23) Papis Geheimnis
immer noch Sonntag
nur etwas später
"Ich war nie in Frankreich, aber dein Vater. Wieso fragst du? Erinnert sich jemand an ihn?" Dafür, dass sie manchmal begriffsstutzig ist, wenn es um Beatrice geht, kam sie diesmal sehr schnell auf die Lösung. Aber ich hatte ernsthafte Probleme mit dieser Reihe an Emails. Tja, es ist nicht so einfach wie gedacht, eine Unterhaltung zu führen unter jemand anderes Namen. Besonders nicht, wenn man normalerweise einen so bissigen Unterton hat wie ich. Und die andere Person nicht so gut kennt, wie man dachte.
"Ja, einer der Lehrer hier kennt ihn. Findet ihn nett... Leider weiß ich nicht, wie er heißt. Er findet, ich sehe Papi sehr ähnlich. Er hat mich sofort erkannt. Findest du auch? War er etwa oft in Frankreich?"
Die Fragen brannten unter meinen Fingernägeln wie die Hölle höchstpersönlich. Gleichzeitig machte sich jedoch auch eine unwahrscheinliche Eifersucht in mir breit. Wieso mochte sie Dora mehr? Was hatte ich, dass sie nicht hatte? Immer waren ich und Dora beste Freundinnen, doch irgendwie war dieses Gefühl von bedingungslosem Vertrauen verschwunden. Ich konnte einfach niemandem mehr vertrauen.
Wieder musste ich lange warten. Wenn ich das Gespräch nicht bald abgebrochen hätte, würde sich meine Rechnung auf einen zerstörten Computer inklusive der Computerbenutzungsgebühren belaufen.
"Oh, das muss wohl ein alter Freund sein. Bestimmt kennt dein Papa ihn noch. Ich finde, du ähnelst eher mir. Aber es kann sein, dass du ein paar Gesichtszüge von Mark hast" Eine Mischung aus Lachkrampf und Heulattacke machte sich in mir breit. So bleich wie Mutter war Dora keinesfalls. Und Vater glich einer Dampfwalze mit Pickeln und Schlaglöchern, um alles einmal freundlich auszudrücken. Mit meiner Gehässigkeit kam ich wenigstens voll und ganz nach Mutter. Das schlechte Benehmen von meinem Vater hatte aber keine von uns.
Dora sollte nach Mutter kommen. Irgendwie verletzte es mich. Ich hatte denselben schlechten Geschmack, dieselbe Gehässigkeit und alles, was ich nur an Eigenschaften an mir finden konnte. Wir lernten schneller als jeder andere, waren immer die Eifrigsten, wenn es an eine Aufgabe ging und langweilten uns dennoch nur. Ich konnte, genau wie sie, jedes Buch in der Bibliothek auswendig lernen. Ähnelte ich ihr nicht? Nicht, seit Beatrice da war. Seitdem war ich nur noch verrückt. Doch auch so war ich nie etwas Besonderes.
Während meine Tränen ihren Weg auf die Tastatur fanden, versuchte ich hoffnungslos auch diese Mail zu löschen. Dora wäre stolz auf sich. Ich wollte nicht, dass sie stolz ist! Ich wollte sie nicht lächeln sehen! Verdammt, wieso konnte ich nie stolz auf mich sein? Gab es nichts, das ich richtig machte?
Rot.
Blut.
Rot.
Blut.
Dora.
Nun fängt auch das wieder an. Niemals wird es wieder normal werden, darauf kann man wetten. Ich musste mich dennoch zusammenreißen und die nächste Mail tippen.
"Wann war Papi eigentlich in Frankreich?" Diese Frage bedeutete mir viel. Vielleicht kam Dora ja später zur Welt, oder sie wollten sich gerade scheiden lassen. Ich suchte nach Gründen für Vaters Affäre, die ein Monster in die Welt setzte. Soweit konnte auch nur ich sinken! Doch ich konnte einfach nicht glauben, dass ...
Rot.
Blut.
Rot.
Blut.
Vater.
"Das war zwei Wochen vor unserer Hochzeit. Damals war er aber nur kurz dort und dann nie wieder."
Rot.
Blut.
Rot.
Blut.
Beatrice.
"Tschüss, Zeit ist abgelaufen." Schnell tippte ich die letzten Worte, bevor ich die Emails löschte, das Geld auf den Tisch legte und rausrannte. Tränen rannen mir über das Gesicht und ich zitterte am ganzen Körper. Ich konnte es einfach nicht fassen.
Niemals würde ich ihre Worte vergessen können! Sie würde noch meinen Zorn zu spüren bekommen, wie auch ihr widerwärtiger Mann. Vater war nicht einmal mehr das passende Wort für ihn. Ich hasse ihn!
Rot.
Blut.
Rot.
Blut.
Rache.
Rache! Ja, das wollte ich! Rache! Und diesmal nicht nur Beatrice ...
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