3 Erinnerungen

DONALD

„Hier ist alles so dunkel. Wer hat den Strom ausgestellt? Amerika hat genügend Strom, Unmengen von Strom, wir exportieren Strom nach Kanada und nach Mexiko, die haben keinen Strom dort, Amerika hilft ihnen. Wo ist das Licht? Ich bin der zukünftige und rechtmäßige Präsident der Vereinigten Staaten, ich verlange Licht!"

„Mach nicht so einen Lärm, Alter. In der Erde sind wir alle gleich." Ein Regenwurm kriecht an mir vorüber.

„Du meinst ‚Auf der Erde' und nein, wir sind nicht alle gleich. Ich bin wichtiger."

„So, so, alle sind gleich, aber einige sind gleicher? Meinst du das? Vergiss es; Orwell hatte unrecht."

„Or-Wer?"

„Orwell, du Wurm. Und nun kriech weiter, ich muss nach Futter suchen."

Wen nennt der Wurm hier Wurm und warum ist der Wurm so riesig? Gleich nach dem Sicherheitsdienst klingeln. Moment mal – ich habe keine Arme und Beine. Was soll das? Nicht schon wieder! Ahh! Das darf doch nicht wahr sein! Ich muss meine Kandidatur bestreiten, ich kann nicht schon wieder in einem fremden Körper stecken! So könnt ihr nicht mit mir umgehen! Das ist eine Frechheit! Ich bin der zukünftige Präsident!

Ein Wurm? Im Ernst? Was habe ich nur verbrochen, dass das Schicksal so schreckliche Dinge mit mir macht. Ich habe nie herausgefunden, wer letztes Mal in meinem Körper gesteckt hat. Wenn ich das jemals herausfinde, dann werde ich ihn nach Guantanamo schicken und für alles büßen lassen, was er meinem Körper und meinem Ruf angetan hat. „Donald Trump hat das Pariser Abkommen wieder unterzeichnet", hat es geheißen. Sie glaubten tatsächlich, dass ich so etwas tun könnte.

Das Leben als Regenwurm ist anstrengend. Sich durch Erde wühlen, Erde fressen, nichts sehen können. Zudem ist es öde, überall sieht es gleich aus. Das war beim ersten Mal wenigstens besser. Da war ich mal ein Vogel, der solche Regenwürmer aufgepickt hat; damals, als ich meine Frau im Garten des Weißen Hauses habe sitzen sehen. Allerdings wurde ich kurz danach von einem größeren Vogel gefressen; das war kein schönes Erlebnis.

Danach musste ich lange Zeit als Baum verbringen. Das war echt übel, da bin ich noch lieber ein Regenwurm. Als Baum bist du ein Nichts. Niemand hört dir zu, niemand nimmt auf dich Rücksicht und die Hunde pissen dich an. Glücklicherweise sind die Bäume neben mir alle verreckt und das Schicksal gab mir die Schuld daran. Ich durfte dann wieder als verschiedene Tiere durch die Welt streifen und irgendwie gelangte ich zurück in meinen Körper, zum Schluss war ich ein Fisch.

Seit ich wieder ich sein konnte, hatte ich allerhand zu tun. Der alte Mann Biden und seine Gefolgsleute hatten nach ihrem betrügerischen Wahlsieg mein geliebtes Land zerstört, indem sie alle und jeden reingelassen haben und zu viel Geld ins Ausland schickten. Sofort beschloss ich, für die zweite Amtszeit anzutreten. Es wird eine schöne Amtszeit werden, ich werde der beste Präsident sein, den Amerika je gesehen hat. Und jetzt bin ich als Regenwurm in der Erde; ich habe keine Ahnung, in welcher Erde ich stecke.

Bewegung; ein Erdbeben? „Hey, was ist das?" Von rechts werde ich zur Seite gedrückt; da schaufelt etwas. Ein riesiges, weiches Pelzding, wie ich spüre, krabbelt an mir vorbei, hinter sich einen gigantischen Tunnel hinterlassend. Wenn Menschen so schnell Tunnel bauen könnten, wie dieses Tier, dann würden bestimmt mehr U-Bahnen gebaut. Ich folge dem Gräber, der echt schnell unterwegs ist. Ob er mich verstehen kann?

„Warte mal, wer oder was bist denn du?"

„Wer redet? Ich bin blind, also sprich mit mir."

Da sind wir schon zwei, ich sehe auch nichts. „Was tust du hier? Warum baust du diesen Tunnel?"

„Ich wohne hier; ich bin ein Maulwurf."

„Was ist ein Maulwurf?"

„Du weißt nicht, was ein Maulwurf ist? Was für ein dummer Wurm bist du denn?"

„Wie sprichst du denn mit mir? Etwas mehr Respekt bitte, du sprichst mit der Seele des Präsidenten von Amerika! Ich werde Maulwürfe verbieten, wenn ich wieder ein Mensch sein werde. Und jetzt erkläre mir, wozu du diesen Gang hier baust!" Es gibt keine Ordnung mehr auf dieser Welt. Ich spüre, das große Tier auf mich zukommen.

„Das hier ist ein Futtergang. Er dient vor allem dazu, andere Tiere wie Larven, Käfer oder Würmer anzulocken. Ich bin ein schneller Jäger und fresse am liebsten vorlaute Würmer wie dich!"

Dann wird alles dunkel, kurzer Schmerz, ein Zucken. Das Leben als Regenwurm ist echt Kacke.

***

Als ich noch ein Kind war und in der Kirche die Geschichten vom Paradies anhörte, sagte der Priester damals, die Seele wandere nach dem Tod durch einen hellen Tunnel auf ein Licht zu; das Licht, welches die Pforte in den Himmel darstellte. Das ist alles nicht wahr, der Priester hatte gelogen. Dunkel ist es, dunkel und nass.

Ich bin noch immer ein Regenwurm. Was das Schicksal mir damit zeigen will, bleibt mir ein Rätsel. Inzwischen habe ich drei schreckliche Tode erlebt und immer wieder ende ich als Regenwurm in einem neuen Stück Erde, oder vielleicht auch immer im gleichen Garten, wer weiß das schon.

Hier gibt es immerhin viele andere Regenwürmer; das scheint ein gesunder Boden zu sein. An meine Nahrung habe ich mich noch nicht gewöhnen können. Ich vermisse die texanischen Steaks. Ausgerechnet ich muss als Pflanzenfresser unterwegs sein; das ist unfair. Ich muss versuchen, hier möglichst nützlich zu sein, damit ich eventuell in einem nächsten Leben wieder ein höheres Lebewesen sein könnte, vielleicht gar ein Mensch? Mein Schicksal sollte mir gnädig sein, wenn ich ein guter Wurm bin, denke ich.

„Hey, was tust du da?" Ein anderer Regenwurm legt sich an mich, aber verkehrt herum, Kopf bei meinem Ende, sein Ende an meinem Kopf; mir wird übel.

„Hab dich nicht so. Vermehrung geht nur auf diese Art, auch wenn wir Zwitter sind, brauchen wir einen anderen Wurm zur Fortpflanzung. Also reibe dich gefälligst an mir."

Zwitter? Ich? Niemals. Es gibt nur zwei Geschlechter in der Natur: Mann und Frau. Alles andere ist nicht gottgewollt und unnatürlich. Der Kerl nervt mit seiner dauernden Reiberei. Andererseits löst er auch seltsame Gefühle aus. Was geschieht hier mit mir? Hoppla, irgendwo im hinteren Bereich meines Körpers fließt was raus, beim anderen Wurm auch. Jetzt kriecht der Kerl von mir weg und streicht den Schleim an meinen ganzen Körper.

„Ja, hau bloß ab, du niederes Lebewesen! Wenn ich wieder Präsident sein werde, dann kannst du was erleben, du unnatürliche Lebensform!"

„Wenn schon als Wurm durch den Boden kriechen, dann wenigstens für genügend Nachwuchs sorgen. Aber mit dir hat das echt keinen Spaß gemacht. Du bist ein verkorkster Wurm, fehlen dir einige Segmente und du befindest dich in Regernationsstarre?"

„Wie? Was?"

„Egal, vergiss es. Schließlich muss es auch dumme Würmer geben. Futter für Igel und Mäuse. Mach's gut, du Präsidentenwurm; danke für den Nachwuchs und viel Spaß mit deinen Kleinen."

Der Wurm kriecht weg; ich bemühe mich, seinen Schleim so schnell als möglich abzustreifen. Das ist gar nicht so einfach, wenn die Außenhaut immer mit Feuchtigkeit überzogen sein muss. Endlich fühle ich mich wieder etwas sauberer; von oben dringt Wasser in den Boden, offensichtlich regnet es; das weiß ich: Regen fällt vom Himmel, auch in Kalifornien. Ich grabe mich in die Richtung, aus der das Wasser kommt und spüre plötzlich, dass mich keine Erde mehr umgibt. Nur Wasser – ah, eine wunderbare Dusche, die mich das schreckliche Erlebnis mit dem anderen Wurm vergessen lässt. Wie hat er das gemeint, mit meinen Kleinen?

***

Wenige Tage später weiß ich, was der andere Wurm gemeint hat. Ich bin schwanger. Glücklicherweise konnte ich den Kokon mit den Eiern, wo die Kleinen heranwachsen, als eine Art Depot zurücklassen. Nicht auszudenken, wenn die Brut dieser Vergewaltigung in meinem Körper herangewachsen wäre. Ich will die Kleinen nicht. Sowas muss ausgerechnet mir passieren! „Schicksal, du bist eine lästige Bitch. Mit Sicherheit weiblich, du hinterhältige ..."

„Mit wem fluchst du so hässlich? Du bist ein Wurm, was kümmert es dich, ob etwas weiblich oder männlich ist? Wir sind Zwitter."

Schon wieder so ein besserwisserischer Wurm. „Es gibt nur männlich und weiblich! Begreift das endlich."

„Nein. Da bist du falsch informiert. Du bist ein Regenwurm und hast noch nicht begriffen, wie dein Leben funktioniert? Wie alt bist du?"

Ich spüre den sprechenden Wurm nah bei mir, in der seichten Pfütze an der Oberfläche. „Ich bin neunundsiebzig Jahre alt."

„Rede keinen Unsinn. Kein Wurm wird neunundsiebzig Jahre alt. - Du bist kein Wurm, habe ich recht? Du lebst nur als Wurm. Hartes Schicksal, aber man gewöhnt sich dran."

Plötzlich wird mir klar, dass ich wahrscheinlich nicht der einzige bin, dem dieses Schicksal widerfahren sein könnte. Ich begreife die Lüge, welche man uns jahrelang aufgetischt hat, nämlich dass nach dem Tod das Paradies folge, nicht stimmt. Da gibt es noch etwas dazwischen. „Bin ich gestorben?", frage ich den intelligenten Wurm neben mir.

„Was warst du denn? Lass mich raten: ein alter Mensch oder eine junge Schildkröte. Nein, keine Schildkröte, denn die sprechen nicht. Also ein Mensch."

„Ja, zum Teufel, ich war ein Mensch. Ich bin der wichtigste Mensch auf der Erde. Ich bin der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika."

Spätestens jetzt weiß ich, dass Regenwürmer lachen können. Der Wurm kringelt sich, das kann ich an den Wellen spüren, die er macht. „Jetzt nicht mehr. Das muss ich erst verdauen: Der Präsident der USA ist ein Wurm."

„Was warst du, wenn ich fragen darf? Und höre auf zu lachen, das ist nicht witzig."

„Ich finde es schon witzig, doch. Deine Frage ist, wie so oft bei dir, falsch. Du solltest mich fragen, wer ich bin, nicht was ich war."

Der Wurm beginnt mich zu nerven. „Also gut: Wer bist du?"

„Ein Regenwurm, obwohl ich lieber so ein elektrischer, fliegender Wurm wäre; ein Glühwürmchen – Tesla-Würmchen. Aber als Seele bin ich hochintelligent. Ich war auch als Mensch unterwegs, in deinem Amerika; du bist nur meinetwegen Präsident, du Wurm."

„Elon?"

„Ja, Donald?"

Das gibt es doch nicht. Wie klein ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich als Wurm ausgerechnet auf einen anderen Wurm treffe, in welchem die Seele von Elon Musk festsitzt? Okay, wenn ich ehrlich bin, ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch, wenn das hinterlistige Schicksal seine Finger im Spiel hat. Ich verstehe nicht, was es mir sagen will, aber ich bin froh, einen Leidensgenossen getroffen zu haben. Hoffentlich will er nicht plötzlich Kinder mit mir machen.

„Du kannst aufhören, darüber nachzudenken. Das bringt nichts. Wir sind hier, wir leben als Würmer und nur das Schicksal weiß, warum dem so ist. Wir sollten das Beste daraus machen und uns vor allem schnell wieder in die Erde verkriechen, denn ich wurde schon oft von Vögeln oder Igeln gefressen, wenn ich zu lange hier oben verweilte. Kein schöner Tod, glaube mir."

„Ja, kenne ich. Mich hat ein Maulwurf erwischt."

„Fiese Dinger, Maulwürfe. Graben Höhlen und halten uns gefangen. Komm schon, runter hier." Elon kriecht weg, ich folge ihm. Meine Sensoren deuten an, dass es dunkler wird. Wir befinden uns wieder im Erdreich, kriechen nebeneinander her und führen unsere Unterhaltung fort.

„Wie lange bist du schon Regenwurm, Elon?"

„Keine Ahnung. Man verliert das Zeitgefühl, wenn man nicht mehr als Mensch unterwegs ist. Der alte Einstein hatte doch recht mit seiner Behauptung, die Zeit sei relativ. Ich messe meine Zeit an der Anzahl Leben. Als Wurm bin ich bereits fünfmal gestorben. Dass ich noch immer ein Wurm bin, kann ich jetzt verstehen. Ich habe dich finden müssen."

„Bist du zum ersten Mal in einem anderen Körper?"

Es scheint, als überlege er lange, bevor er mir die Frage beantwortet. „Da wir Würmer sind, und uns die Menschen nicht verstehen können, kann ich es dir sagen: Ich war schon auf dem Mars. Nicht als Wurm, sondern als Wesen einer anderen Art. Würmer gibt es keine auf dem Mars, zumindest keine Regenwürmer, da es dort nicht regnet."

„Du warst ein Marsmensch?"

„Na ja, Mensch trifft es nicht. Ich war deutlich weiter entwickelt, als es die Menschen sind. War irgendwie noch cool. Ich war allmächtig, göttlich. Für mich war es ein Rückschritt, wieder Mensch zu sein."

Fasziniert lausche ich diesen Worten meines guten Freundes und Sponsoren. Allmächtig, göttlich – das werde ich als Präsident auch sein. Ich muss aufpassen, dass er mir nicht die Show stiehlt. „Das klingt hervorragend. Denkst du, wir werden einst auf dem Mars leben können?"

„Absolut. Wir brauchen eine Back-Up-Strategie, wenn die Erde den Geist aufgibt." Elon wirkt sehr überzeugend, bei seinen Erklärungen gerät er ins Schwärmen. Doch wir sind noch immer Regenwürmer; da ist also nicht viel mit Marsmission. Auf jeden Fall muss ich dafür sorgen, dass der ehrgeizige Kerl an meiner Seite bleibt und nicht gegen mich steht, das wäre verheerend.

Wir kriechen gemütlich durch die Erde, knabbern einiges an Wurzelstoffen, die wir finden und diskutieren über die Pläne und Ziele, welche wir als Mensch einmal hatten. Auf einmal spüren wir Erdbewegungen. Donnerschläge wie bei heftigen Stürmen oder von Feuerwerkskörpern, gefolgt von erdbebengleichen Erschütterungen. Wir werden von einer gewaltigen Erdlawine ergriffen, fallen in ein tiefes Loch, größer als die mächtigste Kupfermine Nordamerikas. Fallen, sich drehen, kollern bis wir unten aufprallen und verwirrt, schwindlig liegen bleiben. Von oben rast ein Schatten auf uns zu; ein riesiges Rechteck, scheint es. Im Körper zuckt es kurz, aber extrem schmerzvoll, als hätte mich etwas durchtrennt. Dann wird es dunkel.

Die beiden durchtrennten Regenwürmer liegen in der Grube, Sebastian blickt sie traurig an.

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