehungsgeschichte der Reinblutfamilien Europas. Die mächtigen Kronleuchter klirrten leicht im Luftzug und das Feuer im repräsentativen Kamin zu Josephs Rechten flackerte im Wind.

Er folgte Aurelien Rosenhayn die Treppe hinauf in einen sich schier endlos erstreckenden, von zahlreichen Gemälden gesäumten Flur. Der mit dicken Teppichen ausgelegte Dielenboden verschluckte jegliche Geräusche und es war so still, das Joseph glaubte er könne den Efeuranken, die hier und da dekorativ an der Wand hinauf ragten beim Wachsen zuhören. Der Hausherr führte ihn in einen im Gegensatz zum Rest des Hauses eher dunkel gehaltenen Raum, dessen spärliche Beleuchtung eine mysteriöse Stimmung erzeugte. Auf ein Nicken in Richtung des samtbezogenen Sessels ließ Hughes sich auf diesem nieder und versank tief im dunkelroten Polster.

Aurelien hatte inzwischen eine Flasche Elfenwein aus einem der die Wände säumenden Mahagoniregale gezogen und goss sich ein.
Als er Hughes ebenfalls ein Glas anbat lehnte dieser dankend ab.
Rosenhayn nahm einen großen Schluck aus seinem Trinkgefäß, bevor er zu reden begann.

»Nun, Mr. Hughes, Sie sind sich also in Ihrer Sache absolut sicher?«

Er zog die Augenbrauen zusammen und Joseph zwang sich zu einem Lächeln. Schon als er seinen Fuß auf rosenhaynschen Grund gesetzt hatte, war ihm der Zweck dieses Treffens klar gewesen. Doch Hughes blieb standhaft. Er konnte, nein er durfte nicht nachgeben.

»Das bin ich.«

Obwohl seine Stimme kaum mehr als ein heiseres Krächzen war, sah Mr. Hughes Aurelien selbstsicher in die Augen; er musste sich jedoch zwingen den Blick nicht sofort wieder abzuwenden, so waren die Blicke des Mannes die ihn geradezu zu durchleuchten schienen doch zu furchteinflössend.

Dieser nickte unbestimmt und wandte seinen Blick den im Kamin lodernden Flammen zu. Auch wenn er nichts sagte, konnte Joseph die Wut spüren, die sich in seinem Gegenüber zusammenbraute, er konnte spüren, wie Rosenhayn sich beherrschen musste nicht gleich hier und jetzt zum Zauberstab zu greifen und ihn ihm an die Stirn zu halten.

Einige Zimmer weiter saß ein zierliches Mädchen, kaum älter als 15, auf einer der breiten Fensterbänke und ließ ihre Beine durch die Luft baumeln. Ihr dunkelbraunes Haar wehte im Wind und das weite, schneeweiße Nachthemd raschelte bei jeder ihrer Bewegungen. Sie legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen, und atmete tief ein. Der Geruch von feuchter Erde stieg ihr in die Nase und in der Ferne meinte sie das Bellen eines Hundes zu vernehmen. Sie würde diesen Ort vermissen, mit seinen vielen Türmchen und den verborgenen Fluren, die sich in den dicken Wänden des Anwesens verbargen, mit der großen Eiche und dem versteckten See hinter der Villa, aber am allermeisten würde sie sich nach den langen Nächten auf dem wundervoll breiten Fensterbrett auf dem sie gerade saß sehnen.

In 4 Tagen würde sie sich von alledem verabschieden müssen. Auch wenn ihr Vater noch in diesem Augenblick mit dem Schulleiter verhandelte, war ihr klar, dass seine Bemühungen keine Früchte tragen würden. So hatte sie doch die geradezu panische Angst in Hughes Augen gesehen, als sie ihm das letzte Mal gegenüber stand. Sie konnte es ihm nicht wirklich verübeln, denn was immer der Mann gesehen hatte, hatte den ehemals furchtlosen Zauberer gebrochen. Er hatte sich zurück gezogen und war nur noch ein Schatten seiner selbst, die ohnehin schon strengen Sicherheitsvorschriften auf der Université im Herzen des Landes waren um ein vielfaches verschärft worden.

Die junge Rosenhayn gähnte leise und schüttelt kaum merklich den Kopf.

Vielleicht war es an der Zeit loszulassen.

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Für die 3 Personen, die die erste Version tatsächlich gelesen haben:

Das ist sie also, die überarbeitete Version von Dornenmädchen, die eigentlich nur existiert, weil ich beim Schreiben manchmal ein wenig zu perfektionistisch bin. Ich habe außerdem einen der Hauptcharaktere raus genommen und werden wahrscheinlich auch Julies & Peters Freundschaft durch Julie & James ersetzen, weil das alles sonst einfach ein bisschen too much ist.

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