24. Adult life
Mir tat alles weh und mein Gesicht fühlte sich furchtbar verquollen an. Als ich mich in meinem Bett umdrehen wollte, wurde mir bewusst, dass das nicht möglich war, weil es mit Niall zusammen doch ziemlich eng wurde.
Ich strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und versuchte, mich an den gestrigen Abend zu erinnern. Damit tauchte auch die Erinnerung an das gesehene Bild, das Lukas mir per Mail gesendet hatte, wieder auf. Er hatte mir den ganzen schönen Tag vermasselt und langsam stieg die Wut in mir hoch. Wie nahm er sich so etwas heraus? Er wusste schließlich genau, dass das mein achtzehnter Geburtstag gewesen war, jedenfalls ging ich davon aus.
In dem Versuch, Niall nicht zu wecken, richtete ich mich langsam im Bett auf, weil ich mal auf die Toilette gehen musste. Hätte ich an der Bettkante geschlafen, wäre dieses Vorhaben sicherlich geglückt, so jedoch musste ich einmal über Niall drübersteigen, weshalb er seine Augen aufschlug.
„Guten Morgen, Lena", gähnte er. „Wie geht's dir?"
„Ich könnte Lukas erwürgen", brachte ich etwas gepresst heraus. „Und ich muss auf's Klo, also wenn du mich kurz ..." Ich ließ den Satz unbeendet, weil Niall bereits Anstalten machte, aus dem Bett zu steigen.
Auf dem Weg vom Badezimmer wieder zurück zu Niall fiel mir durch eine offene Tür mein Handy ins Auge, das auf dem Esstisch lag. Ohne groß darüber nachzudenken nahm ich es mit und entsperrte den Bildschirm. Sofort leuchtete mir wieder das vermutlich mit Photoshop bearbeitete Bild entgegen. Es zeigte mich, wie ich am gestrigen Tag im Green Park saß. Ursprünglich war Aoife neben mir gewesen, aber nun saß da ein ziemlich braungebrannter Lukas, der einen Arm um meine Schultern legte. Problematisch daran war, dass es sehr echt und überhaupt nicht gefälscht aussah.
Die Tatsache, dass er es gewagt hatte, so ein Foto zu bearbeiten, machte mich jetzt nur noch wütend. Wie konnte er diese Grenze ohne Weiteres überschreiten?
Jetzt würde wohl jeder einsehen, dass es sich definitiv um Stalking handelte.
„Schau es dir am besten nicht mehr an", riet Niall mir, der schon wusste, worauf ich starrte, als ich das Zimmer betrat, ohne dass er den Handybildschirm selbst gesehen hatte.
„Es macht mich gerade einfach nur wütend", merkte ich an und setzte mich wieder zu ihm auf das Bett. „Ich könnte ihm jetzt so viele Schimpfwörter an den Kopf werfen oder, noch besser, ihm einfach nur den Kopf umdrehen."
„Dabei kommst du aber beim Gericht nicht gut weg", lachte er ein wenig. „Ernsthaft, Lena, du solltest es so halten wie bisher und ihm einfach nicht antworten, dann gibst du ihm auch keine Angriffsfläche. Und ich werde nachher meinen Anwalt anrufen und juristische Schritte einleiten, so geht das nämlich nicht weiter."
Wieder einmal bemerkte ich, wie viel Glück ich mit Niall an meiner Seite hatte. Er nahm das in die Hand, kümmerte sich, und alles würde im Endeffekt gut werden, daran glaubte ich fest.
Damit vergingen die Tage bis zum Start der Vorlesungen und Seminare wie im Flug. Vor allem taten sie das, weil ich am Freitagnachmittag zum ersten Mal von Mr. Brown zur Arbeit beordert wurde.
Mit fliegenden Fahnen machte ich mich auf den Weg zum Tonstudio, um bloß nicht zu spät zu sein und keinen schlechten Eindruck zu hinterlassen. Den Arbeitsvertrag hatte ich jetzt erst dabei, da ich ihn vorher nicht hatte unterschreiben können, und glücklicherweise galt er ab sofort.
Die Stufen aus der U-Bahn Station heraus nahm ich im Laufschritt und machte mich dann zügig auf den Weg zum Bürogebäude. Dort wartete Mr. Brown schon mit den Kunden auf mich.
„Hallo Miss Smith, schön, dass das geklappt hat." Er reichte mir die Hand. „Das sind Jean and Jane, mit denen Sie heute aufnehmen werden. Ich muss leider schon wieder los, aber ich denke Sie sind qualifiziert genug, diesen Job zu erledigen."
Er wollte sich gerade von uns verabschieden, als mir einfiel, dass er vielleicht den Vertrag haben wollte, bevor ich begann, zu arbeiten.
„Mr. Brown, ich habe noch den Vertrag." Etwas umständlich kramte ich den Papierbogen aus meiner Tasche.
„Ach ja, dankeschön." Er nahm ihn mit einem bloßen Nicken entgegen und wandte sich dann endgültig zum Gehen.
Als er durch die Tür verschwunden war, begann ich, mich erstmals mit den beiden vor mir stehenden Musikern auseinanderzusetzen.
Jean und Jane waren zwei Frauen die ich ungefähr auf vierzig Jahre schätzte. Witzig war der enorme Größenunterschied zwischen den beiden, denn die Brünette maß vielleicht 1,60m, während die andere, Schwarzhaarige, mindestens zwanzig Zentimeter größer war.
„Hi, ich bin Lena Smith und werde heute mit euch aufnehmen", stellte ich mich dann erstmal vor, um ein Gespräch in Gang zu bekommen.
„Ich bin Jane und das ist Jean", sagte die kleine Brünette. „Vielleicht ist es einfacher, wenn wir uns alle mit dem Vornamen anreden, denn wir werden wohl ein bisschen Zeit miteinander verbringen."
„Ja, das ist eine gute Idee", stimmte ich ihr zu. „Wir können ja erstmal zum Studio gehen, es geht da lang." Ich wies auf eine Tür, die meiner Meinung nach zum Studio führte. Glücklicherweise tat sie das auch tatsächlich. In diesem Moment fiel mir auf, dass ich eigentlich keine Ahnung hatte, wie das Aufnahmeprogramm funktionierte und wie ich mit der Technik in diesen Räumen umgehen sollte. Was war denn, wenn ich zum Beispiel ein Passwort eingeben musste? Daran schien Mr. Brown gar nicht gedacht zu haben. Aber ich würde das schon irgendwie schaffen, schließlich war ich jetzt erwachsen und würde auch versuchen, mich so zu benehmen.
Jean schien eher zurückhaltender zu sein, die kleine Jane dagegen redete wie ein Wasserfall. Das ersparte mir zum Glück die eine oder andere Frage.
„Wir haben ursprünglich mal nur Instrumentalmusik gemacht, aber jetzt würden wir gern unser Musikerdasein ein wenig auffrischen und suchen nach etwas Neuem. Demnach wollen wir auch nur ein wenig ausprobieren heute, also was wie zusammen klingt und welche neuen Beats oder Instrumente wir verwenden können. Und vor allem wollen wir versuchen, zu singen. Das ist früher immer furchtbar schief gelaufen, aber vielleicht geht es ja inzwischen. Also wenn wir nur ein paar Demoaufnahmen machen könnten, wäre das wunderbar."
„Klar, das ist bestimmt ..." Ich konnte gar nicht richtig ausreden, weil Jane schon wieder lossprudelte.
„Na super, dann brauchen wir jetzt also erstmal einen Song, den wir ausprobieren können und ein bisschen Klaviermusik im Background, so damit wir die Töne auch halten können. Wie geht das denn hier?" Sie machte sich schon ein bisschen an den herumstehenden Mikrofonen zu schaffen und ich musste mich sehr beherrschen, nicht loszulachen. Da hatte ich tatsächlich ein merkwürdiges Musikerpärchen erwischt. Und darein musste ich Ordnung bringen.
Ich begann damit, den Computer hochzufahren, einfach um so tun zu können, als hätte ich Ahnung von diesem Tonstudio. So schwer konnte das ja eigentlich nicht sein, schließlich hatte ich sehr viele Stunden in Onkel Wilfrieds Tonstudio verbracht. Und prinzipiell war jedes Tonstudio gleich.
So war es also, als Erwachsene zu arbeiten. Vielleicht wollte ich doch lieber wieder minderjährig werden. Das Gefühl, trotz völliger Ahnungslosigkeit so tun zu müssen, als hätte ich alles unter Kontrolle, gefiel mir nicht sonderlich. Insgesamt verliefen die Demoaufnahmen trotzdessen sehr gut, und als Mr. Brown am Abend vorbeischaute, schien er begeistert.
„Sehr gut, ich werde Sie wohl öfter allein lassen können", nickte er mir freundlich zu und ich freute mich über das Lob. Jean und Jane schienen auch kein Problem damit zu haben, mit mir zu arbeiten, was vor allem Jane lautstark kundgab und was mich natürlich freute.
Am Montag sollte die erste Vorlesung um 9 Uhr morgens beginnen. Um bloß nicht zu spät zu kommen und damit negativ aufzufallen, frühstückte ich schon um 7 Uhr und machte mich überpünktlich auf den Weg ins College. Das hatte zur Folge, dass ich um halb 9 wie bestellt und nicht abgeholt vor dem Universitätsgebäude herumstand. Mit insgesamt nur ungefähr 200 Studenten war das Privatcollege sowieso schon sehr klein, sodass ich mir umso merkwürdiger vorkam. Ich würde nicht wieder so früh zu einer Vorlesung erscheinen. Kurz überlegte ich, nochmal ein wenig spazieren zu gehen, fühlte mich dabei aber noch komischer, sodass ich mich einfach nur mit meinem Handy beschäftigte.
Lukas hatte mir bisher nur eine Mail geschrieben, die Text enthielt, den ich mir noch nicht durchgelesen hatte, da ich ja sowieso nicht antworten würde. Da ich gerade aber keine anderen Nachrichten zu lesen und beantworten hatte, nahm ich mir die E-Mail dann doch vor.
„Liebste Lena,
dieses Aufeinandertreffen von dir und mir war wunderschön und ich würde es gern in der Öffentlichkeit wiederholen. Damit es auch immer dokumentiert wird, wie gut wir uns doch verstehen, werde ich weiterhin fleißig Fotos schießen, ich hoffe natürlich, dass dich das nicht stört."
Lukas war einfach so dreist, dass mir die Worte dazu fehlten. Bildete er sich das wirklich ein oder tat er nur so, um mich zu verärgern? Ich konnte seine Aktion einfach nicht nachvollziehen. Und das hier war doch eine offensichtliche Drohung, seine Tat zu wiederholen, oder nicht? Der Text ging sogar noch weiter, er hatte sich diesmal wohl richtig Mühe gegeben.
„Außerdem würde ich sehr gern bestätigen lassen, wie wundervoll wir zusammenpassen. Ist es nicht fantastisch, dass wir uns doch wieder gut verstehen? Ich würde dich gern noch öfter treffen. Was hältst du also davon, wenn wir die Öffentlichkeit darüber entscheiden lassen? Ich wollte schon immer mal eine Person des öffentlichen Lebens sein und glaube, dass du meine Eintrittskarte sein möchtest. Aus diesem Grund werde ich noch ein bisschen warten, bis das mit Horan und dir mehr Aufmerksamkeit bekommt, und dann die Chance nutzen und unsere gemeinsamen Bilder ins Internet stellen, damit niemand auf die Idee kommt, dass du noch zu haben seist.
In Liebe, Lukas."
Das war wirklich zu viel. Woher wusste er von Niall? Das wurmte mich tatsächlich am meisten. Und natürlich die Tatsache, dass er seine gefälschten Bilder der Öffentlichkeit präsentieren wollte.
Ich war jetzt nicht mehr am Boden zerstört, diese Phase hatte ich hinter mir. Ich war stinksauer, dass er sich solche Privilegien herausnahm. Was bildete der Kerl sich eigentlich ein?
In meiner Wut auf Lukas drückte ich entschlossen auf das Feld, das es mir ermöglichte, schnell zu antworten und tippte einen kurzen Text. Er sollte mich einfach in Ruhe mein Leben leben lassen und aufhören, sich einzumischen. Ohne ein weiteres Mal darüber nachzudenken schickte ich meine kurze Antwort ab. Der würde sich wirklich etwas anhören können, wenn er sich das erlaubte! Ich konnte kaum glauben, dass ich tatsächlich eine Beziehung mit diesem Mistkerl geführt hatte.
Damit war es jetzt schon zehn vor neun und um mich herum befanden sich ein paar andere Studenten, die teilweise ebenfalls orientierungslos herumstanden. Dadurch fühlte ich mich nicht mehr so allein und betrat gut gelaunt mit den anderen den Vorlesungsraum. Vor allem fühlte ich mich irgendwie frei, weil ich Lukas so richtig meine Meinung gegeigt hatte.
Der Raum in dem ich mich befand war ziemlich klein. Die Bänke und Tische waren leicht erhöht angeordnet, was aber nicht hätte sein müssen, da es wirklich nicht viele waren. Langsam ging ich auf die Plätze zu und ließ mich in einer mittleren Reihe am Rand nieder, um bloß nicht aufzufallen.
Ich packte mein Netbook aus, um mitschreiben zu können, was meine Sitznachbarin mir gleichtat. Etwas schüchtern schielte ich zu ihr hinüber. Sie hatte graugefärbte Haare, die sie in einem kurzen Bob trug. Dass es langsam wirklich relativ kalt in London wurde konnte ich auch daran erkennen, dass sie bereits ihren Teppich ausgepackt hatte. Eigentlich trug sie eher einen modischen Mantel, der aber auch locker als Teppich hätte durchgehen können. Er war schwarz-weiß gemustert und hatte sogar eine Kapuze.
Gegen die ausgeflippte Kleidung der Londoner kam ich noch nicht an, musste ich seufzend feststellen, als ich an meinem grünen Pullover und der blauen Jeans herunterblickte. Dafür musste ich meinen Kleiderschrank wahrscheinlich ziemlich umstellen.
Mein Blick wanderte zu ihren Schuhen und ich musste mir das Lachen verkneifen. Sie trug tatsächlich goldene Boots und ich musste im ersten Moment an Harry Styles denken, den ich auch schon einmal mit dieser Art Schuh gesehen hatte. Londoner hatten einfach manchmal diesen ganz eigenen Klamottenstil, bei dem sie einfach die verrücktesten Kleidungsstücke mischten, die sie auftreiben konnten. Jedenfalls kam mir das immer so vor.
Ein Dozent den ich noch nicht kannte betrat den Vorlesungssaal und begann, seine Sachen auf dem vorne stehenden Tisch auszubreiten.
„Hey, ich bin übrigens Olivia." Überrascht drehte ich mich zu meiner Sitznachbarin um.
„Ich bin Lena", stellte ich mich ebenfalls vor, als ich realisierte, dass sie mit mir sprach.
Wir konnten uns allerdings nicht weiter unterhalten, weil der Dozent vor uns sich nun Gehör verschaffte. Ein kurzer Blick um mich herum verriet mir, dass sich jetzt ungefähr zwanzig Studenten im Raum befanden, eine sehr überschaubare Zahl.
Ich atmete einmal tief durch. Jetzt begann ein neuer Lebensabschnitt und ich hatte vor, ihn hundertprozentig zu genießen.
Hallo ihr Lieben!
Ja, ich fühle mich ziemlich schlecht, dass ich so lange kein neues Kapitel mehr hochgeladen habe, und hoffe sehr, dass noch jemand hier liest. Falls ja schreibt mir gern kurz, wie euch das Kapitel gefallen hat und lasst mir einen Vote da, darüber würde ich mich riesig freuen.
Mein Leben hat sich ganz schön geändert und ich muss Prioritäten setzen, die das Schreiben nicht wirklich zulassen. Ich plane auf jeden Fall, diese Geschichte zu beenden, denn der Plot steht bereits komplett, aber wann ich das schaffe steht noch in den Sternen.
Hoffentlich gefällt euch, in welche Richtung diese Geschichte sich bewegt. Ich bin ansonsten auch ganz offen für Kritik jeglicher Art. Mögt ihr Lenas Denkweise? Ich musste mich da wieder ganz schön hineinfinden, aber jetzt geht es wieder gut.
Ganz liebe Grüße und hoffentlich bis bald, Catrifa xx
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