16. Lake
„Oh, ganz der Gentleman, dass du mich so abholst." Ich grinste und stieg in das Auto, dessen Tür Niall mir gerade aufhielt. Meine Tasche legte ich zu meinen Füßen ab. Dort war zum Glück genug Platz.
„Aber klar doch", antwortete er und zwinkerte mir zu.
Wir unternahmen momentan fast täglich etwas miteinander, ausgenommen die Tage, die Niall im Studio in LA verbrachte. Das gefiel mir wirklich wunderbar. Vor allem Niall gefiel mir wunderbar.
Durch die Pause hatten wir auch keinen allzu großen Druck von der Öffentlichkeit, was er genauso gut fand wie ich es tat. Es war mal wieder ziemlich warm am heutigen Tag und ich hatte mich für ein Kleid entschieden, das ich gerade erst bei H&M gefunden hatte. Momentan musste ich mir noch keine Sorgen um mein Geld machen, auch wenn ich mich langsam um einen Job bemühen sollte. Meine Ersparnisse würden schließlich nicht ewig reichen.
Trotzdem genoss ich die Zeit mit Niall viel zu sehr, als dass ich mich ernsthaft mit etwas Nervigem wie Geld auseinandergesetzt hätte. Aus diesem Grund blieb der Job auf der Strecke.
Irgendwie wusste ich immer noch nicht, was genau das mit Niall und mir war, aber es war mir auch schnuppe, weil ich es gut fand. Dass wir uns küssten war fast schon normal, was ich richtiggehend genoss. Außerdem sorgte er sich um mich, er war immer lieb und zudem immer er selbst. Es war entspannt, mit Niall zusammen zu sein und es war einfach.
„Dein Kleid steht dir übrigens, ist das neu?", wollte er beiläufig wissen, während er losfuhr.
„Ja", antwortete ich etwas geschmeichelt.
Wir wollten schwimmen gehen, weshalb Niall schnellstmöglich auf eine Schnellstraße fuhr, die aus London herausführte. Wir hatten uns für einen See entschieden, den Aoife mir empfohlen hatte, als wir vor einigen Tagen zusammen in London unterwegs gewesen waren.
„Ich habe übrigens Kekse und so eingepackt, damit wir nicht verhungern werden", teilte Niall mir mit. Daraufhin musste ich grinsen, weil ich dieselbe Idee gehabt hatte.
„Ich auch", sagte ich deshalb.
Es dauerte gar nicht lange, bis wir am See ankamen. Auf dem Parkplatz, zu welchem uns das Navigationsgerät geführt hatte, standen bereits zwei andere Autos. Trotz des schönen Sommertags schien nicht viel los zu sein. Aoife hatte also Recht gehabt, dass das hier ein echter Geheimtipp war.
„Und du bist dir wirklich sicher, dass man hier auch schwimmen gehen darf?", versicherte Niall sich zum wiederholten Male, was mich zum Schmunzeln brachte. Eigentlich kannte ich ihn gar nicht so regelkonform.
„Klar, da vorn steht sogar ein Schild." Grinsend zeigte ich auf ein großes Schild, das neben dem Trampelpfad angebracht war, welcher zum Ufer führte. „Schwimmen ist ganz deutlich erlaubt, im Gegensatz zum Angeln und Boot fahren."
Zum Bootfahren schien die Größe des Sees sowieso nicht zu reichen. Während wir den Trampelpfad entlanggingen, konnte ich erkennen, dass dieser keinen allzu großen Umfang hatte. Zudem befand sich im See eine kleine Halbinsel, die mit einem Holzsteg auf dieser Seite mit dem Ufer verbunden war.
Das Ufer bestand aus etwas dunklem und körnigem Sand und hochstehendem Gras. Wahrscheinlich war das einer der Gründe, weshalb hier nicht viel los war, aber das sollte uns nicht stören. Rechts von uns befand sich eine kleine Gruppe mit drei Kindern auf Picknickdecken, sodass wir uns für die linke Seite entschieden.
Dort gab es vor allem hochstehendes Gras, das wir aber einfach mit unseren ausgebreiteten Handtüchern dem Boden gleichmachten. Ich hatte meinen Bikini in weiser Voraussicht gleich unter das Kleid gezogen, sodass ich mir keine Gedanken um das Umzieh-Problem machen musste. Demnach konnte ich mir, nachdem ich meine Sachen ausgebreitet hatte, sofort das Kleid über den Kopf ziehen. Zum Glück war es auch hier ziemlich warm und unser Platz lag in der Sonne. Vielleicht würde ich ein bisschen Bräune abstauben können, denn das Sonnen war in diesem Sommer bei mir bisher definitiv zu kurz gekommen.
Niall hatte es gemacht wie ich und seine Badeshorts bereits zuhause angezogen, darum brauchte er sich jetzt nur noch sein Shirt über den Kopf zu streifen und seine Schuhe auszuziehen. Ich versuchte inständig, ihn nicht zu sehr anzustarren, aber das fiel mir immer noch schwer.
„Mir ist ziemlich warm, wollen wir gleich die erste Runde schwimmen gehen?", fragte er und riss mich damit aus meinen Gedanken.
„Klar", antwortete ich hastig und stand auf. Wie selbstverständlich nahm er meine Hand und zog mich mit zum Wasser. Kurz vor der Wasserkante blieb ich allerdings plötzlich stehen, was ihn gehörig ins Straucheln brachte.
„Nanu, was ist denn jetzt los?" Er drehte sich zu mir um. „Bekommst du jetzt etwa Schiss?"
„Ich gewöhne mich nur gern langsam ...", wollte ich beginnen zu erklären, wurde von ihm aber eiskalt ignoriert. Statt mir zuzuhören hob er mich hoch und marschierte ins Wasser. „Ey, lass mich runter!", versuchte ich mich in Protestrufen, die aber erfolglos blieben. Auch dass ich auf seinem Rücken herumtrommelte schien Niall einfach nicht zu interessieren.
„Achtung, kalt", sagte er bloß, bevor er mich wie eine heiße Kartoffel fallen ließ und selbst ins kühle Nass eintauchte. Nun, kühl war eigentlich untertrieben.
Heftig schnappte ich nach Luft und paddelte mit den Armen wie wild herum, damit mir etwas wärmer werden konnte. Das Wasser war eiskalt und mein Körper hatte nun gar keine Zeit, sich daran zu gewöhnen.
Niall dagegen schien das überhaupt nichts auszumachen, denn er machte bereits die ersten Schwimmbewegungen.
„Blödmann", versuchte ich, ihn zu beleidigen, was aber von einer kleinen Welle, die mir ins Gesicht schwappte, unterbunden wurde. An dieser Stelle konnte ich auch nicht mehr stehen, sodass ich meine volle Konzentration brauchte, um erstmal wieder zu Atem zu kommen.
„Ist das nicht herrlich?" Niall hatte sich jetzt auf den Rücken gedreht und grinste mir zu.
Im ersten Moment wollte ich seine Frage verneinen, besann mich dann aber doch eines Besseren. Langsam gewöhnte ich mich an das Wasser und es war wirklich angenehm in diesem See. Deshalb nickte ich.
„Finde ich auch."
„Siehst du?" Er kam wieder auf mich zu geschwommen. „Du würdest jetzt bestimmt noch bibbernd mit den Füßen im Wasser stehen, wenn ich nicht gewesen wäre." Auch in dieser Hinsicht gab ich ihm Recht. „Also, hast du dein Gesicht schon schön gewaschen?" Ohne mir Zeit zum Antworten zu geben, warf er hinterher: „Nein? Dann wird's ja jetzt Zeit!" Und damit bekam ich einen Schwall Wasser ins Gesicht gespritzt.
„Hey!", rief ich aus und ging direkt zum Angriff über, indem ich ihm ebenfalls eine Ladung Wasser ins Gesicht klatschte.
Das ging eine ganze Weile so weiter, bis es schließlich damit endete, dass Niall mich festhielt, damit ich nicht weiter mit Wasser um mich schmeißen konnte und ich somit verhinderte, dass er dasselbe mit mir tun konnte. Da wir an dieser Stelle beide nicht stehen konnten, berührten sich unsere Beine im Wasser immer wieder, während wir damit beschäftigt waren, ohne die Hilfe unserer Hände an der Oberfläche zu bleiben. Langsam wurde es auch kalt, sich nur im Wasser zu bewegen, sodass wir uns einstimmig voneinander lösten und wieder zum Ufer zurückschwammen.
Dort trockneten wir uns kurz ab und legten uns dann auf die Handtücher.
„Hattest du vorhin wasserfeste Sonnencreme benutzt?", fragte er und holte eine Creme aus seiner Tasche.
„Ja, habe ich zuhause schon", antwortete ich ihm und freute mich, dass ich daran gedacht hatte.
„Ich natürlich nicht, ist wieder typisch", schüttelte er seinen Kopf. „Wärst du so lieb?" Damit hielt er mir die Tube hin, in der sich diesmal wohl wasserfeste Sonnenmilch befand.
Ich schluckte einmal, nahm die Tube aber an und hockte mich neben Niall, der sich auf den Bauch gelegt hatte. Immerhin, denn mit dem Rücken konnte ich mich deutlich leichter anfreunden, als seinen Oberkörper von vorne eincremen zu müssen. Das war natürlich nicht schlimm, aber ich kam mir trotzdem etwas komisch vor. Das lag vermutlich daran, dass ich noch nie mit einem Jungen intim geworden war.
Es fühlte sich an, als seien wir allein hier, denn von der Familie etwas weiter weg bekam ich überhaupt nichts mit. Selbst die Kinder verhielten sich ziemlich ruhig. Zudem schützte uns hier das hohe Gras vor Blickkontakt mit den anderen Besuchern des Sees.
Nachdem Nialls Rücken fertig eingecremt war, atmete ich einmal tief durch, um mich selbst zu beruhigen.
„Fertig", brachte ich heraus, woraufhin Niall sich aufsetzte.
„Hast du zufällig einen Spiegel dabei oder würdest du dich auch für mein Gesicht erbarmen?", erkundigte er sich bei mir mit einem Zwinkern.
„Kann ich machen", antwortete ich und begann, ihm weiße Kleckse von der Sonnencreme auf das Gesicht zu schmieren, die ich dann verteilte.
Anschließend nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und ergriff die Eigeninitiative, indem ich Nialls Schultern eincremte und mich dann in Richtung Bauch vortastete. Während dieser ganzen Zeit konnte ich ihm einfach nicht in die Augen schauen, sondern beobachtete mehr oder weniger fasziniert meine Hände. Dann war ich fertig und schloss die Tube, um sie Niall zu reichen. Dieser hatte ein etwas zu breites Grinsen auf den Lippen.
„Vielen Dank." Damit drückte er mir einen Kuss auf den Mund. Er schmeckte ein bisschen nach der Sonnencreme, was mich aber nicht weiter störte. Ich wusste nicht, ob er das mitbekam, aber es war unser erster Kuss unter freiem Himmel, was mir durchaus auffiel. Auch wenn nicht so viel Wirbel um One Direction gemacht wurde, die Presse bekam es trotzdem mit, wenn einer von ihnen plötzlich in der Öffentlichkeit mit jemandem anbändelte, sodass wir das bisher unterlassen hatten. Allerdings schien Niall sich hier sicher genug zu fühlen, was mich ebenfalls freute.
Nach einer kurzen Zeit in der Sonne und ein paar Keksen zur Verpflegung gingen wir erneut ins Wasser, wo ich zum Betreten keine erneute Aufforderung brauchte. Diesmal schwammen wir bis zu der kleinen Insel und stiegen dort aus dem Wasser, um uns auf den kleinen Steg setzen zu können. Dabei konnten wir unsere Füße im Wasser baumeln lassen.
Niall küsste mich erneut und legte dann einen Arm um mich. Die Schmetterlinge in meinem Bauch begannen mal wieder, umherzuflattern.
„Ist wirklich schön hier", brachte er zur Sprache.
„Oh ja, das ist es." Entspannt schloss ich meine Augen für einen kurzen Moment und lehnte mich an Niall, der trotz des kalten Wassers erstaunlich warm war. Zudem wärmte uns natürlich die Sonne. Er strich mir durch die nassen Haare.
„Ich feiere übrigens in diesem Jahr meinen Geburtstag nicht groß", teilte er mir nach einem Moment der Stille mit. „Ich fliege gleich am Abend wieder nach LA und habe keine Lust auf eine Feier."
„Wünschst du dir irgendetwas?", erkundigte ich mich, was er verneinte.
„Nein. Außer vielleicht das hier." Er grinste, drehte meinen Kopf zu sich und drückte mir wieder einen Kuss auf die Lippen.
„Was ist das eigentlich?", fragte ich aus einem Impuls heraus, nachdem wir unsere Lippen wieder voneinander gelöst hatten. Nicht, dass ich etwas dagegen hätte, aber es interessierte mich doch, was Niall darüber dachte und warum er mich ständig küsste. Ich hatte nicht das Gefühl, dass wir darüber schon gesprochen hatten.
„Also ich nenne das einen Kuss", kam die coole Antwort zurück, aber dann räusperte er sich doch und setzte zu einer ernsthafteren Antwort an. „Meiner Meinung nach sind wir mehr als zwei Freunde, die sich küssen. Aber bevor ich dazu noch mehr sage, würde ich gern deine Meinung hören."
„Ich ...", mir war nicht klar, was ich jetzt sagen sollte, aber dann redete ich einfach drauflos. „Ich mag dich, Niall. Wirklich gern. Also, ähm, eigentlich ..." Ich machte erneut eine Pause und sah ihm direkt in die Augen. „Eigentlich habe ich mich in dich verliebt." Es auszusprechen machte diese Tatsache so viel realer, als sie es in meinem Kopf gewesen war. Meine Hände begannen zu zittern, als Niall diese in seine nahm.
„Lena", begann er, „ich freue mich sehr, dass du das ausgesprochen hast und mir zu vertrauen scheinst. Wir haben uns beide in den letzten Jahren verändert und als wir uns letzten Winter wiedergesehen haben, habe ich dich plötzlich in einem ganz anderen Licht betrachtet. Und ich muss mir eingestehen, dass es mir genauso geht wie dir. Aber ..." Er kam gar nicht dazu, weiterzureden, denn nach seinen letzten Worten packten mich die Glücksgefühle und ich drückte meine Lippen auf seine, wie er das sonst immer bei mir tat.
Niall schien damit überhaupt nicht gerechnet zu haben, denn er zuckte überrascht zurück. Jedenfalls hoffte ich, dass es die Überraschung gewesen war. Darüber konnte ich jedoch nicht weiter nachdenken, weil Niall so schräg neben mir auf dem Steg gesessen hatte, dass er nun zur Seite wegkippte und ins Wasser fiel. Blöd daran war, dass er immer noch meine Hände festhielt und mich deshalb mit rein zog. Mit einem lauten Platschen landeten wir beide im Wasser und prusteten nach Luft, als wir wieder an die Oberfläche kamen.
„Das hätte ich jetzt nicht erwartet", lachte Niall und ließ sich nicht davon abhalten, mich erneut zu küssen, während ich versuchte, dabei durch die Nase Luft zu holen. Das stellte sich als fast unmöglich heraus, sodass ich es schließlich aufgab und ihn von mir wegschob, um nach Luft schnappen zu können.
„Du wolltest noch was sagen?", erwiderte ich auf seinen fragenden Gesichtsausdruck.
„Ja, aber nicht hier im Wasser." Er verdrehte die Augen. „Dafür brauchen wir ein bisschen Ruhe. Die du gerade unterbrochen hast." Mit einem Herausstrecken seiner Zunge tauchte er vor mir ab und erschien kurze Zeit später auf der anderen Seite des Stegs. „Aber wenn wir jetzt schon mal im Wasser sind, können wir das auch nutzen."
Bevor ich nachfragen konnte, inwiefern er das nutzen wollte, war Niall erneut abgetaucht.
Ehe ich mich versah spürte ich plötzlich eine Hand an meinem Rücken und drehte mich erschrocken zu einem lachenden Niall um.
„Ich dachte schon, das wäre ein Fisch oder so!", empörte ich mich.
„Sehe ich aus, als hätte ich Kiemen?" Und schon tauchte er wieder ab.
Wie fandet ihr diesen Ausflug zum See? Immerhin fangen die beiden jetzt an, über ihre Beziehung zueinander zu reden, oder?
Das nächste Kapitel gibt es wieder in einer Woche, und zwar am Dienstag, den 20. Juni. Dann erkläre ich auch, was es mit den wöchentlichen Updates auf sich hat. Das liegt nämlich nicht daran, dass ich so unglaublich viel vorgeschrieben habe.
Liebe Grüße, Catrifa x
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