31. Trauma
„Schön, dich wiederzusehen, liebe Lena", säuselte er mir ins Ohr, und ich versuchte, mich mit aller Macht aus seinem Griff zu befreien. In diesem Moment hatte ich einfach Angst um mein Leben.
„Oh, keine Chance." Er lächelte schleimig. „Ich habe mir ein paar Tricks antrainiert. Wenn du dich nicht wehrst, wird es auch nicht ganz so sehr wehtun. Ansonsten garantiere ich für nichts."
Erst jetzt begriff ich, was er wollte. Lukas hatte schon die ganze Zeit über nur das gewollt. Er wusste, dass ich ihn nicht zurücklieben würde. Aber er wollte mich trotzdem nehmen. Ob ich das nun wollte oder nicht. Ich schluchzte auf. Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich gebettelt, dass er mich in Ruhe lässt, aber er hielt mich weiter eisern fest und meinen Mund zu. Ich hatte einfach keine Chance gegen ihn. Auch als ich meinen Körper schüttelte und versuchte, seinem Griff damit zu entfliehen, hielt er mich weiter fest.
„Na, hast du es jetzt auch kapiert?" Er grinste böse. „Du hast es mir aber auch wirklich fast schon zu einfach gemacht. Hättest du mal auf deine Freundin gehört, dann wärst du jetzt nicht in dieser Situation." Ich riss meine Augen auf. Hatte er etwa mitbekommen, worüber ich mit Aoife gesprochen hatte? Wie konnte das sein? „Oh ja, das hast du richtig gehört, Lena. Ich bin dir gefolgt auf Schritt und Tritt, du hast ja keine Ahnung, was ich sonst noch so weiß. Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr, denn du bist endlich meins."
Mit dieser Aussage presste er mich mit seinem ganzen Körpergewicht an die kalte Steinwand hinter mir, sodass er meine Hände loslassen konnte, ohne dass ich die Möglichkeit hatte, sie zu bewegen. Seine freie Hand nutzte er, um meine Brüste grob zu kneten. Mir schossen die Tränen in die Augen und ich versuchte, ihn irgendwie zu bitten, damit aufzuhören. Aus meinem Mund kamen jedoch nur unverständliche Laute.
„Oh ja, merkst du, wie gut ich das finde?", stöhnte er und rieb sein Becken an mir. Das merkte ich, aber mir wurde einfach nur kotzübel davon. Er tat mir weh, war ihm das denn egal? Oder war genau das etwas, das er gut fand?
Er schob seine Hand unter mein Top und berührte meine Haut. Ich wimmerte nur noch, denn ich konnte nicht fassen, was hier gerade passierte. War das echt? War es vielleicht nur ein böser Traum?
Wie echt es war merkte ich, als er mit seiner freien Hand seine Hose herunterzog und sich an mich drängte. Ich konnte nicht glauben, dass ich einmal mit diesem Mann zusammen gewesen war. Er war ein Monster!
In diesem Moment wünschte ich mir, mit Niall Sex gehabt zu haben, weil Lukas dann nicht mein erstes Mal wäre. Oh, Niall. Würde er mich überhaupt noch wollen nach dem hier? Würde ich dann überhaupt noch irgendetwas wollen?
Ich schloss die Augen, denn das wollte ich mir wirklich nicht mit ansehen. Jeden Moment rechnete ich damit, dass er mir meine Hose ausziehen und in mich eindringen würde.
„Stop!", hörte ich plötzlich eine laute und selbstbewusste Stimme rufen und öffnete meine Augen.
Was passierte konnte ich gar nicht realisieren, weil ich so sehr unter Schock stand. Ich sah aus dem Augenwinkel, dass Lukas seine Hose hochzog und wegrannte, dann wurde mir schwarz vor Augen und ich sackte auf den kalten Boden.
Ich wusste nicht mehr genau, was passiert war, als ich aufwachte. Es war überall recht helles Licht und ich hörte drei Leute leise miteinander reden. Das war zumindest definitiv nicht mein Zimmer bei Lilly und Peter.
Ich fühlte mich so unglaublich erschöpft, dass ich am liebsten meine Augen gleich wieder zu gemacht hätte. Aber meine Neugierde war stärker, und so versuchte ich mich aufzusetzen.
„Lena, du bist wach." Nialls Gesicht sah ich zuerst. Er strich mir liebevoll und vorsichtig mit den Fingern über die Wange. Er sah dabei ziemlich erleichtert aus.
„Du solltest noch ein bisschen liegen bleiben", riet mir Aoife, die hinter Niall auftauchte.
„Du hast wohl eine leichte Gehirnerschütterung", fügte Lilly hinzu, die auf einem Stuhl saß.
So langsam kam meine Erinnerung zurück, aber so richtig glauben konnte ich das nicht. „Ist das wirklich passiert?", krächzte ich leise.
„Ja", antwortete Lilly. „Aoife war gerade noch rechtzeitig da, um Schlimmeres zu verhindern. Ich hatte sie angerufen, als du nicht nach Hause gekommen bist, ich wusste ja nicht, wo du warst. Sie hat sich aber daran erinnert, dass du ihr von dem Pub erzählt hast und hat sich sofort auf den Weg gemacht. Als du nicht dort warst, ist sie direkt zu uns gegangen und auf dem Weg hat sie Lukas gesehen. Ich wusste nicht, dass er zu so etwas fähig ist. Ich hätte dich niemals alleine irgendwohin gehen lassen." Ich sah, dass ihre Augen ganz wässrig wurden. „Das tut mir so leid, Lena."
Am liebsten hätte ich sie getröstet und in den Arm genommen, aber ich begriff in diesem Moment, dass sie so getroffen war von dem was mir passiert war. Ich schluckte einmal. Das hätte wirklich übel ausgehen können, daran wollte ich gar nicht denken. Dagegen waren die Mails von Lukas und die Fotos, die er mir geschickt hatte, gar nichts.
„Wie fühlst du dich?", fragte Aoife, wohl um ein bisschen abzulenken.
„Matschig", murmelte ich. „Mein Kopf pocht."
„Dann lassen wir dich wohl erst einmal ein bisschen weiterschlafen", überlegte die Irin.
„Ich bleibe auf jeden Fall über Nacht hier, ihr könnt nach Hause fahren und euch ein bisschen ausruhen", sagte Niall, und die beiden Frauen nickten.
„Da hast du wohl Recht. Wir sind morgen früh auf jeden Fall zu deiner Unterstützung da, Lena", versprach Lilly, bevor sie mit Aoife das Zimmer verließ.
„Hast du mich noch lieb?", murmelte ich zu Niall, der sich einen Stuhl ans Bett rückte.
„Natürlich, Lena. So schnell lasse ich dich nicht gehen. Ich bin an deiner Seite, genau so wie du mich brauchst." Er lächelte etwas müde und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Was genau das bedeutete, konnte ich jetzt nicht herausfinden. Ich war einfach zu müde. Also drehte ich mich ein wenig im Bett und schlief auch schon wieder ein.
Das nächste Mal, das ich erwachte, schien die Sonne durch die Fenster hinein. Mir war aber gar nicht danach zumute. Ich versuchte erst, meine Augen zuzukneifen, aber das schien nicht zu helfen. Die Sonne strahlte trotzdem, als sei dies ein wunderschöner Tag.
„Guten Morgen, Lena." Niall lächelte mich an, ich konnte aber genau sehen, dass dieses Lächeln nicht seine Augen erreichte. Er hatte tiefe Augenringe und seine Augen wirkten ganz klein.
„Guten Morgen, Niall." Ich erwiderte seinen Gruß leise.
„Ich habe versucht, ein wenig Essen für dich zu besorgen, aber hier haben sie leider keine große Auswahl." Er deutete auf das Tablett auf einem kleinen Tischchen neben dem Bett. Darauf befanden sich zwei Toastscheiben, ein Päckchen Butter und etwas Marmelade. „Möchtest du davon etwas? Dann schmiere ich dir das, damit du dich nicht zu sehr bewegen musst."
Ich nickte vorsichtig. Etwas Essen konnte ja nicht schaden. Und es war lieb, dass Niall sich so eine Mühe gab und offensichtlich sogar die ganze Nacht hier im Krankenhaus verbracht hatte.
Während Niall mir die Toastscheiben schmierte, klopfte es an der Zimmertür.
„Guten Morgen, Miss Smith, wir sind hier zur Visite." Drei Männer und eine Frau in weißen Ärztekitteln betraten das Zimmer. Tatsächlich schauten sie erst einmal mehr zu Niall als zu mir, er war schließlich nicht irgendwer.
Es fielen viele Fachbegriffe, aber die Quintessenz war wohl, dass ich eine leichte Gehirnerschütterung erlitten hatte und daher in der nächsten Woche Bettruhe angesagt war. Ein Arzt legte mir außerdem nahe, dass ich in jedem Fall psychologische Hilfe aufsuchen sollte. Ansonsten konnte ich das Krankenhaus wohl schon am heutigen Tag wieder verlassen. Es war gut, dass nicht darüber gesprochen wurde, wie ich hier her gekommen war. Das musste ich erst einmal allein verarbeiten.
Ich war froh, als die Ärzte das Zimmer wieder verließen und ich mit Niall allein war. Er hatte das Toast fertig geschmiert und gab es mir nun in die Hand.
„Versuch, etwas zu essen. Dein Blutzucker ist bestimmt momentan nicht gerade ausgewogen."
Da musste ich ihm zustimmen, also knabberte ich langsam an meinem Toast. Besonders gut schmeckte es mir nicht, ich war mir aber nicht sicher, ob es daran lag, dass es Krankenhausessen war, oder dass ich überhaupt keinen Appetit hatte. Als ich aufgegessen hatte, klopfte es erneut an der Tür und Lilly trat ein.
„Hey Lena, alles klar?", fragte sie.
„Naja", gab ich zurück. Das war es schließlich nicht. Aber so direkt wollte ich das dann auch nicht sagen. „Ich kann heute schon aus dem Krankenhaus raus, aber ich soll eine Woche Bettruhe halten", berichtete ich dann.
„Das ist ja gut, dann musst du nicht länger hier bleiben", sagte sie erleichtert. „Aber wie machen wir das denn unter der Woche? Ich möchte nicht, dass du den ganzen Tag allein in der Wohnung bist, wenn Peter und ich bei der Arbeit sind. Nicht, dass etwas ist. Also wegen deiner Gehirnerschütterung", fügte sie an.
„Wenn du möchtest, kannst du für die Woche zu mir ziehen", schlug Niall vor. „Ich bin eh die ganze Zeit zu Hause."
„Das ist eine gute Idee. Wenn es dir nichts ausmacht." Nun würde Niall sich schon wieder um mich kümmern müssen. Nur weil ich nicht hatte vorsichtiger sein können. Er musste doch inzwischen auch genug davon haben. Aber das sagte ich nicht.
„Ach Unsinn, ich habe dich doch gern bei mir." Er lächelte wieder etwas müde, und ich war mir nicht ganz sicher, ob er die Wahrheit sagte. Ich nahm das aber so hin, da ich im Moment einfach nicht den Luxus hatte, mir auszusuchen, wo ich bleiben wollte.
„Danke Niall", sagte Lilly, deren Anwesenheit ich fast schon wieder vergessen hatte. „Dann bringe ich dir einfach ein paar Klamotten mit, in Ordnung Lena?"
Ich nickte zustimmend. „Wo ist eigentlich Aoife?" Ich vermisste sie hier irgendwie.
„Sie muss leider spontan arbeiten." Lilly sah auf den Boden. „Sie wollte echt herkommen, aber ihr Chef hat ihr wohl die Hölle heiß gemacht. Es geht um irgendein wichtiges Rennen, das sie reiten muss, weil der eigentliche Jockey krank ist."
Das war wirklich schade, aber ich konnte es auch verstehen. Die Arbeit ging nun mal vor, und Aoife musste aufgrund dieser auch oft am Wochenende einspringen.
Mit meiner Freundin wollte ich mich gern noch einmal ausführlich unterhalten, aber das musste wohl warten. Vielleicht war es sowieso besser, wenn ich zwischen mich und die ganze Sache etwas Abstand brachte. Ich hatte immer noch nicht ganz verarbeitet, was passiert war.
Umso nervenaufreibender war es, als am späten Nachmittag plötzlich eine Frau in Polizeiuniform in meinem Krankenzimmer stand. Niall hatte kurz meine Seite verlassen, um sich einen Kaffee zu holen, und diesen Moment schien die Frau genutzt zu haben.
„Hi, sind Sie Lena Smith?", vergewisserte sie sich. Ich nickte. „Wenn es für Sie okay ist, würde ich Ihnen gern ein paar Fragen stellen. Wenn Sie etwas nicht beantworten möchten oder können ist das vollkommen in Ordnung. Ich habe bereits mit ihrer Freundin Aoife gesprochen, und sie hat eine Aussage gemacht."
Das waren ganz schön viele Informationen auf einmal, die mein sowieso schon geschädigter Kopf gar nicht richtig verarbeiten konnte. Ich nickte also erneut.
Was folgte, war ein gefühlt niemals endendes Gespräch, das mir alle Details des vergangenen Abends abverlangte. Ich musste alles so genau wie möglich beschreiben, und das rief in mir so viele Erinnerungen hervor, dass ich das Gefühl hatte, mein Kopf würde platzen.
Und dann wollte die Polizistin plötzlich nicht nur Details des gestrigen Geschehnisses, sie wollte auch alles zu meiner Vorgeschichte mit Lukas wissen. Nicht nur wie ich ihn kennengelernt hatte, sondern auch alles, was ich mit ihm zusammen gemacht hatte, und alles über die E-Mails, die er mir geschrieben hatte.
Es tat gut, zu wissen, dass jetzt gegen Lukas vorgegangen wurde. Dass nach ihm gesucht wurde, dass ich Anzeige erstatten konnte. Endlich, nachdem ich so lange nichts machen konnte. Aber es war umso härter und schwieriger, von allem im Detail zu berichten.
Vor allem war ich es satt, die Opferrolle zu spielen. Warum mussten mir immer solche Dinge passieren? Warum konnte es nicht einmal jemand anderen treffen? Diese Gedanken waren gemein, aber sie waren genau das, was ich fühlte.
Ich nahm mir in diesem Moment vor, dass ich nicht wieder das Opfer sein würde. Nein, ich wollte selbstbestimmt sein. Koste es, was es wolle. Was das für meine Beziehung mit Niall bedeutete, dessen war ich mir noch nicht sicher.
Ich hoffe, dass euch diese Kapitel nicht zu sehr schockt und ihr nicht, wie Lena, traumatisiert seid. Ich freue mich über eure Meinungen, denn mir ist es nicht leicht gefallen, das hier zu schreiben.
Was haltet ihr von Lenas Gedanken?
Habt ihr gedacht, dass Aoife sie rettet?
Liebe Grüße und bis zum nächsten Kapitel
Catrifa xx
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