39) Zuhause
Zuhause. Oder eher dort, wo ich mich früher zuhause fühlte.
Jetzt stehe ich auf dem Bahnhof. In Deutschland. Besser gesagt, direkt in Berlin, in meiner Heimatstadt.
Wie sehr hasse ich das alles hier doch ... Hass und Wut sind die einzigen Gefühle, die ich mit meinem ehemaligen Zuhause noch verbinden kann. Beatrice hat es wirklich geschafft. Sie hat erreicht, dass ich hasse was ich früher liebte. Sie hat es geschafft, dass nirgendwo mehr mein Zuhause war.
Was mache ich überhaupt hier? Ich weiß, in Frankreich habe ich mich dasselbe gefragt, aber dort war ich auf der Flucht. Und hier? Tja, hier war ich umgeben von Mörder, Eltern, die mir nicht glaubten, und insgesamt Menschen, die ich nicht sehen wollte. Keine wirklich gute Kombination. Und alles in allem gab es nur zwei Zukunftsaussichten, die mir wahrscheinlich vorkamen: ein Aufenthalt in der Psychiatrie und einer im Jugendgefängnis. Ich weiß nicht, was von beidem besser ist.
Doch ich kann nicht ewig davonlaufen. Nein, egal wie es heute ausgeht, den Versuch ist es wert. Auch wenn immer noch tausende Fragen bleiben, so lasse ich mich nicht mehr abbringen. Ich bin kein kleines Mädchen, das ängstlich fortrennt, wenn jemand ihr alles wegnehmen will. Nein, Beatrice wird dieses Mal nicht so einfach davonkommen. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Obwohl, meine Augen und Zähne würde ich gerne behalten.
Ob mir überhaupt jemand glauben wird? Das ist wohl die wichtigste Frage. Ich hoffe es so sehr, aber ich denke, wenn sie mir glauben wollen, werden sie mir glauben. Und wenn sie lieber Beatrice glauben wollen ... daran will ich lieber nicht denken. Eine Chance gibt es und es ist besser als zu verlieren.
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Wieso sind Menschen nur immer so herzlos? Gerade hatte mich eine Horde Vollidioten umgerannt, nur weil sie schnell von einem Zug in den nächsten wechseln wollten. So einen Schussel wie mich, der gedankenverloren am Bahnhof mit einem Tagebuch dasteht, übersieht man hier wohl gerne. Und dann auch noch hinterherschimpfen und mein Tagebuch zwei Meter weit mit dem Fuß zur Seite kicken ... Besonders erwachsenen sind hier manche Menschen wohl nicht. Und ich sehe nun definitiv aus wie eine Vogelscheuche.
In den letzten Monaten war ich, muss ich zugeben, leider auch nicht wirklich erwachsen. Obwohl, eigentlich bin ich ja noch vierzehn, also geht das auch. Aber was ich alles angestellt habe in der letzten Zeit ... Eins kann man sagen, mit mir wird es nie langweilig. Aber ich glaube, ich schweife etwas von dem ab, was ich sagen wollte. Hast du überhaupt noch eine Ahnung, worauf ich hinauswollte? Tja, antworten kannst du leider nicht. Schade.
Ach, jetzt fällt es mir wieder ein! Ich wollte darauf hinaus, wie dämlich in mich während meiner kleinen „Reise" nach Frankreich verhalten habe. Kindisch würde es auch gut treffen, denn zwischen Größenwahnsinn, Saufattacken und den Unterhaltungen mit meinem imaginären Kumpel waren größtenteils nur sinnlos verschwendete Tränen. Eins kann ich aber sagen – ich habe das Leben zum ersten Mal wirklich genossen, so schräg es auch war. Doch nun bin ich zurück, um das zurückzufordern, was mir gehört – mein Zuhause.
Beatrice kann nicht ewig gewinnen. Nicht mehr.
Bis später,
Betti Deren
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