22. Good day
„Alles Gute, Lena!" Lilly stand grinsend über mir und verschlafen zwinkerte ich ein wenig mit den Augenlidern. „Ich habe dir Frühstück gemacht, wir müssen leider doch schon früher zur Arbeit und können deshalb nicht mehr mit dir essen. Zum Mittag sind wir aber wieder da."
„Alles Gute." Peter steckte seinen Kopf durch die Tür und lächelte mir zu.
„Danke", gab ich nuschelnd von mir, durchaus zufrieden damit, mich noch einmal umdrehen zu können. Damit verließ Lilly das Zimmer und ich hörte kurze Zeit später, wie die Haustür ins Schloss fiel. Leider konnte ich dann nicht wirklich wieder einschlafen, sodass ich mir mein Handy vom Nachttisch nahm und durch die Nachrichten scrollte. Vor allem auf Twitter hatten mir viele Leute gratuliert, sodass ich mir vornahm, später am Tag eine allgemeine Dankesnachricht zu schreiben.
Etwas enttäuscht war ich, dass ich noch keine Nachricht von Niall bekommen hatte, aber der war wahrscheinlich noch nicht einmal aufgestanden.
Da ich langsam Hunger bekam, bequemte ich mich aus dem Bett und zog mir eine Strickjacke über, um in die Küche zu schlurfen. Lilly hatte tatsächlich Frühstück gemacht, was mich zum Lächeln brachte. Da der Deckel noch auf der Pfanne lag, war das Rührei sogar noch warm, sodass ich gar nicht lange warten musste, bevor ich mit dem Essen beginnen konnte. Währenddessen erhielt ich über mein Handy einen Skypeanruf von meinen Eltern, den ich sofort annahm.
„Alles Gute zum Geburtstag", strahlten meine Eltern mir entgegen. „Na, frühstückst du gerade schön?"
„Ja, Lilly hat mir was vorbereitet", antwortete ich noch halb kauend. „Sie musste leider schon zur Arbeit."
„Das ist ja lieb von ihr", fand meine Mutter. „Was hast du denn für heute noch geplant?"
„Eigentlich gar nichts", musste ich zugeben. „Die meisten Leute arbeiten ja montags, und alle anderen haben noch nicht verlauten lassen, ob sie Zeit haben oder vorbeikommen wollen. Aber ich werde wahrscheinlich mit Lilly und Peter Mittag essen."
„So einen ruhigen Tag zu haben ist sicher auch schön", bemerkte mein Vater. „Schließlich beginnt ja bald dein Studium."
„Um genau zu sein, beginnt es in einer Woche." Ich zählte bereits seit ungefähr zwei Wochen die Tage bis zum Studienbeginn.
„Da bist du sicher schon aufgeregt", vermutete meine Mutter, woraufhin ich nickte. „Wir sollten uns dann auch langsam auf den Weg machen, schließlich müssen wir ebenfalls zur Arbeit."
Dem stimmte mein Vater zu, sodass wir uns verabschiedeten und ich mich wieder meinen Nachrichten zuwendete.
Ein paar von den privaten Nachrichten beantwortete ich bereits während des Frühstücks, danach zog ich mich in den Musikraum zurück. Schließlich wollte ich wieder etwas tun, was ich wirklich liebte. Mit der Gitarre in der Hand, wärmte ich erst meine Finger ein wenig auf, bis ich anfing, die ersten Melodien zu zupfen. Wieder einmal musste ich feststellen, dass das bei Niall viel besser klang, aber er hatte ja auch viel mehr Übung. Mich sollte das in diesem Moment nicht stören und ich spielte ein paar mir bekannte Songs, bis ich anfing zu improvisieren. Das machte wirklich verdammt viel Spaß, aber es reichte bei mir nicht bis zum komplett eigenständigen Komponieren. Das war einer der Gründe, weshalb ich eigentlich nur improvisierte, wenn niemand sonst in der Wohnung oder in der Nähe war.
Mit einem Blick auf die Uhr stellte ich fest, dass ich noch ungefähr eineinhalb Stunden hatte, bis Peter und Lilly zum Mittagessen kommen wollten. Deshalb entschloss ich mich dazu, noch den Computer im Musikzimmer anzuschmeißen und ein wenig mit dem Aufnahmeprogramm zu üben.
Nachdem die Gitarre mit einem Kabel angeschlossen war, startete ich das Programm und begann damit, einige Akkorde vor mich hinzuklimpern, die möglicherweise zusammenpassen könnten. Dabei machte ich es mir, wie so oft beim Aufnehmen, auf dem Boden gemütlich.
Ich war so in meine Arbeit vertieft, dass ich Lillys und Peters Rückkehr von der Arbeit gar nicht bemerkte, bis Lilly im Musikzimmer direkt vor mir stand. Und das obwohl vor allem Peter öfter mal Radau machte, wenn er die Wohnung betrat. Allein schon, weil er fast immer den Kleiderbügel an der Garderobe fallen ließ.
„Rate mal, was ich zum Mittag mitgebracht habe", grinste Lilly mich an, als ich vom Boden aus zu ihr aufsah. Hinter dem Rücken hielt sie eine Papiertüte, deren Aufdruck ich dummerweise nicht entziffern konnte.
„Chinesisch?", überlegte ich, ohne genauer darüber nachzudenken, dass der Chinese von nebenan das Essen nicht in Papiertüten ausgab.
„Nein, viel besser. Ich war eben noch schnell beim Nando's", grinste sie mich freudestrahlend an.
„Nicht dein Ernst?" Ich legte die Gitarre schnellstmöglich beiseite, den Computer ließ ich einfach an. „Ich schaffe mindestens ein halbes Hühnchen, ich hoffe du hast genug dabei", posaunte ich dann herum, als wir gemeinsam in die Küche gingen.
Lilly lachte daraufhin nur. Peter hatte meine Aussage wohl ebenfalls zur Kenntnis genommen, denn als wir schließlich am gedeckten Tisch saßen, grinste er mich an: „Wollen wir wetten, dass du wieder nicht mal ein Viertel schaffst? Nur weil du jetzt rechtlich gesehen erwachsen bist, heißt das nicht, dass deine Magengröße sich verdoppelt hat."
„Werden wir ja sehen", gab ich zurück und machte mich gleich an den ersten Bissen des leckeren Hühnchens.
Zwar übertrumpfte ich Peters Aussage, indem ich so viel aß wie es mir möglich war, allerdings schaffte ich trotzdem kein halbes Hühnchen, das war dann doch zu viel.
„Ich glaube ich kann mich jetzt den Rest des Tages nicht mehr bewegen", grinste ich Lilly frech an, die gerade damit beginnen wollte, den Tisch abzuräumen. Ich fühlte mich tatsächlich ein bisschen als könnte ich nur noch umher rollen.
„Keine Angst, ich mache heute die Hausarbeit, du musst gar keine Ausreden finden, um dich davor zu drücken", lachte die Neunzehnjährige.
Leider konnten Lilly und Peter nach dem Essen nicht lange bleiben, weil sie noch einmal zur Arbeit mussten, aber Aoife meldete sich bei mir und stand kurze Zeit später vor der Haustür. Sie war einige der wenigen Menschen die ich kannte, die montags entweder wenig oder gar nicht arbeiten mussten, weil die Pferde an der Rennbahn nach dem Wochenende einen Ruhetag hatten.
„Alles Gute zum Geburtstag, Kleine", begrüßte sie mich grinsend an der Tür.
„Kleine, ich glaube wohl du spinnst, schließlich bin ich jetzt offiziell erwachsen", empörte ich mich scherzhaft und umarmte sie, nachdem meine Freundin sich mit einem vielsagenden Nicken zu dieser Aussage geäußert hatte.
Erst jetzt sah ich das kleine Päckchen, das sie mir hinhielt, um anschließend ihre Jacke ausziehen zu können. „Es ist nur eine Kleinigkeit, aber ich dachte du freust dich bestimmt darüber", kommentierte sie.
Etwas umständlich machte ich mich daran, das schlichte grüne Geschenkpapier abzuwickeln, das einen braunen Karton zum Vorschein brachte. Für das folgende Klebeband musste ich ein Küchenmesser verwenden, weil ich mir gerade erst die Fingernägel geschnitten hatte und damit keine Chance hatte. Gespannt sah ich auf das Styropor, das sich mir nun offenbarte.
„Ich musste es eben sicher verpacken", lachte Aoife auf meinen Blick hin.
„Da ist doch kaum noch etwas über, das du verpacken kannst, oder?", antwortete ich schlagfertig und entfernte das Styropor. Was ich nun sah, ließ mich kleine Sprünge machen. „Wow, danke! Die ist super toll! Ist die original?"
Aoife hatte mir eine irische Flöte besorgt, und zwar keine aus Metall oder Plastik, die es in Irland haufenweise bei Carrolls Irish Gifts gab, sondern eine, die offensichtlich handgearbeitet aus Holz war.
„Die ist hundertprozentig original, ich habe sie von einem Kumpel aus Cork besorgt", grinste sie mich an, scheinbar erleichtert, dass mir das Geschenk so gut gefiel.
Vorsichtig nahm ich das edle Stück aus dem Karton und versuchte, die Fingerhaltung herauszufinden, um schließlich den ersten Ton zu produzieren. Das würde ich definitiv noch üben müssen, denn es kam nur ein leises Quietschen heraus.
„Ich würde es dir gern beibringen, aber leider kann ich das überhaupt nicht, da wird das Internet herhalten müssen", lachte meine unmusikalische Freundin.
„Das schaffe ich mit ein bisschen Übung bestimmt auch allein, so schwer kann es schließlich nicht sein", versicherte ich ihr. „Die ist aber wirklich schön." Erneut nahm ich das Holz unter Beobachtung. „Vor allem diese Maserung, der Wahnsinn."
„Wenn du sie dann gleich allein lassen kannst, dachte ich, dass wir vielleicht noch ein bisschen rausgehen können", machte sie sich ein wenig über mich lustig. „Die Sonne ist gerade nochmal rausgekommen und du willst ja nicht deinen ganzen Geburtstag drinnen hocken, oder?"
„Nein, auf keinen Fall", stimmte ich ihr zu. Damit verfrachtete ich die Flöte an einen sicheren Platz ins Wohnzimmer und schlüpfte in meine Schuhe. Gemeinsam traten wir aus der Wohnung und beschlossen kurzerhand, zum Green Park zu laufen. Der lag ganz in der Nähe des Picadilly Circus, wo Aoife mich in einem ihrer Lieblingseckläden auf einen Smoothie einlud.
Mit den kalten Getränken setzten wir uns schließlich im Park einfach ins Gras und genossen die Sonne.
„Hast du eigentlich schon den Plan für deine Vorlesungen?", wollte Aoife nach einiger Zeit von mir wissen.
„Ja, den konnte ich vor einigen Tagen im Internet ablesen", antwortete ich. „Ich kann oft ausschlafen, aber dafür habe ich zum Beispiel montags eine frühe und eine sehr späte Vorlesung, die erst um 20 Uhr endet. Ich glaube das wird eine ganz schöne Umstellung."
„Bestimmt wird es das, aber das schaffst du. Hast du inzwischen den Vertrag mit deinem Nebenjob unterschrieben?", fragte sie als nächstes.
„Nein, das mache ich erst jetzt wo ich achtzehn bin und es selbst unterschreiben kann. Aber den Vertrag habe ich schon und der sieht soweit gut aus. Ich werde stundenweise bezahlt und habe ziemlich flexible Arbeitszeiten."
„Das passt dir dann ja bestimmt gut. Wenn Niall in LA ist, kannst du zum Beispiel richtig viel arbeiten", lachte Aoife.
„So ungefähr", gab ich zurück.
„Apropos Niall, wollte der heute auch nochmal vorbeischauen oder ist er momentan gar nicht im Lande?"
„Er hat mir bisher nichts geschrieben, wahrscheinlich schläft er momentan sogar noch, weil er gerade erst aus den USA zurückgekommen ist. Allerdings glaube ich schon, dass er heute Abend vorbeischauen wollte." Ich warf sicherheitshalber einen Blick auf mein Handy. Statt einer Nachricht von Niall, konnte ich auf dem Display eine Nachricht von Demi Lovato sehen, die wohl auch an mich gedacht hatte und mir gratulierte. Telefonieren taten wir meistens über Skype, weshalb wir uns für kürzere Mitteilungen meist nur kleine Texte schickten. Schnell bedankte ich mich postwendend bei ihr und drehte mich dann wieder zu Aoife. „Wie läuft es denn momentan mit Dylan? Er ist schon länger wieder aus Irland zurück, oder nicht?"
„Ja, seit einer Woche jetzt", antwortete sie mir. „Wir schaffen es aber momentan irgendwie nicht, so richtig viel miteinander zu unternehmen, weil wir beide viel zu unterschiedlichen Zeiten arbeiten müssen. Mein Job hat in der Hinsicht echte Nachteile."
„Das wird bestimmt auch wieder besser", sprach ich ihr zu. „Ihr habt ja nicht Ganzjahresturniersaison."
„Zum Glück nicht! Jedes Wochenende würde ich das nicht aushalten. Vor allem weil wir gerade schon wieder so einen Volltrottel von einem Jockey angestellt haben. Der schafft es einfach nicht, ordentlich auf sein Gewicht zu achten, sodass er ständig extra Gewichte braucht, die die Pferde auch nicht so witzig finden."
Davon hatte Aoife mir schon einmal erzählt. Jockeys hatten ein bestimmtes Gewicht einzuhalten, weil bei einer Unterschreitung dieser Zahl extra Gewichte zur Chancengleichheit eingesetzt wurden, mit denen die Pferde an Schnelligkeitsverlust litten. Und wenn der Reiter schwerer war, als er das sein sollte, war das logischerweise auch der Fall.
Wir merkten deutlich, dass sich der Herbst langsam näherte, weil es nach einiger Zeit verhältnismäßig kalt im Park wurde. Demnach beschlossen wir, zur Wohnung zurückzukehren und diesmal auch mit der Tube zu fahren.
Überrascht stellte ich mit einem Blick auf die Uhr fest, dass Lilly und Peter inzwischen wieder in der Wohnung sein mussten. Irgendwie merkte ich mit Aoife oft nicht, wie die Zeit verging, weil wir uns so gut verstanden und immer etwas hatten, worüber wir uns unterhalten konnten.
Als ich die Wohnungstür aufschloss, kam mir bereits eine kleine Geruchswolke aus der Küche entgegen, in der Lilly am Herd herumwerkelte und sogar Peter den Kochlöffel schwang.
„Aoife, isst du mit?", kam es aus der Küche, als Peter, dankbar über die Ablenkung, unsere Ankunft bemerkte.
„Wenn ihr genügend Essen da habt, sage ich bei diesem Angebot nicht nein", erwiderte sie lachend.
„Wir könnten heute wahrscheinlich eine ganze Fußballmannschaft ernähren", vermutete Lilly und wies grinsend auf die voll besetzte Herdplatte. „Ich rechne auch fest damit, dass Niall noch vorbeikommen wird."
„Dazu hat er sich bisher aber nicht geäußert", teilte ich ihr mit und war selbst ein bisschen enttäuscht, dass Niall mir bisher noch nicht einmal eine Nachricht geschrieben hatte.
„Vielleicht kommt er auch spontan reingeschneit." Aoife zuckte mit den Schultern. „Das ist doch eh manchmal seine Art."
Aoife behielt mit ihrer Aussage Recht. Lilly war gerade dabei den Tisch zu decken, als es an der Wohnungstür klingelte und tatsächlich Niall unangekündigt davor stand, als ich sie öffnete.
Er sah mal wieder verboten gut aus in dem leicht offen stehenden blau karierten Hemd. Mehr bewundern konnte ich sein Aussehen jedoch nicht, weil er mich sofort in seine Arme schloss.
„Alles Gute zum Achtzehnten, Lena", beglückwünschte er mich und drückte mir anschließend einen Kuss auf die Lippen. Daran konnte ich mich irgendwie immer noch nicht so richtig gewöhnen.
„Danke, schön, dass du vorbeigekommen bist", brachte ich unter einem Grinsen heraus. Jetzt konnte der Tag doch wirklich nicht besser werden.
„Ich habe dir auch was Kleines mitgebracht", bemerkte Niall und fischte ein kleines Päckchen aus seiner Jackentasche, das er mir überreichte, während er sich an seinen Schuhen zu schaffen machte. „Ich habe es übrigens extra selbst eingepackt, deswegen sieht die Verpackung ein bisschen komisch aus", gab er noch zu.
„Solange ich es aufkriege, ist das okay", grinste ich ihn an.
„Viel Erfolg", wünschte er mir scherzhaft.
Hallo ihr Lieben! Ich habe leider sehr schlechte Neuigkeiten für euch. Aufgrund einiger privater Sachen habe ich meinen Urlaub letzte Woche abgesagt und bin neben der Flut an Terminen hier kaum zum Schreiben gekommen. Das bedeutet, dass es die nächsten Kapitel im Abstand von drei bzw. sogar vier Wochen geben wird. Ich werde versuchen, zwischendurch nochmal zu schreiben, weil es mir auch wirklich fehlt, aber man kann eben nicht alles haben. Ich freue mich weiterhin riesig über eure Kommentare und wenn ich sehe, dass euch meine Geschichte gefällt, auch wenn ich das oft länger nicht beantworten kann, bemühe ich mich doch, das irgendwann zu tun.
Manchmal geht das Privatleben einfach vor, und das tut es in meinem Fall. Ich hoffe, dass ihr das verstehen könnt und trotzdem dabei bleibt.
Das nächste Kapitel gibt es am Dienstag in vier Wochen, dem 7. November.
Was schenkt Niall Lena wohl zum Geburtstag? Ich freue mich über eure Vermutungen!
Liebe Grüße, Catrifa x
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