17) Leichenjagd

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Es ist wirklich nicht bequem, allein in diesem Haus zu sein. Besonders, wenn ich nicht weiß, wo Madame Troudeau ist. Aber Hamlet meint, dass nichts geschehen wird. Und ihm vertraue ich vollkommen.

Der Dachboden ist voller Gerümpel, Dora meinte zwar, ich solle im Keller anfangen, aber meiner Meinung nach ist das nichts für eine Person. Es ist schon hier oben dunkel genug. Papiere über Papiere stapeln sich vor mir. Entweder muss ich mir ein Wörterbuch besorgen oder alles nach unten tragen, damit Dora es später durchlesen kann. Französisch lernen werde ich mit Sicherheit nicht, schließlich bräuchte ich bloß zum Abi eine zweite Fremdsprache und so bescheuert wie Menschen mit einer Eins im Abi und Studium sind, will ich nicht werden. Da bin ich lieber ein Volltrottel vom Lande. Ja, Bauer ist ein guter Job.

"Leichenjagd", so nennt Dora es. Ich finde den Witz nicht sonderlich geschmackvoll. Von Leichen hatte ich eindeutig genug, ich wollte nur ein paar Informationen über Beatrice. Mir fiel erst jetzt auf, dass ich nichts über sie wusste. Außer dem natürlich, was ich bei ihr sah. Das heißt, ich wusste nur, dass sie blond ist und manchmal tot. Auf so viele Menschen trifft diese Beschreibung trotzdem nicht. Nun habe ich herausgefunden, dass ihre schlechten Gene in der Familie liegen. Erblich bedingt. Ein Glück, dass ich diese Gene nicht habe.

Tochter einer Lektorin und eines Oberarztes ist schon was Cooles – da habe ich natürlich die Intelligenz in die Wiege gelegt bekommen, aber um ehrlich zu sein, habe ich keine Lust, meinen Eltern nachzueifern. So gut wie Dora werde ich nie sein und Beatrice kann ich erst recht nicht toppen. Nein, da zählt sowieso nicht mehr, was aus mir wird. Nicht, dass es meine Eltern je wirklich interessiert hätte. 

Es war schon immer so - meine Mutter mochte Dora mehr, weil sie gleich vier Sprachen konnte und noch dazu immer schon große Werke gelesen hatte. Mir reichten Deutsch und Englisch und Pferde- und Feenbüchern kann ich auch jetzt noch etwas abgewinnen, auch wenn ich langsam auch "echte" Literatur lese. Vater mochte Dora immer mehr, weil sie sich besser mit Medizin auskannte und nicht schreiend davonrannte, wenn sie die Abbildung einer offenen Wunde sah. Ich war also schon immer eine Enttäuschung in jeglicher Hinsicht. 

Hamlet meint, ich sollte erwähnen, dass hier alles doppelt zu sein scheint. Zwei gleiche Strampler, zwei gleiche Fahrräder, sogar zwei gleiche Zeugnisse. Ich meine, wie wahnsinnig ist jemand, alles exakt doppelt haben zu müssen? Naja, wir sind bei Beatrice zu Hause, also sollte ich über Wahnsinn nicht reden...

Zu einem langen Eintrag komme ich später, jetzt will ich lieber nicht meinen Kopf riskieren, indem ich viel zu lange an diesem gruseligen Ort bleibe. Nicht, dass Beatrice und ihre Mutter hier hoch kommen. 

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Scheint so, als wäre ich wohl doch im Keller gelandet, mein lieber Hamlet. Daran können wir beide aber nichts mehr ändern. Irgendwie scheine ich immer in die Klemme zu geraten... Holt mich hier heraus!  

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